„Milch in Papier”, lautet der Titel des ersten Buchs des Jülicher Autors Stefano Polis, der Untertitel „Kindheit und Jugend zwischen zwei Kulturen”. Aber wieso Milch in Papier?
Als 1965 in Kozani/Griechenland geborenes „Kofferkind” eines nach Deutschland emigrierten Gastarbeiterpaares gibt Stefano Polis damit die Wirkung von Milch in Papiertüten auf ihn als staunenden kleinen Buben wieder: „Eine merkwürdige Vorstellung, die in mir den Verdacht schürte, die Deutschen müssten zaubern können.”
Langer Weg zur Integration
Erschienen ist Polis Erstlingswerk beim „Größenwahn”-Verlag in Frankfurt. Mit Größenwahn hat das Buch über den „langen Weg” zur Integration in einem fernen Land aber nicht das Geringste zu tun, denn der literarische Newcomer beherrscht das Handwerk des Schreibens: Mit gut ausgewählten Adjektiven lässt Polis in seinen ausführlichen Beschreibungen Landschaften in der Fantasie des Lesers entstehen, ebenso werden aufreibende Gefühle zwischen zwei Familien und zwei Kulturen für den Leser nachfühlbar.
Am Grab seiner Tante Lina, die nach der Abreise seiner Mutter nach Baden-Württemberg zu seiner zweiten Mutter in der griechischen Heimat wurde, nimmt der zunächst taurige, später hoffnungsvolle Rückblick in die Kindheit seinen Lauf. Diese ist geprägt von Hunger und vom Wirrwarr der Gefühle: Mutter und Stefano waren unzertrennlich, bis sie schließlich ihn und seine jüngere Schwester Koulitza ohne Erklärungen verließ.
Angst, Wut und Traurigkeit wechseln mit Geborgenheit in der neuen Familie mit Tante Lina und Onkel Kostas. Äußerungen Erwachsener wie „Einem Kind muss man nicht viel erklären. Darüber hinaus verstehen Kinder so etwas nicht. Außerdem vergessen Kinder schnell”, lassen den Autor inmitten der Handlung ausrufen: „Mit welcher Ignoranz doch manche Erwachsenen ausgestattet sind.” Erst viel später, „ so mit 16,17 Jahren”, erkannte Polis, dass seine Mutter in der „desaströsen wirtschaftlichen Situation” keine Wahl hatte, als sich für die Arbeitsmigration zu entscheiden.
Damals fassungslos, ist er ihr heute besonders dankbar. Der lange Weg hin und her zwischen Griechenland und Deutschland endet nämlich gut. Die gesamte griechische Familie, in der später noch ein Bruder geboren wird, lässt sich in Nord-Düren nieder. Neben „Milch in Papier” lernt Stefano „Fritten mit Mayo” und die Annakirmes kennen.
Polis schloss in Düren die Schule ab und erlernte das Friseurhandwerk. Nach der Meisterprüfung 1987 eröffnete er einen eigenen Friseursalon in Jülich. Seit 1994 ist er mit Monika, seiner deutschen Ehefrau, verheiratet, die geduldig seine Texte las und korrigierte. Sie haben zwei Kinder, Sterjani (Stella) und Romeo. Polis Eltern „haben Düren nie verlassen. Den Wunsch, in die Heimat zurückzukehren, haben sie irgendwann vor Jahren, als ihre Enkel geboren wurden, endgültig aufgegeben”.
60 Jahre Anwerbeabkommen
Wie lautet die Empfehlung des griechischen Einwanderers, der „als letzte Hürde die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen will? Das Geschenkte anzunehmen und etwas damit zu machen.” „Milch in Papier” wurde 2011 veröffentlicht, darauf legte Polis wert, denn das Anwerbeabkommen jährte sich im vergangenen Jahr zum 60. Mal. Das Erscheinungsdatum 11.11. betont die Verbundenheit des Autors mit dem Rheinland.
Ein privates kleines Dankeschön
Die Beschreibung seiner Heimatfindung ist eine Liebeserklärung an Deutschland, gleichsam ein ganz privates kleines Dankeschön für seine freundliche Aufnahme: „Heute lebe ich in einem Land, das ich mein Zuhause nenne, und bin Teil einer Kultur, die ich liebe. Ich esse von den Speisen, die mir zu Beginn fade und teilweise ungenießbar vorkamen. Ich spreche die Sprache eines Volkes, die mich am Anfang so oft zum Lachen gebracht hatte, und möchte nirgendwo anders leben als in diesem wundervollen Land.”
Polis begann früh zu schreiben: Gedichte, Prosa, Kurzgeschichten und Drehbücher. Material zum Thema Integration hat er noch mehr als genug. Sollte seine erste Publikation erfolgreich werden – und das wäre wohlverdient – hat der Verlag eine Fortsetzung in Aussicht gestellt.
Buch erscheint im „Größenwahn-Verlag”
Das 224 Seiten umfassende Hardcover „Milch in Papier” erscheint im Frankfurter „Größenwahn-Verlag”, hat die ISBN-Nr. 978-3-942222-08-9 und ist im Buchhandel zum Preis von 23,90 Euro erhältlich.
Und noch eine gute Nachricht: Stefano kommt auch zum 1.dt.-gr.Lesefestival nach Paleochora.