Heute geht die Reise mal wieder zu verschiedenen Zielen in der nördlichen Mitte der Insel, rund um Heraklion. Hier gibt es wunderschöne Dörfer mit großer Geschichte, ehemalige Paläste, Tempel, Karawansereien und Nekropolen – alle eingebettet in die atemberaubende kretische Natur und ausnahmslos sehenswert.
Um von Heraklion nach Archanes zu gelangen, fährt man über Knossos ca. 15 km nach Süden. 300m südlich von Knossos befindet sich links unterhalb der Straße die sog. Karawanserei aus minoischer Zeit, nach weiteren 3 km trifft man auf Reste eines 1832-1840 erbauten Aquäduktes, das Heraklion mit Wasser versorgte. Und schon ist man in Archanes.
Das Dorf Archanes
Archanes ist eine wohlhabende Winzergemeinde und war einst Herrschersitz mit Nekropole auf dem Hügel Fourni und dem Heiligum Anemospilia auf der Nordterrasse des Jouchtas-Berges. Es liegt auf ca. 400 m ü.NN und ist von Weinbergen umgeben; die köstlichen Rosaki-Trauben werden zu Wein verarbeitet oder als Tafeltrauben exportiert.
Unter dem Ortsteil Tourkogitonia befindet sich ein weiterer minoischer Palast aus der Zeit um 1600 v. Chr., den das Archäologen-Ehepaar Efi und Jannis Sakellarakis entdeckte und seit 1964 in einigen Partien freigelegt hat.
Die Nähe dieses Palastes zu Knossos gibt auch heute noch Rätsel auf: war es vielleicht der Sommersitz der dortigen Herrscher? Man weiss es nicht….. Der Palast wurde 1450 v.Chr. zerstört, der Platz jedoch weiter bewohnt. Diese antike Siedlung hatte den seit dem 5. Jhdt.v.Chr. inschriftlich bezeugten Namen „Archarna“ lebt im heutigen Archanes fort.
Um den minoischen Palastbezirk zu besichtigen, empfiehlt es sich, bei der Panagia-Kirche – einem Gebäude mit Glockenarkade und Ikonen – zu parken. Die Straße gabelt sich 100m weiter südlich, man folgt der Einbahnstraße linker Hand, dann der ersten Gasse links und dann wieder rechts. Zum Gelände selbst gibt es keinen Zutritt, nur von der Straße aus ist das freigelegte Areal überschaubar. Fundamente aus Hau- und Bruchsteinen, Wasserrinne und Plattenbelag sind gut zu erkennen, die mit vielen Türen – „Polythyra“ versehenen Räume sind überdacht. Gefunden wurden hier Fresken und bewegliche Steinaltäre.
Die Nekropole Fourni
Die von Jannis Sakellarakis im Jahr 1965 entdeckte Nekropole Fourni liegt auf dem gleichnamigen Hügel rechts vom Ortszentrum Archanes´ und wurde 1500 Jahre lang benutzt, nämlich vom 3. Jahrtausend bis ca. 1250 v.Chr. und ist das bedeutendste prähistorische Gräberfeld im ägäischen Raum.
Das Gelände ist umzäunt, doch bleibt das untere Tor meist geöffnet, so dass ein Teil der Totenstadt zu besichtigen ist. Der Friedhof umfasst Beinhäuser, Kuppelgräber und rechteckige Grabbauten aus der Vorpalast- und Älteren Palastzeit, sowie sechs von einer mykenischen Ringmauer umgebene Schachtgräber – die einzigen außerhalb von Mykene.
Ein am Nordrand der Nekropole liegendes Kuppelgrab (1400-1350 v.Chr.) enthielt wertvolle Beigaben aus Gold, Bronze und Elfenbein, die sich heutzutage im Museum in Heraklion befinden. Interessant sind auch die Gebäude für den Grab- und Totenkult – den sog. „Friedhofsdienst“.
Vom Hügel Fourni aus bietet sich ein herrlicher Blick auf den Berg Jouchtas, der seit minoischer Zeit als heilig gilt.
Der minoische Tempel von Anemospilia
Dieser Tempel liegt etwa 4 km nordwestlich von Archanes am Nordhang des Jouchtas. Der Grabungsbezirk ist umzäunt, doch meistens steht das Tor offen. Das mit Hausteinblöcken errichtete Heiligtum bestand aus drei Haupträumen mit davor liegendem Korridor und wurde bei dem gewaltigen Erdbeben und 1700 v.Chr. zerstört.
Die Ausgrabung durch das Ehepaar Sakellarakis erregte 1979 durch sensationelle Presseberichte über das dort entdeckte Menschenopfer weltweites Aufsehen: im Westraum lag auf einem Altar das Skelett eines gefesselten Jünglings, in dessen Brust ein 40 cm langer Bronzedolch steckte. Offensichtlich hatten Priester beim Einsetzen der Erdbeben die Götter zu besänftigen versucht – das erste eindeutig dokumentierte Menschenopfer im minoischen Kulturraum, das noch dazu vergebens war. Denn die vom einstürzenden Gebäude erschlagenen Priester und Gehilfen verloren kurz nach dem Opfer ihr Leben.
Einmalig ist auch der Fund lebensgroßer Tonfüße, die zu einer hölzernen Kultstatue gehört haben müssen – lebensgroße minoische Statuen wurden auf Kreta bis dato nicht gefunden.
Übrigens: Aus Archanes stammt auch der jetzige Gouverneur Kretas. Stavros Arnaoutakis. Stavros war auch lange Zeit Bürgermeister von Archanes. Archanes wurde mehrmals als schönstes Dorf Kretas ausgezeichnet.
Und in Archanes gibt es das Kritamon. Eine der besten Tavernen Kretas. Einen Bericht über das Kritamon (Kreta: „Beschützt von der Natur und zerstört vom Tourismus?“) findest du HIER.