Die alten Tricks gieriger Beamte an Geld zu kommen, funktionieren in Griechenland kaum noch. Die EU bekämpft Korruption, wo sie nur kann. Doch gerade auf lokaler Ebene gibt es noch viele Seilschaften.
Von Boris Kálnoky und Dimitra Moutzouri. Welt.de
Seit einigen Jahren gilt Korruption in Griechenland als „Staatsfeind Nr. 1“, verübt vom Staat selbst, und insofern schwer zu bekämpfen. Zwei neue Zahlen belegen, wie zäh der Sumpf ist, durch den die Korruptionsjäger waten müssen.
So hat der griechische Rechnungshof für das Jahr 2010 fast 20.000 fragwürdige staatliche Finanztransaktionen entdeckt, in Höhe von rund 350 Millionen Euro. Und Leandros Rakintzis, der Generalinspektor der öffentlichen Verwaltung, dessen Aufgabe es ist, den Beamten auf die Finger zu schauen, sagt, dass gierige Beamte auf neuen Wegen versuchen, illegal zu Geld zu kommen, da der Druck der EU viele alte „Maschen“ unmöglich gemacht hat. Die Zahl der Beschwerden, die ihm zukommen, hat sich seit seinem Amtsantritt verzehnfacht.
In einem Telefoninterview mit der „Welt“ äußerte Rakintzis zunächst seine Meinung zum aktuellen Bericht des griechischen Rechnungshofes für das Jahr 2010 – das erste Jahr, in dem Griechenlands Haushalt de facto unter Aufsicht der EU stand.
„Oft stecken alle unter einer Decke“
Es bestätigt, was ich seit Jahren sage“, meinte Rakintzis: „Korruption findet vor allem in den Regionen und Kommunen statt, weil man eine Opposition braucht, um Korruption zu bremsen, aber auf örtlicher Ebene oft alle unter einer Decke stecken.“ Rakintzis forderte, der Rechnungshof müsse das Recht bekommen, proaktiv anstößige Ausgaben zu blockieren, statt nur im Nachhinein zu reagieren.
Die Haushaltsprüfer hatten für das Jahr 2010 mehr als 19.000 fragwürdige Transaktionen über insgesamt rund 350 Millionen Euro gefunden (etwa ein Prozent aller staatlichen Finanztransaktionen). Sie führten auf 1180 Seiten eine abenteuerlich anmutende Liste von Verstößen gegen alle möglichen Regeln auf. 8200 Euro für Busse, um Demonstranten nach Athen zu bringen, die dort auf Kosten einer Lokalverwaltung gegen die Zusammenlegung und Rationalisierung der Lokalverwaltungen demonstrieren sollten.
5300 Zigarren für die „Öffentlichkeitsarbeit“ des Ministeriums für Agrarentwicklung. Überstunden für pensionierte Mitarbeiter, die seit Jahren gar keine Stunden mehr arbeiteten. Entschädigungszahlungen für Urlaubsverzicht, für Mitarbeiter, die trotzdem gemütlich Urlaub machten. 36.700 EUR für die Beerdigung eines Ex-Bürgermeisters auf Staatskosten. Sozialer Wohnungsbau für „Bedürftige“, die sich bei näherem Hinsehen als gar nicht bedürftig und bereits bestens mit Wohnraum versorgt erwiesen.
Zahl der Beschwerden hat sich nahezu verzehnfacht
Immerhin sind das aber Zahlen von vor zwei Jahren. Ist es seither besser geworden? Rakintzis ist sich da nicht so sicher. Rechtlich hat die Regierung den Kampf gegen die Korruption dadurch erschwert, meinte er jüngst in einem Interview mit dem Wirtschaftsportal Euro2day, dass das Recht seines Amtes, in Korruptionsverfahren Berufung gegen milde Urteile einzulegen, im Jahr 2011 abgeschafft wurde. Das Ergebnis sei eine „juristische Weißwaschanlage für lügende Beamte“, sagt er.
Gemessen an den Beschwerden, die Rakintzis empfängt, ist eher ein Anstieg entweder der Probleme, oder nur des Problembewusstseins der Bürger zu vermerken: „Als ich im Jahr 2004 anfing, erhielt ich 2700 Beschwerden“, sagt er. „Jetzt sind es mehr als 20.000 jährlich.“
2000 Fälle von Korruptionsverdacht gegen griechische Staatsdiener leitete er bislang an die Gerichte weiter. In keinem einzigen Fall ist bislang ein Urteil gefallen. „Das ist Justizverweigerung“, sagt Rakintzis. Er fleht um etwas Geld, um seine Inspektoren dorthin schicken zu können, wo Korruption am meisten stattfindet: In die Regionen und Kommunen. „Aber ich bekomme dafür keine Mittel“, sagt er, „und werde sie sicher auch künftig nicht bekommen“, sagte er der „Welt“.
Das Hauptproblem sei die mangelnde Implementation der Gesetze, und lächerliche Strafen, die aber sowieso nicht verhängt werden: Mit 3500 Euro kann man ein Jahr Haftstrafe abgelten. Das ist keine Abschreckung.“ Aber erst müsste man ja überhaupt verurteilt werden. Griechenland wartet auf den ersten Präzedenzfall.