Wie ich zum erratischen Marxisten wurde
Von Yanis Varoufakis. Neues-Deutschland.de. 02.05.2015.
Der Konflikt um die Krisenpolitik in Europa, die Fehler des Alten aus Trier und warum die Linken jetzt den Kapitalismus vor sich selbst schützen müssen.
„2008 erfasste eine zweite Welle von Krampfanfällen den Kapitalismus weltweit. Die durch die Finanzkrise ausgelöste Kettenreaktion stürzte Europa in eine Talfahrt, die bis heute andauert. Dabei bedroht die aktuelle Lage auf dem Kontinent nicht nur Arbeiter, Besitzlose, Banker, ganze gesellschaftliche Schichten oder Nationen, sondern stellt unsere Zivilisation an sich in Frage.
Wenn meine Prognose richtig ist und wir es nicht nur mit einer Konjunkturschwäche zu tun haben, die bald überwunden sein wird, muss sich die Linke entscheiden: Sollen wir die Krise des Kapitalismus in Europa als Chance begrüßen, ihn durch ein besseres System zu ersetzen? Oder ist sie uns Anlass zu so großer Sorge, dass wir eine Kampagne zur Stabilisierung des Kapitalismus in Europa starten?
Für mich kann es darauf nur eine Antwort geben: Es ist weitaus weniger wahrscheinlich, dass die Krise in Europa eine bessere Alternative zum Kapitalismus hervorbringt als dass sie gefährlich regressive Kräfte frei setzt, die ein humanitäres Blutbad verursachen und für künftige Generationen jegliche Hoffnung auf progressive Maßnahmen zunichte machen können.
Wohlmeinende Linke kritisieren mich für diese Ansicht. Sie nennen mich »defätistisch« und werfen mir vor, ich wolle ein nicht zu verteidigendes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem in Europa retten. Ich gestehe: Dieser Vorwurf schmerzt. Umso mehr, als er mehr als ein Körnchen Wahrheit enthält.
Richtig ist, dass die Europäische Union ein massives Demokratiedefizit aufweist, das – in Kombination mit dem Leugnen der Mängel in der Konstruktion ihrer Währungsunion – den Völkern Europas den Weg in die permanente Rezession geebnet hat. Ich beuge mich auch der Kritik, dass mein Werben eine Agenda impliziert, die sich auf die Annahme stützt, die Linke sei – und dies auf Dauer – weitgehend geschlagen. Gewiss, auch mir wäre eine linke Agenda lieber, deren raison d’être darin besteht, den europäischen Kapitalismus durch ein anderes System zu ersetzen.
Ich will im Folgenden Einblicke in meine Sicht auf einen verabscheuungswürdigen europäischen Kapitalismus gewähren, dessen Zusammenbruch es, trotz seiner zahlreichen Mängel, um jeden Preis zu verhindern gilt. Mein Bekenntnis soll die Linke davon überzeugen, dass wir eine widersprüchliche Mission erfüllen müssen: den freien Fall des europäischen Kapitalismus stoppen, um Zeit zu gewinnen, eine Alternative zu formulieren“.
Quelle: Neues-Deutschland.de. Wünscht man sich auch mal.
Neueste Meldung aus der Scheff-Redaktion – Anm. meiner Mutter:
„Dieser Yanis. Ist doch zum Schwiegersohn geeignet. Fährt zwar Motorrad. Scheint aber intelligent zu sein und hat auch keine langen Haare. Mein Rat an die Politiker: Vielleicht sollte man mit ihm mal reden und auch ZUHÖREN (Eine Lösung der Krise will er doch auch. Sonst würd` er nicht soviel darüber reden, sonst hätt`er sich doch längst schon aus dem Staub gemacht) . Und noch als Hinweis an andere Mütter: Yanis hat bereits `ne Schwiegermutter!“
Dies ist doch mal ne Quelle