Kreta ist beliebt bei Touristen. Aber werden sie auch künftig kommen? Hoteliers und Wirte sind besorgt.
Es ist Sonntagmittag in Heraklion, der Hauptstadt Kretas. Die Fußgängerzone im Zentrum wirkt verwaist. Kaum ein Geschäft hat geöffnet, nur einzelne Cafés warten auf flanierende Kundschaft. Dass die bisher ausblieb, mag an den Regengüssen liegen, die tags zuvor einsetzten und die Nacht über anhielten. Ungewöhnlich kühl und wechselhaft ist es für Mitte Oktober. Der Grund für die Katerstimmung, die auf der Stadt zu liegen scheint?
Zur selben Zeit, nur zwei Kilometer entfernt, spült der internationale Flughafen „Nikos Kazantzakis“ ungebrochen Kurzurlauber aus dem belebten Terminal. Im Minutentakt landen die Maschinen, bereitgestellte Transferbusse verteilen die Sonnenhungrigen auf die Hotels an der Nordküste.
Die größte griechische Insel gehört zu den Hauptzielen des Tourismus. Dieses Jahr, so hört man überall, war ein gutes für den Fremdenverkehr nach Griechenland. Auch Kretas wichtigste Einkommensquelle profitierte von der Krise in Nordafrika. Nichts deutet darauf hin, dass hier etwas aus dem Takt geraten sein könnte. Wären da nicht die zahlreichen Graffiti an den Häuserwänden.
Am häufigsten liest man „den plirono“ – auf Deutsch: „Ich zahle nicht“. Die bürgerliche Protestinitiative ist längst von Athen nach Kreta geschwappt, wo sich „Empörte Griechen“ dem Kampf gegen Bestechungsbürokratie und Sparpläne angeschlossen haben. Es sind vor allem junge Leute, sie sich an einem ganz normalen Wochentag friedlich vor der Markthalle in Chania, der zweitgrößten Stadt Kretas, versammelt haben. Auf ihrem Transparent prangt der Slogan „Wir verkaufen nicht, wir sind nicht schuld, wir zahlen nicht“. Auch Nikos (46), der Inhaber eines thailändischen Silk Shops in der Altstadt, beteiligt sich an den Boykotten und wird neben Miete und Strom auch die neue Immobiliensteuer, die dem Staat gut zwei Milliarden Euro jährlich einbringen soll, zunächst nicht bezahlen. Nikos sieht die Ursache der Krise allein im „System“, dem Bündnis aus Politik und Geld.
Wie Nikos ist auch Stelios (35) empört über die Regierung in Athen. „Seit 30 Jahren wird Griechenland von drei Familien regiert, die einfach die falsche Politik machen. Wir werden abgezockt, doch bekommen nichts für unser Geld: keine neuen Straßen, keine gute Bildung, kein funktionierendes Gesundheitssystem.“ Er hat eben erst eine kleine Pension in Chania übernommen, lebt zum Großteil jedoch von Gelegenheitsjobs.
Tatsächlich geht es der Insel noch vergleichsweise gut, wie Giorgos (48) bemerkt: „Die Menschen hier sind nicht so schlecht dran wie in Athen oder Epirus: Hier haben sie Grundbesitz, eigene Immobilien, Gärten und Olivenbäume. Und die Touristen.“ Auch er profitierte von dem Boom der vergangenen Jahre, führte lange Zeit ein kleines Hotel und ein Restaurant mit zwölf Angestellten. Nun lebt er auskömmlich von seinen Mieteinnahmen. „Woanders sind sie viel abhängiger von Jobs und leiden noch mehr unter den erhöhten Lebenshaltungskosten durch den neuen Mehrwertsteuersatz von 23 Prozent.“
Obwohl die Auswirkungen der Finanzkrise auf Kreta nicht unmittelbar zu erkennen sind, spürt man allerorten eine große Nervosität. Und eine ungeheure Wut auf die Politiker. Raki, der heimische Tresterschnaps, fließt in diesen Tagen reichlich. Auch bei Giannis (53), dem Wirt einer florierenden Taverne im ruhigen Sougia an der Südwestküste. Er bangt jeden Abend um seinen Umsatz. Da er von einer immer wiederkehrenden Stammkundschaft im Individualtourismus lebt, steht er doppelt unter Druck: Werden sich die Urlauber von zunehmenden Streiks und politische Auseinandersetzungen auf der Straße abschrecken lassen? Dieses Jahr kamen einige sogar mehrmals – aus Solidarität –, aber wie wird das in Zukunft sein? Kann er angesichts steigender Preise sein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis halten und wettbewerbsfähig bleiben? Er arbeitet sehr viel, betreibt einen eigenen Wein- und Gemüseanbau und hat acht Angestellte in Lohn und Brot. Einen Boykott kann er sich nicht leisten. Aber auch ihn empört, dass vor allem der Mittelstand und die ärmeren Schichten von den beschlossenen Reformen betroffen sind. „Die Millionäre essen nachts Lobster mit den Ministern und zahlen nicht, was sie sollten.“
Nach wie vor gehen die Gewinne der zahllosen Kleinunternehmer – vom Bauern über den Tavernenbesitzer bis zum Hotelier betreiben mehr als die Hälfte der Kreter ein Gewerbe – an der Steuer vorbei. Registrierkassen klingeln selten, das erlebt man auch als Reisender. Steuerhinterziehung ist ein Volkssport, gilt angesichts steigender Preise jedoch als überlebensnotwendig. Doch Habgier und kleine Betrügereien belasten auch die Gastfreundschaft und das soziale Klima. Dicke Bündel Euro-Scheine in der Hosentasche belegen das Misstrauen, das die Kleinbürger dem Staatsapparat entgegenbringen.
Quelle: Der Tagesspiegel
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Ich glaube, wenn man sich die Erfahrungen des Nürburgringes ansieht, würden Kreter nur davon profitieren, wenn Bernie Ecclestone einer wird :-).
Ich hätte eine Idee wie sich Kreta wieder sanieren könnte. Es müssten mehrere Sponsoren gefunden werden, die dafür kämpfen, die F1 nach Kreta zu holen. Ich habe schon oft läuten hören das der Flughafen in Heraklion zu gemacht werden soll und in Lassithi ein neuer entstehen soll. Das wäre doch eine eine gute Strecke. Ich denke, dann würden alle Kretaner davon profitieren. Aber ich denke auch, dass sich dies nie realisieren wird leider.