150 Jahre Telefon – „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat“

Als Internet-Radio haben wir uns ja nun mal komplett der modernen Kommunikation verschrieben, wagen aber gerade deshalb auch gerne mal den „Blick zurück“ in die grauen Vorzeiten der Kommunikation.

Heute haben wir einen schönen Artikel in der Süddeutschen Zeitung gefunden – quasi eine Hommage an das Wählscheiben-Telefon (wem das jetzt nix sagt, bitte unbedingt weiterlesen!!!), den wir gerne mit Euch teilen wollen:

„Als der Tüftler Philipp Reis vor 150 Jahren das erste Telefonat führte, ahnte er noch nicht, was sein neues Medium auslösen würde: Gelbe Telefonzellen, R-Gespräche, schnarrende Wählscheiben und nun der Dauertratsch in der Öffentlichkeit: Eine kleine Kulturgeschichte.

Man kann nicht über das Telefon sprechen, ohne über Stimmen zu sprechen. Freundes- und Freundinnenstimmen, Kinderstimmen, Elternstimmen, Verwandtenstimmen. Eindrucksvolle Stimmen, betrübte Stimmen, sanfte und heitere Stimmen. Über Lachen und Weinen, über Geheimnis und Flüstern, über Streit und schreiend aufgeknallte Hörer.

Man kann aber auch nicht über das Telefon sprechen, ohne über Raum zu sprechen. Denn das Telefon, das gerade mal 150 Jahre alt wird, war an die 130 Jahre lang fixiert an einen Ort. Und dank der immer spiddelig-verquirlten Telefonschnur, die den Apparat (samt Wählscheibe!) mit dem Hörer verband, waren es die Telekommunikationsteilnehmer eben auch.

Obwohl die Stimmen über das Telefon weiteste Räume überbrücken konnten, waren die Sprechenden an den Ort gebunden, an dem sich der Apparat befand. Von der Deutschen Post, vor der Telekom für die Installation der Apparate zuständig, wurde dieser Raum gerne in die Flure und Dielen deutscher Mietswohnungen gelegt. Weswegen die Telefonate im Winter oft eisig waren, obwohl sie ganz unfrostig geführt wurden.

Man muss also zuerst über den Raum sprechen, der für das Telefonieren bestimmt war. Telefonzellen und Dielen, wie gesagt. Mit Notizblöcken voller Telefonats-Krakeleien, die anschließend von Psychoanalytikern für bare Münze genommen werden konnten.

Man muss darüber sprechen, wie sich Finger in die verdrehten Kabel einwickelten, wie Kugelschreiber ungezählte Male die Kreisbahn der zehn Ziffern in der Drehscheibe nachzeichneten, wie versucht wurde, das immer viel zu kurze Anschlusskabel des Apparats durch ausgiebiges Ziehen in ein beheiztes Zimmer hinein zu verlängern. Auch deshalb, damit eben nicht im Flur über mögliche Schwangerschaften und den Nachlass von Oma vor aller Ohren gesprochen werden musste.

Man muss über R-Gespräche sprechen. Das, liebe Kinder, sind Gespräche, bei denen der Angerufene bezahlt – und dabei meist zu hören bekommt, dass er außer dem Gespräch doch bitte auch noch dies und das bezahlen oder wenigstens vorschießen soll.

Das kann man sich in Zeiten von Flat-Rates gar nicht mehr vorstellen: Telefonate waren tatsächlich einmal teuer. Ferngespräche ins Ausland sowieso, sie wurden im Minutentakt abgerechnet, was bei transatlantischen Gesprächen richtig ins Geld gehen konnte. Ferngespräche in nahe Städte waren kostenmäßig auch nicht ohne, Ortsgespräche wurden pauschal berechnet.

Weil telefonieren können also eine Prestigeangelegenheit war, kauften sich die Geschmackloseren unter den Privilegierten üppig bunte Brokathüllen für die grauen Apparate, damit sie nicht wie die Allerwelts-Einheitstelefone aussahen, die sie tatsächlich waren. Es gab, bis zur Erfindung des Tastentelefons weit nach der Mondlandung, tatsächlich nur diese hospitalgrauen, bald eklig verschmuddelten Fernsprecher.“

Und wer jetzt noch wissen will, was es mit dem Pferd und dem Gurkensalat auf sich hat, der lese bitte hier weiter.

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