Der Sinn des Lebens, von Dr Holger Czitrich-Stahl.

Der Sinn des Lebens, der Sinn der Musik. Begleiterscheinungen, Teil 53 vom 9. Juni 2023, verfasst für www.radio-kreta.de

Friedrich Nietzsche, der Lebensphilosoph (1844-1900), schrieb einmal: „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.“

Dieser Ausspruch besitzt ganz sicher seine Berechtigung. Wo Menschen zusammen singen und tanzen, entfalten sich Gemeinschaft und Zusammenhalt, entstehen Gespräche, Kontakte und Freundschaften und mehr. Im Deutschen gibt es nicht umsonst noch das Sprichwort „Wo man singt, da lass´ Dich nieder, böse Menschen haben keine Lieder.“

Nirgendwo sonst lassen sich diese Redensarten und die hinter ihnen stehenden Lebenshaltungen besser erleben als im mediterranen Raum, natürlich auch auf Kreta. Die kretischen Dorffeste und Hochzeiten sind legendär, nicht nur die kretisch Volksmusik entfaltet hier ihre magische Wirkung, sondern es zerreißen mitunter Schüsse die Luft, die Lebensfreude und Todesverachtung zugleich ausdrücken.

Doch bedarf es keinesfalls nur dieser Feste, um magische Momente zu erzeugen. Gestern spielten auf der Platia von Pitsidia einmal mehr Luigi Sirianni und seine Band. Natürlich keine Rizitika, sondern Blues-Rock und Rock and Roll der späten Sixties und frühen Siebziger. Und wieder einmal rockten sie den Dorfplatz, Dutzende tanzten zu der Musik ihrer Jugend. Die dominierende Haarfarbe bei den Tänzerinnen und Tänzern war grau, ob sichtbar zur Schau getragen oder mühsam kaschiert.

Gerade in den Nicht-Ferienmonaten, wenn nicht die Eltern mit ihren Kindern die Sonne und die Stimmung des Südens suchen, dürfte dieser Eindruck vorherrschen. Alle waren bester Laune, strahlten um die Wette, drückten ihre Freude in der Tanzweise aus, die sie in ihrer Jugend erlernt und praktiziert hatten. Wenngleich kleinere Einschränkungen gelegentlich unübersehbar waren wie etwa meine Knieorthese oder etwas vorsichtigere Schritte. Mann/Frau wird ja nicht jünger!

Nietzsche hat darüber hinaus festgestellt: „Es kommt mir alles tot vor, wenn ich nicht Musik höre.“ Damit drückte er eine weitere Bedeutung der Musik für unser Dasein aus: Sie erfüllt unsere Existenz mit Leben. Weil jede/r von uns mit Musik spezielle Gefühle, Erlebnisse, Erinnerungen und Erfahrungen verbindet, verknüpft sie Vieles zu individuellen und kollektiven Bedeutungen.

Ich will sagen, sie gibt unserem Leben einen weiteren Sinn. Ich jedenfalls würde dies für mich behaupten. Umso schwerer wiegen die Verluste, die das Leben mit sich bringt, wenn sie uns mal wieder ein Vorbild entreißt, egal ob es Mikis Theodorakis oder Charlie Watts, Tina Turner, Harry Belafonte, David Crosby oder Jeff Beck waren. Wir alle hatten uns an ihre scheinbare Unsterblichkeit gewöhnt. Und so erschließt sich eine weitere Bedeutung der Musik für das Leben.

Sie kann durch die von ihr ausgelöste Freude als einzige Form der Kultur davon ablenken, dass auch wir sterblich sind: Memento mori! Kindererziehung, Arbeit, alles wird irgendwann zu einer Phase des Lebens, aus der heraus wir in eine neue eintreten. Die Musik aber führt uns zurück auf das, was uns ausmacht: Einfach nur zu sein, und dieses Sein mit Freude zu erfüllen und zu genießen, selbst wenn die Umstände es schwierig zu machen scheinen.

Ein Leben ohne Musik ist ein Irrtum! Und deshalb für die kommenden Donnerstage der Saison in Pitsidia: Matala Acoustic Project – rock the Platia! Dutzende ergraute ewige Teenies werden es Euch zu Recht danken!

Holger Czitrich-Stahl