Zum Jahresanfang heute mal wieder etwas, das zum Nachdenken anregt. Diesmal nicht aus unserer Feder, sondern mal wieder von Erhart Kästner aus seinem zauberhaften Buch „Kreta“ (die Kritiker und aufgeplusterten Empörer – „wie kann man nur so einen Nazi zitieren!!!“ – seien hier mit Verweis darauf, dass wir uns Erhart´s Vita durchaus bewusst sind, hoffentlich ruhiggestellt).
Trotzdem nochmal der Verweis darauf, dass dieses Buch 1975 erschienen ist und auf Aufzeichnungen aus dem Jahr 1943 beruhen. Nichtsdestotrotz und unseres Erachtens auch heute noch sehr nachvollziehbar und einfach wundervoll beschrieben:
„Die Bauern von der Lassithi-Hochebene müssen reich sein – wer wäre es sonst auf Kreta. Aber davon sieht man noch weniger, als ich jüngst in Archanes sah. Die Dörfer sind jammervoll und starren im Schmutz, die Häuser von unbeschreiblicher Dürftigkeit. Wir waren des Abends beim Bürgermeister zu Gast. Ich weiß nicht, ob es der Stall war, in dem wir saßen, jedenfalls stand die Kuh mit im Zimmer.
Es war ein größeres Haus und ein größerer Raum, der durch die blecherne Lampe nur zu einem kleinen Lichtkreis erhellt war. Auch die Kinder schliefen dortselbst. Sie wurden gerade zu Bett gebracht – doch war es kein Bett, nur eine Art Kiste, und ausgezogen wurden sie auch nicht erst.
Stühle gab es nur wenig im Hause: da mussten die Frauen solange stehen. Man setzte uns Wein vor, es war köstlicher Wein, einer Fürstentafel wert, aber er wurde in einer alten Konservendose gereicht, und es gab nur ein einziges Glas. Dazu gab es Mandeln, durch deren Reichtum die Gegend berühmt ist, aber sie mussten zwischen zwei Straßensteinen aufgeklopft werden. Unterdes lief mir unter dem Stuhle ein Schwein durch.
Ich hatte in meinen ersten Tagen auf Kreta in der Gegend von Asomatos ein Gespräch mit einem jungen Bauern, an das ich später oft dachte. Damals hatte ich noch gar nicht erkannt, wie bezeichnend es war, was er sagte.
Ich erzählte ihm, dass ich in einem Seitentale bei Gortyn römische Mauern gesehen hatte, deren Vorhandensein mir nicht anders erklärbar schien, als dass da einstmals ein Staudamm war. Offenbar hatten die Römer schon die niederstürzenden Wasser der Winter gesammelt und während der Sommer geschickt verteilt. So müsste auch heute ein ähnliches Werk die Gegend zum Paradiese verwandeln.
Dann sprachen wir von den kahlen Bergen und der Armut an Wald und an Holz. Ich deutete auf die Ziegen, bei denen der Bauernsohn stand und sagte: „Die fressen Euch arm! Wenn Ihr die nicht hättet, so hättet Ihr Wälder und hättet Ihr Holz. Ihr hättet reichere Quellen und reichlicher Wasser, und die Winterregen würden Euch nicht das kostbare Erdreich verschwemmen. Es würde um vieles besser sein.“
„Sicher!“ erwiderte er. „Die Ziegen knabbern alles, was grün ist. Da kommt kein Baum auf. Da drüben über den ganzen Berg könnten Ölbäume stehen! Viele! Aber solange die Bäume klein sind, kommen die Ziegen und fressen sie ab, dann gehen sie ein.“ Er schien sich, echt griechisch, im Augenblick an den großen Möglichkeiten zu entzünden.
Ich sagte: „Die Ziegen haben Euch arm gemacht und machen es noch. Nicht die Türken! Die Ziegen! Nun aber, das ist doch nicht schwer. Ihr müsst eben keine Ziegen dorthin lassen, ein paar Jahre lang, oder einzäunen vielleicht.“ Er sah mich nachdenklich an. Ich merkte, dass er in der Phantasie seinen Tribut an das tätige Tun gezahlt hatte. Jetzt fiel er wieder ins Wirkliche. Er zuckte die Achseln.
Den echoume anangki! Wir leiden keine Not. Wir haben Öl, was wir brauchen, wir haben Früchte und Wein, wir haben ein wenig Korn. Nun möchten wir auch Milch und Käse, dazu brauchen wir Ziegen. Es fehlt uns sonst nichts.“
Wozu, wollte er sagen, wozu also Pläne! Es geht ja auch so. Zum Leben genügt´s – und das Leben ist schön.“