Der Grieche
Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 25.05.2012
Kein anderer Berufsdiplomat hat so lange in Deutschland seinen Dienst versehen wie Pantelis Pantelouris. Als Leiter des Pressebüros der Botschaft war er zuletzt vor allem damit beschäftigt, die Wirtschaftskrise in seiner Heimat zu erklären. Nun trifft sie ihn selbst.
HAMBURG. Am 26. März setzte sich Pantelis Pantelouris an den Computer und schrieb einen Brief. „In der für mein Land schwierigsten Phase seiner jüngeren Geschichte wollte ich eigentlich nicht ‚desertieren'“, teilt er seinen lieben Kolleginnen, Kollegen und Freunden mit, aber er müsse „den Anweisungen aus Brüssel folgen und zur Verschlankung des griechischen öffentlichen Dienstes beitragen“. Er werde zu denen gehören, die Berlin verlassen, aber die Stadt immer in ihrem Herzen tragen. Das mag sich pathetisch anhören. Doch es ist keine Floskel. Berlin war Pantelouris‘ erster Zufluchtsort, als in seiner Heimat die Militärdiktatur herrschte, die Oppositionelle in Lager sperren und foltern ließ. Tausende wurden damals ermordet.
Fast drei Jahrzehnte war Pantelouris als Diplomat in Deutschland akkreditiert, zuletzt als Botschaftsrat und Leiter des Presse- und Informationsbüros der Griechischen Vertretung in Berlin. Die beiden letzten Jahre, sagt er, seien die stressreichsten seines Lebens gewesen. Jahrelang habe sich kaum ein Journalist für Griechenland interessiert. Seit Beginn der Krise aber hatte er täglich Dutzende Anfragen zu beantworten. „Die Kenntnisse über Griechenland waren oft sehr sehr bescheiden. Das hat mich überrascht, und dieses Ausmaß an aggressiver und zum Teil beleidigender Berichterstattung hatte ich nicht erwartet.“ Da wurde von den „faulen Griechen“ gesprochen, von Busfahrern des öffentlichen Verkehrs, die 3500 Euro verdienen würden, den Griechen wurde unterstellt, sie gingen alle mit 53 Jahren in Rente. Es kostete Pantelis Pantelouris viel Arbeit und viele Nerven, die unsinnigen Behauptungen mit Lohnlisten und Statistiken zu widerlegen. Es habe aber auch etliche seriöse Journalisten gegeben, räumt er ein, die redlich bemüht gewesen seien, die Probleme Griechenlands zu verstehen.
Im Zuge der Krise wurde das Personal der Botschaft reduziert. So arbeitete Pantelouris zumeist sieben Tage die Woche, oft bis 22 Uhr abends und länger. Gleichzeitig verringerte sich sein Einkommen um 40 Prozent, weil das Gehalt gekürzt wurde und die Auslandszulage nun versteuert werden musste. Seit zwei Monaten ist er in Rente. Die Auslandszulage ist jetzt ganz weggefallen, und die Pension soll nur etwas mehr als die Hälfte des Grundgehalts betragen. Möglicherweise wird sie aber schon bald weiter gekürzt. Und wann sie ausgezahlt wird, ist ungewiss. Viele Pensionäre, die im öffentlichen Dienst gearbeitet haben, warten sei neun Monaten auf die Überweisungen.
Von rebellischer Natur
Kein anderer Berufsdiplomat hat wohl so lange in Deutschland seinen Dienst versehen wie Pantelouris. Gerne wäre der 66-Jährige noch geblieben. Er wollte erst im Dezember in Pension gehen. Doch nun wurde er Opfer der den Griechen aufgezwungenen Sparpolitik. Bald wird er in Hamburg, wo seine deutsche Ehefrau wohnt, die letzten Sachen in den Kombi packen. Nächste Woche fahren sie dann nach Venedig, um sich nach Patras einzuschiffen. Möbel und Bücher lagern bereits in einem Depot in Athen. Sie werden sich in Oxilithos auf der Insel Euböa niederlassen, im Dorf seiner Mutter.
Lest bitte weiter bei Thomas Schmid
„Rebellen haben auch rebellische Kinder“: Michalis Pantelouris
Radio Kreta – zwischen Hamburg und Haiti