Eine Kolumne von Jan Spielhagen
Es gibt kein anderes Lebensmittel, das von den Herstellern so stark mit künstlichen Verkaufsargumenten aufgeladen wird wie Tee. Mit Heilsversprechen, albernen Namen und Trend-Aromen. Warum? Weil er sonst nach gar nichts schmecken würde.
Das Outing am Anfang: Ich bin Kaffeetrinker, spezialisiert auf Espresso. Ich liebe diesen kleinen, heißen Schluck, morgens und nachmittags, seine Bitternoten, den Schmelz der Crema auf der Zunge, das leichte Schokolade-Nuss-Aroma, den Duft der gerösteten Bohnen, selbst die Neige im Steinguttässchen, dieses Gemisch aus Zuckerrest, Schaumspur und Kaffeesatz. Ein guter Espresso ist ein Gedicht, ein Kulturgut, ein Hammer.
Tee ist langweilig, furchtbar langweilig. Auch die feinen Sorten. First Flush und Rooibos und Olong und so. Und auch die Teesorten, die gar kein Tee sind und nur so genannt werden, sind es. Alle gleich langweilig. Tuschwasser, nur heiß. Und weil das so ist, müssen sich die Hersteller etwas einfallen lassen. „Aufladen“ nennt man das im Marketingdeutsch oder „emotionalisieren“. Übersetzt: Einem schwer verkäuflichen, wenig attraktiven Produkt etwas Sex-Appeal verpassen. Im Fall des Tees treibt das merkwürdige Blüten.
Es gibt zum Beispiel die Natur-Tees: „Taufrische“, „Landlust“, „Sonnenstrahl“, „Blütenkraft“, da ist für alle dehydrierten Hobbygärtner was dabei. Besonders attraktiv scheinen Tees mit Doppelnamen und sonderbaren Aromen zu laufen. „Apfel-Gingko“, „Ingwer-Grapefruit“, „Orange-Chai“, „Vanilla Caramel“ oder „Sleepytime Decaf Lemon Jasmine Green Tea“. Der soll sogar schlaffördernd wirken. Wegen des langen Namens? Überhaupt Körper und Gesundheit, unendlicher Quell der Namensgebung: „Verdauungstee“, „Blasen-Tee“, „Bronchialtee“, „Magen-Darm-Tee“, sogar die Geschmacksrichtung „reine Frauensache“ gibt’s. Wenn er schon nicht schmeckt, der Tee, dann soll er eben Leiden lindern. Oder wenigstens den Teetrinker glauben machen.
Warum die Friesen so wortkarg sind
Die Kollegen von Ökotest urteilten nämlich nach einem Test von Gesundheitstees im Jahre 2012 vernichtend: „Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der untersuchten Tees werden im Wesentlichen aus der traditionellen Anwendung, ärztlicher Erfahrung und Anwendungsbeobachtungen abgeleitet. Moderne klinische Studien sind Mangelware.“ Bedeutet: So lange die Unwirksamkeit nicht bewiesen ist, kann man das Versprechen ja verkaufen. Und weiter: „Wir stufen die Wirksamkeit der Arzneitees gerade noch als „wenig überzeugend“ und nicht als „nicht nachgewiesen“ ein, weil „die Bedeutung des Rituals der Teezubereitung nicht zu unterschätzen und uns die subjektiv empfundene Verbesserung der Befindlichkeit bei leichten Beschwerden wichtig ist“. Was für ein Resultat: Der Verdauungstee wirkt also möglicherweise deshalb, weil das Aufbrühen so viel Spaß macht.
Ich höre jetzt schon die Puristen: Gesundheitstees sind gar keine Tees. Und die aromatisierten auch nicht. Und ich solle nur mal nach England schauen oder China. Da hat das Teetrinken eine jahrhundertelange Tradition. Stimmt, der Verzehr von Eichhörnchen (England) und Hunden (China) aber auch, und der wird bei uns trotzdem beklagt. Ich schaue lieber nach Ostfriesland, wo der Tee ja auch Nationalgetränk sein soll und wo die für ihre Wortkargheit bekannten Friesen leben. Mir würde die ständige Teetrinkerei auch die Sprache verschlagen.
Jan Spielhagen ist Chefredakteur von „BEEF!“ und Hobbykoch.
Seit er das Kochmagazin für Männer gründete, auf dem meist ein Stück Fleisch als Covermodell dient, wird er entweder als Fleischpapst oder Tiermörder denunziert. Beides ist ihm unangenehm, weil ihn nämlich weder religiöse noch kriminelle Motive leiten, wenn er an seinem Lieblingsplatz vor dem Grill steht und Frühlingszwiebeln, Fenchel, Wolfsbarsch und selbstgemachte Würstchen grillt. Im Sommer mit Sonnenbrille, im Winter mit Schal.
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