In der Griechenland-Abteilung meiner Kochbuchsammlung fand sich bislang überwiegend folkloristischer Küchenkitsch für Touristen. Im Frühjahr erschien mit „Echt griechisch!“ im Christian Verlag ein Koch- und Lesebuch, das so ganz anders ist: authentisch, bild- und lehrreich, textstark und vor allem: sehr persönlich. Mit der Autorin und Fotografin Elissavet Patrikiou sprach ich über die griechische Küche, das Missverständnis mit den Fleischbergen, die Renaissance griechischer Weine und echte Lämmer.
Elissavet, was macht sie aus, die echt griechische Küche?
Ganz viel Gemüse, wir essen hauptsächlich Gemüse, meine Mutter beispielsweise lebt durch ihren Glauben und die Fastenzeiten der Griechisch-Orthodoxen Kirche rund ein Drittel des Jahres sogar vegan, da wird sehr radikal auf alle tierischen Produkte verzichtet. Es war mir auch ein Anliegen, den Menschen zu zeigen, dass wir nicht nur Fleischberge essen, fettig und ölig, sondern dass wir unglaublich viel mit Gemüse kochen.
Die Fleischberge sind ein großes Missverständnis. Was denkst Du, woher kommt das eigentlich?
Ja, leider, leider, weil es viele griechische Restaurants nicht hinbekommen, original zu kochen. Ich glaube es liegt daran: in den 60er Jahren war in Deutschland das große Fressen angesagt und genau zu dieser Zeit haben die ganzen Italiener, Griechen und Spanier hier die ersten Restaurants aufgemacht. Und die Deutschen sind da hin, weil sie viel bekommen haben und auch viel Fleisch. Und die Griechen haben, meiner Meinung nach, verpasst, dass sich das Essverhalten der Deutschen innerhalb einiger Jahrzehnte verändert hat, dass es nicht mehr darum geht, viel zum kleinen Preis zu bekommen, sondern ich möchte gutes Essen, gute Qualität, frische Zutaten. Das haben viele Nationalitäten mitbekommen- viele Griechen leider nicht.
Du bist in Deutschland geboren und aufgewachsen, was war Deine Intention für die Arbeit an einem Buch zur griechischen Küche?
Viele Gründe. Ich liebe essen, ich liebe Kochbücher, ich habe für andere Kochbücher fotografiert und da war es für mich immer schon einer meiner großen Lebensträume, ein eigenes Kochbuch zu machen und dann natürlich ein griechisches, mit meiner Mutter zusammen und auch für sie, sie ist der wichtigste Mensch in meinem Leben. Nach 42 Jahren in Deutschland ist sie vor sieben Jahren für immer nach Griechenland zurückgekehrt. Für mich ist essen Heimat und Erinnerung und wenn ich dort bin, kocht sie diese Gemüse-Zitronencremesuppe für mich – dann erst komme ich an. Und wenn ich hier ihre Rezepte koche, dann ist sie da. Das Essen ist unsere Verbindung.
Im Buch finden sich die Rezepte Deiner Mutter Anastasía, wie hat sich die Produktion gestaltet? Ich stell mir das sehr aufwändig vor, weil Du ja in vielen Funktionen da warst, als Fotografin, Autorin und nicht zuletzt auch als Tochter.
Meine Mutter hat fast alle Rezepte gekocht, ein paar davon auch meine Tanten, alle wohnen in diesem kleinen Dorf. Die Gemüse baut meine Mutter dort selber an, Blumen und Gemüse, das ist ihr Leben, das ist ihr Glück. Als meine Mutter damals in Deutschland ankam, hat sie als erstes einen Kasten mit Tomatenstauden in den Innnehof der Maler- und Lackierwerkstatt gestellt, neben der sie wohnte. Für das Buch hat meine Mutter echt Tag und Nacht gekocht, wo ich helfen konnte, habe ich mitgemacht und wir haben zusammen gekocht. Fotografiert und geschrieben habe ich auch dort, um die Stimmung und meine Gefühle einzufangen.
Und wie fand Deine Familie die Idee eines Kochbuches?
Ich mach jetzt ein Buch über Vathilakkos, ein Dorf das kein Mensch kennt – das war sehr unreal für meine Familie. Und jetzt wo das Buch erschienen ist, haben auch viele Menschen viel berührender auf das Buch reagiert als meine Familie, für meine Familie ist das ihr Alltag, ihre Schafe, ihre Hühner, das Essen, das ist normal. Sie sind da sehr bodenständig.
Vathilakkos liegt in Nordgriechenland und, das habe ich aus Deinem Buch gelernt, mitten in einem berühmten Safrananbaugebiet. Erstaunlicherweise finden sich in Deinem Buch kaum Safranrezepte? Wie kommts?
Bei uns wird nicht mit Safran gekocht. Es gibt einen Tee, der findet sich auch in meinem Buch. Safran wird dort eher medizinisch genutzt, für Magen, Bauch und Kreislauf.
Es gibt sehr viele einfache Gemüserezepte in Deinem Kochbuch, das empfiehlt es auch für Kochanfänger, es finden sich aber auch viele sehr anspruchsvolle Grundrezepte für beispielsweise hausgemachte Wurst und Brot darin.
Ja, das gehört dazu zu unserer Küche und die fünf bis sechs schwierigeren Rezepte im Buch sind für Leute gedacht, die sagen, ich brauch jetzt mal eine Herausforderung! Das Wurstrezept ist von meinem Onkel.
Und hast Du die Rezepte dort mitnotiert?
Das war auch so eine Herausforderung, kein Mensch kocht da nach Millilitern oder Gramm-Angaben, das war mit das Schwierigste an diesem Buch. Auch wenn mehrere Tanten durcheinander kochten, jede hat sowieso ihr eigenes Rezept und das ist natürlich das beste Rezept -da gabs auch Streitigkeiten – ich hab dann immer das Rezept meiner Mutter genommen (lacht). In Deutschland habe ich alles noch mal nachgekocht und abgewogen, was auch für mich der Horror ist, ich koche immer nur nach Gefühl.
Die Lesestücke über Deine Familie, den Ort, die fand ich sehr persönlich und berührend, ohne jeden Kitsch, hast Du alle Texte selbst geschrieben?
Ja, da wurde im Lektorat noch an zwei, drei Sätzen gedreht und dann war das nicht mehr ich und da hab ich gesagt: können wir das wieder ändern? Das war ganz toll vom Verlag, die haben die Texte letztendlich so gelassen, wie ich es geschrieben hatte. Es ist immer die Frage, wie viel man von sich preisgeben will, ich bin froh, dass ich das so gemacht habe.
Es gibt ja gerade eine Renaissance der griechischen Weine, ich bin begeistert von den neuen Weinen der jungen Winzer.
Ja, unbedingt, darum gab es auch auf der Buchpremierenfeier viele meiner griechischen Lieblingsweine, der 2009er Nemea von der Estate Constantin Gofas beispielsweise, du denkst du hast einen großen Rioja im Mund. In Hamburg findet man viele der neuen griechischen Weine in Yannis Shop (BRIMO Weinhandelsgeselllschaft), tolle Auswahl, auch an anderen griechischen Spezialitäten.
Wo wir gerade bei den Empfehlungen sind: was ist denn Dein „Lieblingsgrieche“ in Hamburg?“
Elia, Taverna Elia, absolut! Anna Katela ist eine tolle Frau, die toll kochen kann, sie ist ein sehr herzlicher Mensch und sie macht köstliche kleine Mezedes und ein fantastisches Lamm. Lamm wohlgemerkt, nicht Hammel! Es tut mir ja leid für die Lämmchen, aber was in Deutschland als Lamm verkauft wird, ist bei uns kein Lamm mehr.
Danke Dir, Elissaveth für Deine Zeit und das Gespräch!
Gutes Essen & Große Küche. Das ist NutriCulinary.