Das erfahrt Ihr hier:
Erschienen am 15.07.2014 beim Griechenland-Blog.gr.
Die Tarife der alltäglichen Kleinkorruption im Griechenland der Krise mögen gesunken sein, das sogenannte Fakelaki ist jedoch weiterhin allgegenwärtig.
In einem Land, in dem nichts aufrecht geblieben ist, setzen die alten schlechten Gewohnheiten sich fort. Sieben Redakteure des Portals NEWS247 schreiben über das unsterbliche “Fakelaki”. (Anmerkung: Der Begriff “Fakelaki” bedeutet wörtlich “kleiner Umschlag”, wird jedoch auch als Synonym für einen Geldbetrag verwendet, der “verdeckt” – häufig in einem Umschlag – überreicht wird.)
Im Griechenland der Krise sind wenige Dinge aufrecht geblieben, und eins davon ist die Mentalität des Deals unter dem Tisch. Täter, die Geld über alles stellen, Opfer, die zu reden zögern, und ein Staat, der mit seinen Unterlassungen diese Verhaltensweisen gestattet oder sogar auch ermuntert. “Wir sind alle schuld“, meint Mika Kontorousi.
Wer Geld hat … kann passieren
Auch wir waren präsent. Mitschuldige und Beteiligte an dem Ungeheuer des Staats, der die Korruption aufblähte und gestattete, dass das “Fakelaki” zur Institution wurde. Auch wir waren präsent, als die bessere Bedienung zu einem “unterirdischen” Geben und nehmen wurde, der freie Zugang zu selbstverständlichen Diensten durch die obligatorische Einbahnstraße des “unter dem Tisch” führte, als wir dem harten “Euro-Feilschen” gestatteten, Synonym für die Umgehungsstraße der Wartelisten zu werden, und als die “Beschleunigungsgebühr” es schaffte, sogar auch die Qualität der Abläufe bei Finanzämtern, Bauämtern und Krankenhäusern zu bestimmen. “Wenn Du Geld hast … kannst Du passieren“, wie man sagt.
Nur dass nicht ausschließlich und allein die “Siemens-Schmiergelder” in den Epochen der Großprojekte, der “fetten Kühe” und des Neureichtums, sondern auch die Epochen der Not und der wirtschaftlichen Ausweglosigkeit die passive Korruption hervorrufen. Die nach unten komprimierten Löhne, die Flut der Gesetze, die inexistenten Kontrollmechanismen, sogar auch die Streichung des Steuerfreibetrags oder die Kontenpfändungen und der “Minotaurus” der Abzocken des Memorandums begünstigten die große Kette des schwarzen Geldes und stellten einen Ausgangspunkt der “Schlitzohrigkeit” und der Vereinbarungen (unter der Hand) dar, welche “das Gesetz besiegen”.
Begreifen wir es endlich: Solange die politischen Parteien, die Massenmedien, staatlichen Gesetze und Regierungen nicht den notwendigen Schutzschild schaffen, um die Attacken der Absurdität in Schach zu halten zu versuchen, und solange wir selbst als Bürger mit der Mittellosigkeit “am Anschlag” und der Hoffnung auf “Null” leben, werden das schwarze und nicht deklarierte Geld, wie auch die außerinstitutionellen privaten Dienste eine Lebenshaltung und lassen Typen wie Tsochatzopoulos, Tompouloglou und (wie jüngst wieder) jeden Klinikleiter im Evangelismos einem “Tick” ähneln, der zuletzt verschwindet. Vorher eher unsere Seele!
Christos Demetis: Das Fakelaki ist unsere zweite Natur
Warum hält sich in Griechenland immer noch das Fakelaki? Warum wählen die Griechen immer noch die Regierungen, welche das Land “verkaufen”? “Verkaufen” sogar mit als auch ohne Anführungsstrichen. Ich denke, dass es letztendlich ein Thema der Mentalität ist. Ich mag es nicht, zu verallgemeinern, alle “in einen Sack” zu packen und in die selbe Kategorie einzuordnen. Ein großer Anteil der modernen Hellenen folgt jedoch dem alten Zweiparteiensystem und unterstützt immer noch das gescheiterte System, weil sie sich an die Gefälligkeiten gewöhnt haben und wie an ein zweites Evangelium daran glauben. Ich bedaure, aber das ist meine persönliche Wahrheit.
Die Kundenbeziehungen, der “Zahn”, der “Stecker”, die “Beziehung” und im weiteren Sinn das “Schmieren” und das “Fakelaki” stellen immer noch ein besonderes Kennzeichen der kleinasiatischen griechischen Gesellschaft dar. Selbst wenn dieses manchen nicht gefällt, die Heilige Familie erhält die Familienherrschaft und die Beziehungen des Gebens und Nehmens in allen Manifestationen des alltäglichen Lebens.
Und dies gilt natürlich auch für die endlos strapazierte Front der Gesundheit. Ich habe den Aga zu bezahlen, damit er besser für mich sorgt, lautet das Motto. Erst recht jetzt, wo das PEDI krank ist. Und natürlich trägt der Staat Verantwortung, der nichtig für es gesorgt hat.
Das Fakelaki wird aussterben, wenn unsere Themen der Verflechtung auf essentielle Weise saniert werden. Und dann wird vielleicht die “Gefälligkeit” aus der DNA dieses leidgeprüften Volkes verschwinden, das einfach nicht aus den Fehlern der Vergangenheit lernen will.
Marina Koutsoumpa: Die alten Angewohnheiten ändern sich schwer
Es ist nun mal so, die Griechen spielen nicht mit ihrer Gesundheit. Außerdem muss sich aus der Dankbarkeit gewisser Patienten gegenüber den Ärzten auch das “Fakelaki” etabliert haben. Da wir es inmitten von Skandalen schafften, es sogar zu einem international anerkannten Begriff zu machen, scheint es sich tief in unserem Bewusstsein verwurzelt zu haben.
Es ist schwer, dass die alten “guten” (?) Gewohnheiten unseres Volks sich ändern. Man mag leicht das Bedürfnis eines Patienten verstehen, der beinahe sein Leben verloren hätte, sich bei seinem “Retter” zu bedanken. Sogar auch in diesem Fall rechtfertigt dies jedoch nicht den im Gesundheitswesen Bediensteten, eine solche Handlung zu akzeptieren. Und erst recht nicht, wenn er sein “Präsent” selbst fordert.
In einer für die Taschen der Bürger dermaßen schwierigen Periode ist das Fakelaki wirklich unbegreiflich. Die Angst, die kultiviert wurde, ist jedoch absolut gerechtfertigt. Wer würde außerdem das Risiko eingehen, seine Gesundheit in Gefahr zu bringen? Solange jedoch solche unverantwortlichen Verhaltensweisen nicht angezeigt werden, werden wir weiterhin Opfer der gewissenlosen Amtsträger bleiben, die nicht fähig sind, dem geleisteten Eid des Hippokrates treu zu bleiben.
Sofia Katsareli: Eine Änderung wird Generationen brauchen
Es gibt keine Rettung! Dies ist jedes, also wirklich jedes (und jedes) Mal meine erste Reaktion, wenn mir solche Vorfälle zur Kenntnis gelangen. Keinerlei Überraschung, keinerlei Schock … keinerlei Rettung. Das Problem beginnt von, fokussiert sich auf und endet bei der Tatsache, dass jemand in einem gegebenen Moment die Macht in seinen Händen hält und jemand anders im selben Moment auf ihn angewiesen ist. Ist es der Herzchirurg, der unverschämt, schäbig und gefühllos ein “Fakelaki” von Dir verlangt, um Dich zu operieren? Ist es der Finanzbeamte, der von Dir – um Dir zu helfen – die entsprechende Gegenleistung verlangt, um Dich aus der schwierigen Lage herauszubringen? Ist es der Prüfer, der sein “Bakschisch” verlangt, um Deine misslungene Rückwärtskurve als wie von einem F1-Piloten lotgerecht ausgeführtes Manöver zu beurteilen und Dir den Führerschein zu erteilen? Auf welchem Bereich genau in Griechenland kann man einen Stein hochheben und darunter keine Schweinerei dieser Art finden?
Wir sprechen von Krise und notwendiger Änderung. Aber mal ehrlich, glaubt jemand, dass der durchschnittliche Grieche, der Superhellene, sich geändert hat? Speziell hinsichtlich des “Regimes” des ich-stelle-keine-Quittung-aus und ich-verlange-ein-Fakelaki hat sich absolut NICHTS geändert. Und diese Mentalität ist dermaßen tief in uns verwurzelt, dass wir es praktisch als gegeben betrachten, oder – wenn wir nicht bis zu diesem Punkt gehen – sicher eine Immunität gegen das Phänomen entwickelt haben. Außerdem hat in der Vergangenheit ein Krankenhausdirektor das Fakelaki als “Gewohnheitsrecht” charakterisiert!
Mich betrübt und enttäuscht die Tatsache (und ich glaube), dass all jene, die über die Politiker und alle schimpfen, die Macht handhabten und uns in die heutige Situation gebracht haben, bereits morgen (wieder) jeden begeistert unterstützen werden, der ihnen ein “Stückchen Käse” verspricht. Die Änderung, deren Eintritt zumindest alle von uns wünschen, die sehen, dass dieses Land mit den selben Denkweisen keinerlei Zukunft hat, scheint nicht in naher Zukunft zu liegen. Ich fühle, dass es eine (diese) und wenigstens noch eine weitere Generation dauern wird, dieses Land zu säubern. Und ich hoffe und bete und dafür, dass die jungen Menschen andere Träume und Ideale als unsere Vorfahren haben werden. Anderenfalls gibt es tatsächlich keine Rettung!
Stelios Mpamiatzis: Der bürgerfeindliche Staat ist schuld
Das Fakelaki hält sich aus zwei Gründen. Erstens, weil es ein verdammtes “Erbe” aus älteren Zeiten ist, als der Bürger das “Bakschisch” herausrücken musste, um seine Angelegenheiten zu erledigen. Es handelt sich um die Summe der Zahlung, damit man seine Angelegenheit über die Bühne bringt, und gleichzeitig eine Art “Dankeschön” an den, der einem geholfen hat.
Zweitens, weil der Grieche nicht von seinen … geliebten Angewohnheiten abzulassen vermag! Du sagst zu Deiner Mutter, Deiner Tante, Deiner Cousine im Dorf: “Warum bereitest Du ein Fakelaki vor, Du gehst doch nur zu einem Arzttermin” und sie antwortet Dir “aber er ist doch Arzt“. Was heißt das, er ist doch Arzt? Ja, ist er und macht die Arbeit, die er zu tun studiert hat. Das, was er schuldig ist. “Das ist egal“, antwortet sie Dir, “ich mach das so“. Und dieses “ich mach das so” übersetzt sich folgendermaßen: “So habe ich es gelernt, so machen es alle, und ich bin ein ‘Dorftrottel’, während der andere ein gemachter Arzt ist“.
Und schön mit dem Arzt, höchstwahrscheinlich rettet er uns, er kommt uns auch sehr nahe, wir “binden” uns an ihn. In den anderen Fällen? Bei Bauämtern, Finanzämtern, etc. usw.? In diesen Fällen gilt das eingangs Angeführte. In einem auch heute noch feindlichen Staat hegt der durchschnittliche Bürger den Glauben, zahlen zu müssen, um schnell und erfolgreich aus einem Schlamassel herauszukommen. “Er muss zahlen!” Ich glaube nicht, dass dies jemals vollständig aufhören wird. Und zwar ganz einfach, weil der Staat niemals dermaßen, also wirklich dermaßen bürgerfreundlich werden wird, dass letzterer (der Bürger) aufhört, das Bakschisch als einzige Lösung zu sehen.
Anthi Koutsoumpou: Wir sind schuld, weil wir zahlen
Man sagt, zuerst entfleuche die Seele und dann der “Tick”. Aus dem “unsterblichen” Fakelaki zu schließen scheint das sogar zu stimmen. Völlig in das Leben und den Alltag des modernen Hellenen integriert, “blühte” es in den Epochen der “fetten Kühe” auf, herrschte jedoch weiterhin auch in der Periode der Krise. Und wie sollte auch das Phänomen verschwinden, wenn die Mentalitäten sich nicht ändern?
Es wird immer die Finanzbeamten, Ärzte, Beamten des Bauamts und viele andere auf dem öffentlichen und privaten Sektor geben, mit “augeleierter” Moral und lockeren Wertvorstellungen, die ein Fakelaki verlangen werden, wie es auch immer den einfachen Bürger geben wird, der es entweder aus Verzweiflung oder zwecks einer “Regelung” geben wird. Das einzige, was sich im Verhältnis zu den guten, alten Zeiten vielleicht geändert haben mag, ist die Höhe der “Tarife”. Die “Philosophie” bleibt jedoch die selbe und unverändert.
Vor einigen Jahren gelangte ein kurze Unterhaltung mit einem Arzt zufällig bei diesem Thema an. “Ihr seid schuld, weil ihr zahlt“, meinte irgendwann der Arzt in einer geschwollen und kritischen Stimmung. Ich wurde bei der ersten Äußerung dieser Erklärung wütend, nehme jedoch an, dass er eine große Wahrheit aussprach. Ab dem Moment, wo es keinen staatlichen Mechanismus gibt oder er nicht fähig ist, das Problem bereits in seiner Entstehung auszumerzen, ist jeder für seine Entscheidungen verantwortlich. Wie im übrigen hinsichtlich aller Dinge.
Marina Chatzidimitriou: Die einfachen Bürger müssen den Anfang machen
Ebenso viel Schuld wie der Arzt, der das (Geld) verlangt oder annimmt, hat auch der jeweilige Patient, der es gibt. Man könnte einwenden, was soll der Patient machen? Vor seiner seiner Gesundheit ist ihm alles egal. Irgend jemand muss jedoch den Anfang machen. Es gibt etliche gute Ärzte, die sich nicht schmieren lassen und ihren Beruf als Berufung sehen. Das Thema ist jedoch, warum das Fakelaki sich nicht nur im Gesundheitsbereich … bester Gesundheit erfreut. Allgemein existiert die Mentalität, ein “Level” aufzusteigen, wenn wir z. B. Finanzbeamte, Baubeamte usw. schmieren, und unsere Angelegenheit schneller abwickeln zu werden.
Beispielsweise bekommst Du nicht einmal am Sanktnimmerleinstag Deinen Führerschein, wenn Du nicht schmierst. Und das ist eine weltweite Konstante in unserem Land. Ich habe die Ansage eines Prüfers an einen Fahrlehrer gehört: “Schade, der Junge fährt gut, hast Du ihm nicht gesagt, uns etwas zu geben, weil er sonst durchfällt?!” Ich nehme an, dass es natürlich einer Anstrengung bedarf, damit sich diese Mentalität ändert, der erste Schritt muss jedoch von uns, den Bürgern erfolgen. Machen wir also alle zusammen den Anfang und weigern wir uns beim nächsten Mal, wenn sie ein Fakelaki von uns verlangen werden.
(Quelle: news247.gr)
Mehr zum Thema im gut informierten Griechenland-Blog.gr.
Das Buch zum Thema
Seit tausender von Jahren wird überall und vor allem in Orient geschmiert. Bezeichnungen wie Backschisch“ auf türkisch, Ladoma“, d.h. ölen, schmieren auf griechisch, sind nur einige der Begriffe. Der eine schmiert mit Geld, der andere mit Geschenken, eine Frau schmiert mit sexuellen Zugeständnissen, man sagt auch gamisi“ d.h. B………“ oder Leistung im sexuellen Bereich.
Der Autor geht das Thema auf Grund von eigener Erfahrung und einer umfangreichen Recherche an. Sie zeigt, dass diese Vorgehensweise weder neu noch originell ist. Auch wenn es bei allen Kulturen vorkommt und dies durch die Jahrhunderten , so ist die griechische Art die Krönung eines Gaunertums, die in der Systematik und der Effektivität von keinem anderen Volk überboten worden ist.
Es wird ein Bogen gespannt zwischen dem Jahr 5.000 v. Chr. und 2.000 n. Chr. Sumerer, Babylonier, Perser, Hebräer, Ägypter, das Antike Hellas und Rom, Mittelalter und Byzanz, Europäische Staaten, Amerika und Orient, Russland und Türkei und letztlich Griechenland von Heute, Schmieren und Fakelaki als Gewohnheit, Eigenschaft, Charakter, Kultur und Wissenschaft.
Wo liegt die Erklärung, ist der Charakter, die organisatorischen Strukturen, die Wirtschaftszustände und viele andere Faktoren. Schmieren als Kunst oder Wissenschaft auf jedem Fall zum Nachahmen nicht geeignet.
Die soziologische Systemtheorie erklärt sich die „fakelaki“-Mentalität so: Man könnte daran denken, einen „Peinlichkeitstest“ zu entwickeln. Was wird in der Kommunikation als peinlich empfunden? Offenbar nicht die Bitte um Hilfe, um Intervention in rechtlich und organisatorisch geregelte Verläufe (zum Beispiel: Examen, Zeugenvernehmungen vor Gericht, Reihenfolge in der Bearbeitung von Anträgen, Verteilung von Krankenbetten und ärztlicher Aufmerksamkeit). Und es ist nicht etwa deswegen nicht peinlich, weil dafür Bezahlung angeboten wird,(20) sondern deswegen, weil mit der Bitte um einen Gefallen die Anerkennung von Kompetenz, von Einfluß, von Macht und von gutem Willen verbunden ist. Das Netzwerk zahlt und motiviert durch „Honorierung“,
Selbstverständlich sind auch Geldsummen involviert und werden gleichsam mithineingezogen in den Austausch von Entgegenkommen und Gefälligkeiten. Denn wie könnte man Freundschaft und zugleich Macht besser beweisen als durch Eröffnung eines Zugangs zum Geld? Aber Korruption in diesem Sinne ist kein isoliert zu betrachtendes Phänomen. Vielmehr ist anzunehmen, daß das Netzwerk der Beteiligten die Grenze zwischen Korruption und Nichtkorruption verwischt. (nach Niklas Luhmann, Kausalität im Süden)