Hansueli Trachsel, geboren 1951, lebt in Bremgarten bei Bern (Schweiz) und zwischenzeitlich auf Kreta. Der ehemalige Fotograf der Zeitung „Der Bund“ verfolgt heute als Freischaffender nebst Auftragsarbeiten eigene Projekte und liefert immer wieder Bilder für Bücher.
Heute nun unsere Fragen an Hansueli:
- Wenn Du nur 5 Worte hast, um dich selbst zu beschreiben. Was würdest Du sagen?
Immer neugierig darauf, Menschen kennenzulernen.
- Was war Dein Lieblingsbuch als Kind und als Jugendlicher?
Diese Zeit ist weit weg. Aber als Kind hatte ich Freude an schönen Bilderbüchern (Bilder schon damals…), z.B. an denjenigen des Schweizer Künstlers Alois Carigiet: „Schellen-Ursli“ und „Der grosse Schnee“.
- Was liest du heute am Liebsten?
Zeitgenössische Romane mit aktuellem Bezug und Sachbücher. Weil ich auf Kreta mit der Imkerei begonnen habe, sind das im Moment verschiedene Bücher zur Bienenhaltung.
- Gibt es auch Bücher, die du nur gezwungenermaßen oder nie zu Ende gelesen hast? Welche (und warum)?
Kochbücher. Da lese ich jeweils nur das eine Rezept, das ich gerade koche. Dieses aber sehr genau.
- Wie bist du selbst zum Fotografieren gekommen?
Mein Vater, Zeichnungslehrer, war ein sehr guter Fotograf. Ich staune noch heute über seine sorgfältig gestalteten Familienfotos, die er mit seiner zweiäugigen Rolleiflex auf Mittelformat-Film aufgenommen hat. Diese Lichtführung, diese Stimmung!
- Wieso gerade Kreta? Was verbindet dich mit dieser Insel?
Als Familie kommen wir seit rund 25 Jahren nach Kreta. Palekastro ganz im Osten ist uns also längst ans Herz gewachsen und zur zweiten Heimat geworden. Seit vier Jahren komme ich auch im Winter und seit zweieinhalb Jahren wohnen wir jetzt sogar im eigenen Haus. So verbringen wir immer mehr Zeit zusammen mit unseren kretischen Freunden. Sie sind auch ganz klar der Grund dafür, dass wir uns – als Xenoi, als Fremde – in diesem Land so gut aufgenommen fühlen. Wir schätzen ihre Freundschaft und Zuverlässigkeit. Ohne ihre Hilfe wäre ein Hauskauf mit allem Drum und Dran mit der für uns unbekannten Bürokratie und ihren Abläufen absolut unmöglich gewesen.
- Sind die Handlungen und Protagonisten deiner Bücher reine Fiktion oder gibt es da Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Geschehen und realen Personen oder gar autobiographische Züge?
Da es sich bei meinen Büchern um Fotobücher handelt, sind die Protagonisten selbstverständlich reale Personen… Spass beiseite: Ich bin im Gegensatz zur heutigen Handy- und Facebook-Fotografie sehr langsam beim Arbeiten und gehe ganz bewusst behutsam vor. Mir ist die Begegnung mit Menschen fast wichtiger als das Bild, das ich natürlich auch von ihnen mache. Aber wenn immer möglich will ich die Leute, die ich porträtiere, zuerst kennenlernen. Bei Nikos, meiner Hauptperson aus dem Kreta-Buch, war es nach einiger Zeit so, dass er mich und meine Kamera gar nicht mehr beachtet hat.
Das Kreta-Buch ist ein Langzeitprojekt, die ältesten Bilder darin sind 16jährig. Die dafür gewandte analoge Technik (fotografieren auf Schwarzweiss-Film, Verarbeitung in der Dunkelkammer) kommt meinem Arbeitsstil sehr entgegen und entspricht ihm.
- Woher nimmst du die Inspiration für deine Bücher? Was treibt dich um?
Als Fotograf bin ich ein Augenmensch. Ich sehe immer und überall Bilder. Ich bin aber auch ein Ohrenmensch. Was ich sehe und was ich höre verdichtet sich dann zu Geschichten, zu Ideen für Einzelbilder, zu Reportagen, zu Buchprojekten und später vielleicht auch zu Ausstellungen. Aber heute wird es für Bildjournalisten immer schwieriger, ihre Arbeit zu publizieren. Für mich hat eine Originalfotografie, eine Zeitung oder ein gedrucktes Buch immer noch etwas Sinnliches, das ein Display oder ein Bildschirm nicht hinkriegt. Denken wir doch nur an den Geruch von frischer Druckfarbe.
- Vielleicht hast du vom 1. deutsch-griechischen Lesefestival im September 2013 in Paleochora auf Kreta gehört. Für 2016 steht ein weiteres solches an – auf Kreta oder „irgendwo“ in Griechenland. Was hältst von einer solchen interkulturellen Initiative und hättet du Lust, daran teilzunehmen?
Ich habe davon gehört. Aber für mich als Fotografen sind Kultur-Festivals wie die Paleochora Art-Week, von der ich bei Radio Kreta gelesen habe, viel wichtiger. An einem solchen Ort kann ich vielleicht meine Ausstellung, die parallel zum NIKOS-Buch entstanden ist, ausstellen. Aber zuerst werden die Fotos jetzt im Kultur-Zentrum der Stadt Sitia aufgehängt (1. – 10. August 2015).
- Was wünschst du dir für die Zukunft Griechenlands – und für deine Eigene?
Erstens bin ich sicher, dass Griechenland trotz aller Prognosen und Szenarien nicht untergeht. Zweitens bin ich froh, dass sich die Griechen oder im Speziellen die Krete nicht unterkriegen lassen. Die finanziellen Probleme haben zum Glück ihre Mentalität bisher nicht verändert. Das Feiern mit der „Parea“ findet nach wie vor statt und ist wichtiger denn je. Und die unvergleichliche Gastfreundschaft ist geblieben. Natürlich hoffe ich, dass sich besonders auch für die Jungen wieder Perspektiven öffnen. Die können halt nicht mehr wie die Älteren es von sich behaupten, mit etwas Käse und Oliven, ein paar Xortapitakia und einem Glas Wein oder Raki zufrieden sein.
Für mich persönlich hoffe ich, dass ich nochmals die Energie aufbringe, ein Fotobuch in Kreta zu erarbeiten. Dafür müsste ich auch wieder einen Verleger (im Fall des ersten Buchs Antonis Tsintaris vom Mystis Verlag in Heraklion und Ruedi Stämpfli vom Stämpfli Verklag in Bern) finden – und diesmal hoffentlich ein paar Sponsoren…
Und ich wünsche mir, dass es beim Griechischlernen plötzlich einmal „klick“ macht, und ich die Sprache so beherrsche, dass ich damit relativ locker Gespräche führen kann. Fotos: Hansueli Trachsel.
Unser Buchtipp: Hansueli Trachsel “Nikos – Ein kretischer Fischer und sein Dorf.”