by Konstantin Wecker
„In Griechenland kocht die Wut! Und in mir, ehrlich gesagt, auch. Man muss doch endlich einmal aufhören, die Bevölkerung Griechenlands auszuplündern! Aber nein, es geht munter weiter. Allein in diesem Jahr sollen 15.000 Stellen abgebaut werden, bis 2015 sogar 150.000!
Löhne sollen gekürzt, Lohnnebenkosten gesenkt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu steigern. Wissen eigentlich diese unbelehrbaren Marionetten Merkel und Sarkozy, was sie da anrichten? Haben die noch irgendeine Nähe zum einfachen Menschen? Das also nennt man Reformen: Löhne kürzen, Lohnnebenkosten senken, den Sozialstaat abbauen – Reformen? Früher hatte dieses Wort mal eine andere Bedeutung. Die gnadenlose neoliberale Ideologie hat schon seit langem die Bedeutungshoheit und die Neuschöpfung der Worte an sich gerissen. Man nennt die Ärmsten „abgehängtes Prekariat“, Kriege „Interventionen“, Neokolonialismus „Kampf für die Menschenrechte“.
Und „undemokratisch“ ist alles, was sich dem Expansionismus von Staaten, Konzernen und Banken entgegenstellt. Wem helfen denn die Milliardenhilfen von IWF, EZB und EU? Ganz sicher nicht den hungernden und frierenden Griechen, den Armen und Ärmsten, sondern wohl in erster Linie den Banken. Wer eine Regierung zum Ausverkauf des Staatseigentums nötigt, ist kein Demokrat!! Denn wen oder was wählen denn die Bürger? Vorstände der Banken oder des IWF? Sie wählen Politiker, die immer hilfloser werden und in Geiselhaft genommen sind von der Finanzindustrie.Was bedeutet denn die Macht in den Händen extrem reicher Privatleute und Konzerne? Sie brauchen ja nicht einmal zu befürchten, abgewählt zu werden. Sie sind in der Tat, – wie sie sich am liebsten selbst bezeichnen: Masters of the Universe. Viele sagen, das bringt doch nichts sich darüber aufzuregen.
Viele meinen, ich sollte nicht schreiben, sondern was tun. Was bitte? Mit einem Gewehr Sarkosy bedrohen? Die Weltrevolution ausrufen oder Steine schmeissen? Die Revolution muss sein. Und sie muss eine Revolution des Bewusstseins sein oder sie wird zum Schlachthaus. Unzählige Privatarmeen, bestens bewaffnete Söldner warten nur darauf, losgelassen zu werden auf die Feinde des Systems. Nicht zu vergessen, mit welch brutalen neuen Waffen sich die Staaten selbst auf demonstrierende Bürger einrichten. Wir sind ihnen in allem unterlegen, bis auf unseren Geist, unsere Liebesfähigkeit, unser Bewusstsein. Ja – und wir sind immerhin die 99 Prozent, wenn wir endlich aus unserer Lethargie erwachen! Und ich glaube, genau das macht ihnen auch Angst.
Ich bleibe dabei: durch Lieder und Texte kann man Interesse wecken, vermag manchmal andere auf etwas hinzuweisen, was ihnen vielleicht gerade nicht so bewusst war, kann eventuell Mut machen, standhafter zu der eigenen Meinung zu stehen, um sich dann selbst für etwas stark zu machen. Die Occupy Wall Street Bewegung ist ein wunderbarer Beginn. Lasst uns unsere Ideen miteinander vernetzen, ohne ideologische Tyrannei, herrschaftsfrei und gewaltfrei. Denn wir haben die Fantasie und die Bereitschaft nicht nur die Welt, sondern auch uns zu ändern.“