Reisespeisen: Nichts als heiße Luft
Von Benedikt Mandl. Spiegel,de
Bischöfe, Lebemänner und Komponisten: Salzburgs barockes Lebensgefühl macht auch vor der Küche nicht halt. Die berühmten Salzburger Nockerl beweisen, dass auch heiße Luft für viel Geld verkauft werden kann – wenn sie das richtige Image hat.
„Bei Gesellenprüfungen können sie unter Umständen Panikattacken auslösen, weil ihre Zubereitung angeblich so schwierig ist“, sagt Wolfgang Erben. „Dabei gibt es nur ein paar Kleinigkeiten zu beachten – und die Salzburger Nockerl bleiben in bester Form. Serviert werden müssen sie allerdings ofenfrisch, sonst geht ihnen die Luft aus.“ Routiniert schlägt der Zuckerbäcker und Chefpatissier im Salzburger Stiftskeller St. Peter Eier auf und verteilt Preiselbeersauce in gefettete Keramikschalen.
Die Routine kommt nicht von ungefähr: Das süße Soufflee gilt als das ultimative Dessert der Mozartstadt. „Was in Bad Ischl der Kaiserschmarrn ist und in Wien der Apfelstrudel, das sind hier eben die Salzburger Nockerl“, sagt Erben. Dass die luftige Süßspeise dem erfahrenen Patissier nicht gerade an die Grenzen seiner Fähigkeiten führt, nimmt er gelassen hin; er versteht den Kultcharakter der Nockerl. „Allein hier im Stiftskeller bereiten wir etwa 25 bis 30 Portionen pro Tag zu. Allerdings nur jetzt in der Nebensaison, im Sommer werden bis zu 120 Nockerl täglich aufgetischt. Dafür wird hier in der Küche dann ein eigener Zuckerbäcker abgestellt.“
Erst auf dem Tisch offenbart sich das Geheimnis der Salzburger Nockerl. Sie versinnbildlichen keineswegs nur drei lokale Berge, sondern Salzburg als Ganzes: eine süße, goldene Spezialität, weltberühmt, geliebt, begehrt, verklärt und teuer. Und vor allem aus heißer Luft bestehend. Wer könnte nein zu Salzburg sagen? Barocke Lebenslust und Vergänglichkeit, eingefangen in einer Mehlspeise, die von der Stadt ihrer Herkunft nicht getrennt werden kann.
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Gerüchten zufolge soll auf Kreta demnächst eine Taverne eröffnen, die auch Salzburger Nockerln auf der Speisekarte hat. „Nichts als heiße Luft“, würde Zorbas wohl sagen. Über die Eröffnung der Taverne werden Wir Euch in Kürze berichten. Wenn die nur Salzkartoffeln könnten, wäre es ja auch schon eine Bereicherung.