Selbsterfahrungsgruppe TROIKA

Von Thomas Fricke, FTD

Demokratie ist Quatsch, jetzt sollen Technokraten Europa kurieren – dabei wissen diese erschreckend wenig darüber, ob ihre Rezepte überhaupt was bewirken.

Von Thomas Fricke, dem Chefökonomen der FTD.

Die Finanzwelt ist begeistert. In Italien regiert seit Monaten eine Regierung aus parteifreien Politikern um Mario Monti. Die Griechen wurden erfolgreich abgehalten, das Volk zum Reformdesaster mal zu fragen. Wobei jetzt die Sorge kursiert, dass die Griechen in Kürze doch noch wählen sollen – furchtbar. Oder dass Frankreichs Wähler einen Sozialisten gewinnen lassen könnten, wovor Analysten gerade in Phantomschmerz erstarren.

Die Botschaft ist klar: Demokratie ist gerade etwas blöd. Die Krisenländer brauchen jetzt alternativlos harte Reformer und gnadenlose Konsolidierung. Da stört der Bürger nur. Die Sache muss jetzt einfach mal durchgezogen werden und fertig. Von so viel Expertenfreigang kann unser Hans-Werner Sinn nur träumen.

Nun mag man das Parteiengezänk lästig finden, klar. Das Groteske liegt nur darin, dass das gefeierte Auftreten der Glücksdespoten bei näherer Betrachtung in ziemlich krassem Kontrast dazu steht, wie wenig sie über die Wirkung ihrer Rezepte wissen – zumal sich so manches Ökonomenrezept gerade erst als zweifelhaft erwiesen hat. Demokratie, hilf!

Dynamisches Griechenland
Jetzt muss man nicht fragen, was eigentlich Mario Monti zum Retter in der Finanzkrise macht, der als langjähriger EU-Wettbewerbskommissar glatt übersehen hat, was Wettbewerb zwischen Banken anrichten kann. Man kann aber. Oder was den griechischen Professorenpremier Lucas Papademos auszeichnet, der ein angesehener Notenbanker ist, zu seiner Zeit als langjähriger Euro-Zentralbank-Vize aber keine so großen Probleme aufziehen gesehen hat (ebenso wenig wie der deutsche EZB-Chefvolkswirt, um dem Verdacht nationaler Exklusivität gleich zu begegnen).

Ähnliches gilt für Beamte der EU-Kommission, die jetzt als Teil der Troika (aus EU, EZB und IWF) so tun, als hätten sie immer gewusst, wie schlimm es um Griechenland steht – wo dieselbe Behörde zum Euro-Jubiläum 2008 noch darüber schwärmte, dass die „erfolgreichen“ Griechen ihr „Potenzialwachstum seit Euro-Start verdoppelt haben“.

Entweder waren die damals betrunken, oder das heutige Griechen-Bashing ist vielleicht auch Selbstverteidigung – um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, dass die Lage so eskaliert ist, weil man selbst die falschen Rezepte verschrieben hat.

Im Ernst: Das gleicht eher so einer Art Selbsterfahrungstruppe – mit dem unschönen Begleiteffekt, dass das Herumexperimentieren ziemlich vielen Leuten den Job kostet.

Quelle und hier geht es weiter: Financial Times Deutschland

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Kolumnist und Chefökonom, Financial Times Deutschland

Thomas Fricke schreibt in der Financial Times Deutschland seit Februar 2000 eine wöchentliche Kolumne über makroökonomische und wirtschaftspolitische Themen. Nach zwei Jahren als stellvertretender Ressortleiter Politik und Wirtschaft wurde er im November 2002 Chefökonom der Zeitung.

Nach dreijährigem Studium der Volkswirtschaftslehre und Politischen Wissenschaft in Aachen wechselte er 1987 nach Paris, wo er das Diplom des Institut d’Etudes Politiques de Paris sowie ein volkswirtschaftliches Diplom (D.E.A) an der Université de Paris I – Sorbonne in Makroökonomie erhielt. Anschließend arbeitete der Diplom-Volkswirt zunächst zwei Jahre als Deutschland- und Osteuropa-Experte am Pariser Konjunkturforschungsinstitut OFCE, bevor er nach Deutschland zurückging, um beim Berliner Tagesspiegel zu volontieren.

Als Redakteur mit Spezialisierung Konjunktur wechselte er anschließend ins Ressort Wirtschaft und Politik zur Wirtschaftswoche nach Düsseldorf. Danach arbeitete er vier Jahre beim Manager Magazin in Hamburg, wo er die volkswirtschaftliche Kolumne „Perspektiven“ schrieb. Im Juni 1998 erhielt er den Deutsch-französischen Journalistenpreis.

Nach einer Umfrage des Mediummagazins gehörte er 2004 zu den Top 10 der deutschen Wirtschaftsjournalisten (Platz 9).

www.fricke-thomas.de