Knossos: Der Palast der Frauen.

Heute schöpfen wir mal wieder aus unserem schier unerschöpflichen Bücherschatz, von dem sich doch ein nicht unbedeutender Teil mit Kreta beschäftigt. Darunter befinden sich wirklich echte „Schätzchen“, die es heute teilweise nicht mal mehr zu kaufen gibt. 

Zu einem unserer Schätze gehört das Buch„Wind  auf Kreta“ von David MacNeil Doren, dessen englische Erstausgabe 1974 erschienen ist – die englische Erstausgabe in Griechenland erschien im Efstadhiais Group im Jahr 1981.

Der Auszug, den Scheffredakteuse Euch heute daraus präsentieren will, ist aus dem Kapitel „Auf der Suche nach einem Dorf“ und beschäftigt sich – im Artikel eigentlich nur „nebenbei“ mit der Palastanlage von Knossos. „Aaaaach, nicht schon wieder Knossos“ wird der Eine oder die Andere von Euch nun denken, ist das Thema doch für Kreta-Liebhaber meist schon ziemlich langweilig geworden. Aber die Überlegungen und Schlussfolgerungen, die David MacNeil Doren aus einem seiner vielen Besuche dort anstellt, dürften doch relativ neu – und stellenweise auch recht erheiternd sein. Naja, zumindest für die weibliche Leserschaft… 😉

Knossos.

Nun viel Spaß mit David’s Überlegungen zum Thema:

„Wir besuchen Knossos wie immer, wenn unser Weg durch Iraklion führt. Wieder einmal bin ich beeindruckt von der weiblichen Atmosphäre dieses Ortes. überall Frauen – die berühmten Wandmalereien bestehen fast ausschließlich aus Darstellungen weiblicher Wesen. Die Vögel und Delphine sehen „niedlich“ aus, so wie Frauen sie sehen würden. Es gibt eine unvergessliche Freske in der hunderte von Frauen dargestellt sind – vielleicht als Publikum bei einer öffentlichen Unterhaltung – und alle reden auf einmal!

Diese Frauen von Knossos gingen barbrüstig – ein unfehlbares Anzeichen weiblicher Vorherrschaft, denn wenn Männer entscheiden, was Frauen anziehen sollen, entscheiden sie sich unvermeidlich dafür, sie von Kopf bis Fuß zu bedecken. Zeugnis dafür sind die verschleierten Frauen in den arabischen Ländern, oder gleichermaßen die „modernen“ kretischen Bauersfrauen, die einer strengen männlichen Autorität unterstehen und noch immer Kopf und Gesicht bedecken und meistens in dunkle, formlose Gewänder gehüllt sind.

Wo immer die Weiblichkeit ihre Kleidung selbst bestimmt, zeigt sie soviel nacktes Fleisch wie möglich. Der Bikini mag eine männliche Erfindung sein – aber es waren die Frauen, die das Oberteil wegließen. Im tiefen Süden von Mexiko besuchte ich einmal eines der wenigen verbliebenen Matriachate der Welt in Tehauntepec: sie badeten nackt und ohne Scham in dem Fluß und trugen lange Kleider wie die Minoer.

Wir wandern in den Ruinen herum, die wir an diesem Wintermorgen ziemlich für uns alleine haben. Nachdem wir einmal mit diesem Gedanken begonnen haben, bleiben wir ihm auf der Spur. Die berühmte Wasserleitung zum Beispiel, die die amerikanischen Touristen – speziell die weiblichen – so sehr begeistert, ist sie nicht auch ein Zeichen der weiblichen Vorherrschaft? Eine Sache, die die Damen immer bedenken, ist ein gutes Abflußystem. Amerika ist ein Paradebeispiel dafür, oder Frankreich mit seinen überall vorhandenen Bidets.

Charles: Ein Leben von Frauen bestimmt.

War sich Sir Arthur Evans bewusst, als er seine arbeitsreichen Ausgrabungen vornahm, dass er den Palast einer Königin freilegte, dessen gesamte Anlage, Umgebung und Ausstrahlung weiblich ist?.
Wahrscheinlich nicht, denn es existiert keine geschriebene Geschichte von Knossos, die er hätte lesen können – sondern nur alle diese Bilder von Frauen, die sich unterhalten und sich putzen.

Als Michael Ventris die „Linear B“ Schrift entzifferte, wartete die archäologische Welt gespannt darauf, was diese geheimnisvollen Inschriften auf den Tafeln von Knossos zu bedeuten hätten. Traurigerweise waren es weder Geschichten noch Gedichte noch aufregende Berichte über große Ereignisse. Nichts als Listen, endlose Verzeichnisse von Töpfen und Pfannen, Vorratsmengen, die in Speisekammern gelagert wurden, und so weiter. Jeder Ehemann, der sich schon einmal über die komplizierten Einkaufslisten seiner Frau und ihre verzweifelten Anstrengungen, mit dem Haushaltsgeld auszukommen, gewundert hat, wird das Muster sofort erkennen. Wenn Männer Knossos regiert hätten, hätten sie uns epische Werke hinterlassen – doch dies war das Königreich von Frauen, und so ist alles, was wir haben, alte Einkaufslisten.

Schließlich, die Anlage des Palastes selbst. Dieses war das Original-Labyrinth, eine „komplizierte, unregelmäßige Struktur mit vielen Gängen, durch die man sich ohne Führer kaum hindurchfinden kann; ein Irrgarten; umständliche oder verschlungene Anordnung… eine verwirrende Angelegenheit“ – so der Concise Oxford Dictionary.

Könnte es eine bessere Definition der weiblichen Psyche geben als diese? Kein Wunder, dass Theseus ohne die Hilfe von Ariadne und ihrem Wollknäuel verloren gewesen wäre – verloren, wie zahllose Männer verloren gegangen sind im Lamyrinth dieses verlockenden Geheimnisses FRAU.

Dieser antike Irrgarten, den Sir Arthur in aller Unschuld ausgegraben hat, ist nichts anderes als eine Landkarte des wahrhaftigen weiblichen Wesens.

Und wir wären ja kein Radio, wenn wir zum Thema nicht auch die passende Musik hätten…. Schaut, lacht und lauscht hier:

Auch interessant und wunderschön geschrieben: Im Palast von Knossos von keinem geringeren als dem großen Nikos Kazantzakis.