Wir freuen uns darüber, leben zu dürfen, wo andere Urlaub machen. Doch da wirft sich bald die Frage auf: wo machen eigentlich Griechen Urlaub, denen es ja qua Geburt so geht, wie uns „Zugereisten“?
Nun sind die Griechen ja ein recht heimatverbundenes Volk und haben tatsächlich ja alles, was die Nord- und Mitteleuropäer sich für ihren Traumurlaub wünschen, in relativ greifbarer Nähe. Von daher überwiegt die Einstellung „warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah“ – sprich: der Grieche bleibt in Griechenland!
Dass es über den Urlaubsort im Konkreten aber durchaus Debatten geben kann, zeigt mal wieder ein Auszug aus Melitta Kessaris‘ wundervollem Buch „Chaos ist ein griechisches Wort“:
(…) Den Urlaubsort, den wir schon seit 30 Jahren ununterbrochen frequentieren, haben wir alle gründlich satt. Er ist nur 100 km von Athen entfernt und hat außer einer guten Badegelegenheit eigentlich nichts weiter zu bieten. Sogar unsere beiden Kinder, mittlerweile erwachsen, wollen von diesem Dorf, in dem sie ihre ersten Schritte getan hatten, nicht mehr viel wissen. Die Ganzjahresmiete des Hauses wird jedes Jahr teurer und ist eigentlich sinnlos, denn wer fährt schon außerhalb der Saison in einen Sommerfrischeort? (…)
Ab heuer soll das anders werden. Dort fahren wir nicht mehr hin; wir werden unser Feriendomizil kündigen! Mit dem Betrag der Ganzjahresmiete könnten wir uns jedes Jahr etwas anderes ansehen; auch müssten wir nicht täglich einkaufen, kochen und aufräumen.
Solange also noch die Wintermäntel regieren, diskutiert die Familie endlos über die imaginären Urlaubsziele. Wir könnten zum Beispiel einige europäische Städte besuchen…, schlagen wir Eltern vor.
Seid ihr wahnsinnig? Sollen wir mitten im Sommer bei feuchter Hitze auf dem Asphalt kleben? Oder bei endlosen Regengüssen stundenlang im Hotelzimmer sitzen?, wehrt sich der Nachwuchs und setzt gleich nach:
„Es muss ja nicht ins Ausland gehen. Griechenland ist das Land der Inseln, eine ist schöner als die andere.“
Im Hochsommer kann man nicht auf die Inseln fahren, das ist die Zeit des billigen Massentourismus, alle Fährschiffe und Hotels sind überfüllt, der Altersdurchschnitt der Reisenden liegt nicht über 18 Jahren, wissen wir Eltern.
Ganz zufällig taucht nur ein Prospekt von einem wunderschönen Fitnesszentrum im Salzburgischen auf. Flug, Verpflegung , Sauna, Massage und viele Sportmöglichkeiten, alles inklusive. Zu einem vernünftigen Preis könnten wir hier den Sommer nützen, um schlank und fit zu werden. Das zumindest schlagen die Damen des Hauses vor.
„Wir sind doch nicht wahnsinnig, dass wir für zwei Salatblätter zu Mittag und eines am Abend einen Haufen Geld bezahlen. Zum gleichen Preis bekommen wir im nahegelegenen Wirtshaus ein halbes Spanferkel, revoltieren die Männer der Familie.
Und die Sportmöglichkeiten? Man könnte doch schon vor dem Frühstück durch den Wald joggen.
Wieso sollen wir wo hinrennen, wo wir gar nichts zu tun haben und uns dabei noch halbtot schwitzen? Wer unbedingt schwitzen will, kann das in Athen gratis haben, sogar ohne sich anzustrengen. Der Sommerurlaub ist zur Erholung da, nicht zur Erschöpfung.
Es wird diskutiert und diskutiert und mittlerweile bricht der Frühling aus. Unsere Vermieterin aus unserem Ferienort ruft an, um zu fragen, ob wir auch heuer wieder kommen würden. Außerdem wäre die Mieterhöhung diesmal nur ganz geringfügig.
Panik!
Wir erbitten uns ein paar Tage Bedenkzeit. Sagen wir ab, müssen wir all den Kram, der sich im Laufe der Jahre dort angesammelt hat, zusammenpacken und – wohin? – abtransportieren.
Doch die Miete für das Haus zu entrichten, ohne es zu nutzen – nur damit unser Gerümpel dort stehen bleiben kann – das kommt auch nicht in Frage.
Und während wir darüber nachdenken, werden uns alle Vorteile des geschmähten Urlaubsortes bewusst: dort ist uns jeder Stein vertraut, wir brauchen bei der sommerlichen Affenhitze nichts zu besichtigen. Man benötigt keine großartige Garderobe und frisiert oder rasiert sich nur, wenn man will.
Außerdem ist die von uns bezahlte Miete die einzige Verdienstquelle unserer Hausfrau.
Wir sagen also wieder zu; aber zum letzten Mal. Sonst wird es noch zur Gewohnheit.
Yassu, Melitta.
Schöne Bücher von Melitta: