Der Dädalus der Neuzeit: Kanellos Kanellopoulos.

Vor fast auf den Tag genau 30 Jahren stellte ein „fliegender Grieche“ einen Weltrekord auf. Kanellos Kanellopoulos gab den „Dädalus der Neuzeit“ und flog in einem rein durch Muskelkraft betriebenen Flugzeug die Entfernung von 119 km von Kreta (Heraklion) nach Santorin.

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Von Kreta nach Santorin.

Das Ganze absolvierte er in einer Rekordzeit von 3 Stunden und 54 Minuten – und zwar bei einer mittleren Geschwindigkeit von etwa 32 km/h (bei Rückenwind) auf einer Höhe von ca. 7 Metern über dem Meeresspiegel. Verrückt? Verrückt! Aber genial und einem Nachfahren des legendären Dädalus sicher angemessen.

Aber nun erst mal der Reihe nach: wer, was, wo und warum überhaupt?

Kanellos Kanellopoulos (Κανέλλος Κανελλόπουλος) wurde am 25. April 1957 in Vrachneika Achaia (Gemeinde Patras) geboren. Er ist Extremsportler und 14-facher griechischer Meister im Radrennen. Er begann seine Rennfahrerkarriere im Alter von 14 Jahren mit dem Kauf seines ersten Rennrades.

Kanellos Kanellopoulos
Kanellos Kanellopoulos.

In seiner aktiven Zeit absolvierte er über 500 Rennen im In- und Ausland. 1984 nahm er an den Olympischen Spielen in Los Angeles teil, bei denen er allerdings durch einen tragischen Sturz quasi aus dem Rennen katapultiert wurde.

Und dann ließ sich jemand das Dädalus-Projekt einfallen!

Das Dädalus-Projekt war ein Projekt des Massachusetts Institute of Technology (MIT), bei dem von 1986 bis 1988 von Professoren und Studenten des MIT ein Muskelkraft-Flugzeug entworfen und gebaut wurde. 1987 wurde Kanellopoulos als einer von fünf Radrennfahrern als potentielle Piloten für das Projekt ausgewählt. Damit erfüllte Kanellopoulos sich zugleich seinen Kindheitstraum, einmal Pilot zu sein. „Ich wollte der Luftwaffe beitreten, begann aber mit 16 professionell mit dem Radfahren. Als mir dann im Sommer 1987 der Ernährungsberater der Nationalmannschaft erzählte, dass das MIT einen griechischen Radfahrer für ihr Projekt suchte, sagte ich sofort zu. Es war die Chance, meinen Traum zu leben.“

Nach einem umfangreichem Training und – nach eigenen Aussagen – einer schlaflosen Nacht davor, flog er im Alter von 30 Jahren am 23. April 1988 mit dem pedalangetriebenen Muskelkraftflugzeug Dädalus von der griechischen Luftwaffenbasis Heraklion nach Santorin. Die Schlaflosigkeit rührte vor allem von dem Gedanken her, dass er sich am nächsten Tag auf den Pilotensitz eines pink- und silberfarbenen pedalgetriebenen Ultraleichtflugzeugs mit einer Flügelspannweite von 33 Metern (das ist mehr, als eine Boeing 727 aufweist!) setzen würde, um sich damit von einer steilen Klippe in die Tiefe zu stürzen. Da kann man schon mal unruhig werden…

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Alles beginnt mit einem Plan.

Aber das Wetter spielte mit – für einen Start waren nämlich höchstens leichter Wind und milde Temperaturen nötig. Diese Voraussetzungen waren an besagtem 23. April – einem Samstag – endlich gegeben.

Beste Voraussetzungen, bester Verlauf – und dann DAS!

Wie andere gut trainierte Radrennfahrer hatte der 72 kg schwere Kanellopoulos eine außergewöhnliche Fähigkeit, Sauerstoff zu verarbeiten. Unterwegs nahm er etwa vier Liter eines speziell für diesen Flug entwickelten Glucose-Mineral-Mischgetränkes zu sich, das er über einen Plastikschlauch ansaugte, um seine Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Derart ausgestattet strampelte Kanellopoulos fast vier Stunden lang ohne größere Probleme durch die Luft. Naja, was heißt „ohne größere Probleme“: immerhin handelte es sich dabei um eine Ausdauerleistung, die zwei Marathonläufen hintereinander entspricht! Kanellopoulos sagte später: „Das Schönste war eigentlich der Start. Der Rest war Schwerstarbeit, sieben Meter über der Meeresoberfläche“.

Günstiger Rückenwind hatte die auf mindestens fünf Stunden berechnete Flugzeit erheblich verkürzt: Bereits nach 3 Stunden 54 Minuten und 59 Sekunden war der tieffliegende Radfahrer nur noch ca. 30 Meter vom Landepunkt auf Santorin entfernt. Als Kanellopoulos im Landeanflug auf den schwarzen Strand von Perissa gegen den Wind eindrehen wollte, erfasste eine Bö das Flugzeug direkt von vorn, riss das Heck und einen Flügel ab und das Flugzeug stürzte ins Meer – so knapp vor dem Ziel!!

Doch schon kurz nach dem Absturz tauchte der „Bruchpilot“ Kanellopoulos wieder auf und schwamm die restlichen 30 Meter an Land. Im Nachhinein empfindet er die Bruchlandung fast als glückliche Fügung, die den Menschen zur Demut zwang. Sie hatte uns gezeigt, dass der Flug viel gefährlicher war, als er aussah. Nur eine leichte Windböe, und das Flugzeug stürzte ab.“

Kanellos Kanellopoulos stellte mit seinem Flug „Dädalus 88“ einen bisher nicht überbotenen Weltrekord für Dauer und zurückgelegte Strecke eines muskelkraftgetriebenen Flugzeuges auf. Noch im selben Jahr erhielt Kanellopoulos für diesen Rekordflug die „Harmon Trophy“, eine amerikanische Auszeichnung für herausragende fliegerische Leistungen. Und die hat er sich wohl auch redlich verdient!

Das Wrack der „Daedalus 88“ befindet sich heute im Smithsonian-Institute in Washington.

Nach Kanellopoulos´ Höhenflug normalisierte sich sein Leben schnell wieder; er fuhr weiter Radrennen, unterrichtete 18 Jahre lang Sport an einer Schule und selbst heute, als Rentner, setzt er sich immer noch lieber aufs Rad als ins Auto.

Seine anderen Leidenschaften sind das Malen religiöser Ikonen – einige seiner Werke sind auf seinem heimischen Altar zu bewundern – sowie Gärtnern und Heimwerken in seinem Heimatdorf Vrachneika auf der Peloponnes. Ich liebe es in der Erde zu graben, zu pflanzen, mit den Händen zu arbeiten.“ Gar nicht abgehoben, finden wir.

Radio Kreta – Mythos trifft Moderne.

PS: Außerdem gratulieren wir Kanellos Kanellopoulos von Herzen um heutigen 61. Geburtstag! Alles Gute, Dädalus II!

Quellen: Wikipedia (DE, GR), Spiegel Online, u.a.