Heftige Kritik an Regierung Samaras
Von Christina Schwaha (APA)
Private Medienunternehmer könnten von Schließung profitieren.
Heraklion. Die etwa drei Millionen Touristen, die Kreta jährlich besuchen, dürften die Schließung des staatlichen Rundfunks ERT kaum bemerken. Die Journalisten der „Sonneninsel“ wähnen sich jedoch auf einem Tiefpunkt. „Es wird von Tag zu Tag schlimmer“, sagt Giorgos Papadakis des größten kretischen Fernsehsenders „Kriti TV“. Vor allem gegen die Regierung werden schwere Vorwürfe erhoben. Bei der ERT-Schließung sei es in Wirklichkeit um eine politische Neuausrichtung des Senders gegangen, so George Psaroulakis, Chefredakteur der kretischen Tageszeitung „Nea Kriti“ zur APA.
Ein Großteil der rund 2.600 „alten“ ERT-Mitarbeiter seien der konservativen Regierung von Antonis Samaras wohl zu kritisch gewesen – oder hätten ganz einfach das falsche Parteibuch gehabt. „Die neue ERT wird eine Bastion der Regierung Samaras sein“, schlussfolgert Psaroulakis. Tatsächlich verteidigte der griechische Premier kürzlich seine Entscheidung mit der Begründung, dass ERT zu einem „Jurassic Park“ mit Dinosauriern geworden sei, die alte Ideologien verträten.
Zu viel Geld verschlinge der aufgeblasene Apparat, lautete die offizielle Erklärung. Zwar scheinen sich sowohl die Journalisten und Politiker Kretas einig, dass es einer Reform des staatlichen Rundfunks bedurfte. „Aber nicht so, wie Samaras es gemacht hat“, lautet der Tenor. „Das war ziemlich brutal“, meint auch Stavros Arnaoutakis, der Gouverneur der Insel.
Neben dem Versuch, durch die temporäre Schließung von ERT (Ellinki Radiofonia Tileorasi) wichtige Posten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk neu zu besetzen, orten Psaroulakis und eine Reihe anderer Kollegen einen weiteren Grund. Durch die Handlungsunfähigkeit von ERT wird Digea, einem Unternehmen zur Vergabe digitaler Sendefrequenzen, eine zentrale Rolle in der Medienlandschaft Griechenlands zuteil. Die Firma „Digea Digival Provider Inc.“ ist im Besitz einiger privater TV-Sender, die wiederum den reichsten Geschäftsmännern des Landes gehören.
„Das ist nur ein weiteres Geschenk von Samaras an die Unternehmer“, kritisiert Psaroulakis. Ähnlich äußert sich Dimitris Makris, Betreiber der Website „newscreta.gr“: Die Gerüchte über den Zusammenhang zwischen der Schließung des staatlichen Rundfunks und einer Kooperation der Regierung mit Digea hätten sich in den vergangenen Tagen verdichtet, so Makris.
Doch die drastische Maßnahme, ERT vorübergehend abzuschalten, ist nach Ansicht von Psaroulakis nur einer der Auswüchse der „Todesspirale“, in der sich griechische Medien bereits seit 2008 befänden. Die Gehälter von Journalisten seien in den vergangenen vier Jahren um 30 Prozent zurückgegangen, die Lebenshaltungskosten gleichzeitig jedoch in die Höhe geschnellt. Alleine vom Schreiben könne er nicht leben, berichtet auch Makris von der prekären Lage freier Journalisten und Reporter im Land.
Zeitungssterben
Denn die von den internationalen Geldgebern auferlegten Sparmaßnahmen haben auch griechische Medien stark belastet. Alleine auf Kreta wurden in den letzten drei Jahren zwei von vier Tageszeitungen geschlossen. Die Auflage der beiden bestehenden Blätter wurde von 22.000 auf 8.000 reduziert. Psaroulakis führt dies auf den „Mangel an Lesekultur“, aber auch an Zeit, zurück. Damit einher gehe auch ein Verlust an Qualität, denn die Gesellschaft würden vor allem rasche Informationen, und das in möglichst simpler Art und Weise fordern. „Wir versuchen trotzdem sehr hart, unseren Standard zu halten“, versucht der Journalist seine Arbeit zu verteidigen.
In einer „besonderen“ Situation ist nach Worten des Chefredakteurs von „Nea Kriti“ auch die Pressefreiheit in Griechenland. Denn die Eigentümer privater Medien seien keine „Medienmanager“ mehr. Sie kämen zusehends aus der Wirtschaft und würden die Zeitungen und Fernsehen für ihre Zwecke – Werbung für ihr jeweiliges Unternehmen bzw. Produkt – missbrauchen. Ausnahmen bestätigten die Regel, aber diese seien dünn gesäht, so Psaroulakis.
EU-Kommissar Hahn: Meinungsfreiheit nicht gefährdet
EU-Kommissar Johannes Hahn hat kein Problem mit der Schließung des griechischen staatlichen Rundfunks: „Die Meinungsfreiheit ist dadurch in Griechenland nicht gefährdet“, sagte er am Dienstag in Brüssel vor Journalisten. Zum einen habe der Rundfunk eine Einschaltquote von nur 13 Prozent, zum anderen sei die Maßnahme in Zusammenhang mit Strukturreformen geschehen. Hahn-Sprecherin Annemarie Huber fügte gegenüber der APA hinzu, dass die Schließung „natürlich inakzeptabel“ gewesen sei.
Quelle: Wiener Zeitung