„Endlich November“ werden sicherlich einige im kretischen Tourismus Beschäftigte seufzen – die Saison ist rum, der erste Regen fällt, die Temperaturen sind noch angenehm und die Natur explodiert mal wieder. Sind im nördlicheren Europa schon fast alle Blätter von den Bäumen gefallen und verpassen bestenfalls noch späte Herbstblüher (Astern, Erika und Konsorten) dem trüben Novembergrau vereinzelte Farbtupfer, hängen hier die Zitronen-, Granatapfel-, Mandarinen- und Orangenbäume voller Früchte! Auch die Kaktusfeigen sind reif und in den Gewächshäusern werden Gurken und Tomaten geerntet.
Noch dazu blühen Wandelröschen und Bougainvillea in satten Farben – der kretische Herbst ist fast farbenfroher als der nord- und mitteleuropäische Frühling!
Und im selben Maße, in dem sich die Natur verändert, verändert sich auch das allgemeine Straßenbild der Insel. Bestimmten in den letzten 6-7 Monaten vor allem Mietwagen, Mietmopeds und Touristenbusse den Verkehr, sieht man jetzt fast ausschließlich kretisch Pick-Ups. Denn…..
…es ist Erntezeit!
Man sieht Pick-ups mit den verschiedensten Ladungen. Oft hat man Gerätschaften zur Olivenernte auf der Ladefläche, bei gutem Wetter gerne auch ein paar Arbeiter ebenda, spätestens gegen Mittag sieht man die ersten „Ladungen“ Oliven in Säcken oder Gemüsekisten auf dem Weg zur nächsten Olivenölfabrik, dann sind da noch die mit Tomaten, Schafen und Ziegen voll beladenen Pick-ups, überall ist am helllichten Tag auf Agrarflächen ein lebhaftes Gewusel.
Eingeleitet werden diese harten Arbeitstage (gerne 8-10 Stunden körperlich anspruchsvolle Arbeit!) oft am frühen Morgen (gegen 6h30, da ist es noch dunkel!) in einem der strategisch gut gelegenen Kafenia, denn so ein Kafenion hat ja durchaus auch Arbeitsvermittlungscharakter. Ab spätestens halb 8 sind alle Lohnarbeiter verschwunden, da sie einen Job für mindestens diesen Tag ergattert haben. Und wenn es gut läuft auch für die nächsten Tage.
Der Tag endet meist kurz vor Sonnenuntergang, derzeit also so gegen 17h. Man trifft sich – wenn man von der stundenlangen, körperlich anspruchsvollen Arbeit nicht dermaßen platt ist, dass man direkt zu Bett geht – wiederum im Kafenio, tauscht sich aus und bereitet sich seelisch und moralisch auf den nächsten Arbeitstag vor. Denn dieser wird vermutlich wieder genauso anstrengend, wie der heutige.
Diese saisonale Transformation findet jedes Jahr statt, ist aber – zumindest für mich – immer noch faszinierend. Vor allem auch, weil man oft die Gesichter, die man während der Touristensaison hinter Tresen, in der Küche oder als Servicekraft in den entsprechenden Bars und Restaurants gesehen hat. nun im oder auf dem Pick-up sieht.
Und auch der Spaziergang mit den Hunden auf dem Berg und in den Olivenhainen verläuft nicht mehr ganz so ruhig, weil da ja täglich schwer geschuftet wird.
Kreta verwandelt sich eben saisonal vom Touri-Hot-Spot zum Agrargebiet – der Wechsel ist jedes Jahr wieder krass. Die Kreter sind genauso wandlungsfähig wie die Natur selbst – man lebt eben im Einklang mit dem, was gerade ansteht und/oder notwendig ist.
Und deswegen bleibt es hier einfach immer spannend.
Radio Kreta – wir haben immer Saison.