Im Teil III des „Highway to Hellas“ hat Alexandros mir einiges über
„KOUMPARIA KAI ROUSFETI – Vetternwirtschaft“ erzählt, nachzulesen auch im SZ-Magazin 05/2010.
„Diese kurze Geschichte bekommt fast jeder junge Grieche einmal im Leben zu hören, sie ist in den letzten zwanzig Jahren zur Legende geworden: Es war einmal ein Grieche, der einen Comicladen in Heidelberg führte. Der Comicladen ging pleite, und der Grieche war arbeitslos. Obendrein hatte er einige tausend Mark Schulden angehäuft.
In seiner Verzweiflung rief er seinen Cousin in Athen an und bat ihn um einen Job. Der Cousin war ein ranghoher Funktionär im Bauministerium. Es ist das Jahr 1984. Griechischer Premierminister ist Andreas Papandreou, Vater des jetzigen Premierministers Georgios Papandreou. Korruption und Vetternwirtschaft blühen, goldene Zeiten für viele Griechen. Der EU-Beitritt drei Jahre zuvor spült viel Geld ins Land, Geld, das vor allem in die Infrastruktur investiert werden soll: in neue Straßen, neue Schienen und – im gebirgigen Mittelgriechenland – auch in neue Tunnelbauten.
Was nun folgt, nennt man in Griechenland »Rusfeti«, Gefälligkeit. Meist geschieht dies unter Familienangehörigen, guten Freunden (den wirklich guten Freunden) oder wichtigen Geschäftspartnern. Der Cousin im Bauministerium beruhigt seinen Verwandten: Er habe da eine Stelle für ihn, ein Projekt, das der Cousin leiten könnte. Nichts Dramatisches, er werde verantwortlich sein für einen Tunnelbau nahe der Stadt Kozani. »Tunnelbau?«, fragt der Comicladenbesitzer etwas erstaunt. »Muss man dafür nicht Ingenieurwesen studiert haben?« – »Normalerweise schon«, antwortet der Funktionär. Aber so ein Tunnel sei schnell gegraben, »die Bagger baggern doch alle geradeaus«.
Drei Wochen später ist der Ex-Comicladenbesitzer ohne jede Vorkenntnisse Chef eines Bauprojekts mit mehr als dreißig Mitarbeitern. So weit die Legende.
Nun weiß man aus der jüngeren Geschichte, dass Franzosen und Engländer einen Tunnel unter dem Ärmelkanal gegraben und sich gerade einmal um vier Millimeter verrechnet haben. Eine architektonische Glanzleistung. Der weitaus anspruchslosere Tunnelbau nahe Kozani verläuft weniger glanzvoll.
Auch dort baggert man von beiden Seiten los, um sich in der Mitte zu treffen. Doch leider kommt es nie zu einer Zusammenkunft. Die beiden Grabungen – so hat man später ausgerechnet – verpassen sich nicht um Millimeter, auch nicht um Zentimeter: Zwischen den beiden Endpunkten liegen fünfunddreißig Meter.
In jedem anderen Land der Welt wäre das ein Skandal. In Deutschland würde der Bauminister, wenn es einen gäbe, zurücktreten. Die Konsequenzen in Griechenland? Die Tunnelröhren wurden wieder zugeschüttet, der Bauleiter verschwand, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, der Funktionär im Bauministerium bekam eine Abmahnung. »Rusfeti« (übrigens ein Wort, das wir aus dem Türkischen übernommen haben), diese kleinen Gefälligkeiten, sind die Scharniere der griechischen Ökonomie. Laut einer Schätzung der griechischen Zeitung Real News verdankt beinahe jeder dritte Arbeitnehmer in Griechenland seinen Arbeitsplatz einem Rusfeti.“
Und was es mit „Fakelaki“ auf sich hat, erfahrt Ihr im Teil IV des „Highway to Hellas„, ich hab da noch weiter rumgeschnüffelt und interessantes erfahren…