Der Mann (und ein Haus) in den Bergen.

Wer in unserem Alter kennt ihn nicht mehr? Den Mann in den Bergen: „Grizzly Adams“ aka Dan Haggerty mit seinem zahmen Grizzly „Ben“ und dem Trapper „Mad Jack“ mit seinem störrischen Maultier „Nummer Sieben„?

Und wer hätte diese Naturburschen nicht des Öfteren um ihr Leben beneidet? Immer draußen in der wundervollen und unberührten Natur, ein Leben im Einklang mit Flora und Fauna, sich selbst versorgend und aufregende Abenteuer bestehend? Sogar um die harten, schneereichen Winter in den Bergen hat man sie beneidet, wie sie da in ihrer Hütte am Feuer sitzen und beim Kauen getrockneten Fleisches ein Schwätzchen halten…. Na gut, man selbst saß ja gemütlich vor der Glotze, aber einer beneidenswerten Wildromantik entbehrte das alles nicht!

„Hmmmmm“, werdet Ihr Euch jetzt fragen und Euch ratlos den Schopf kratzen, „ja, klar, ich erinnere mich, aber bin ich hier nicht bei Radio Kreta? Was zum Geier hat dieser amerikanische Aussteiger und seine Geschichte mit Kreta zu tun?“

Mehr als Ihr denkt!

Einmal ganz kurzes Kopfkino: Ihr versetzt Euch in die kretischen Berge, vielleicht in ein (fast) verlassenes Dorf, vielleicht in eine alleinstehende Hütte oder Ihr sucht Euch ein lauschiges Plätzchen mitten in der Natur, womöglich noch mit atemberaubendem (Panorama-) Blick und träumt davon, ein Stückchen Land zu erwerben und ein eigenes kleines Häuschen zu bauen. Keine Villa mit Pool – nie und nimmer. Einfach so eine „Grizzly-Adams-Hütte“, um dort mehr oder weniger spartanisch und selbstversorgend zu leben.

Aus dem Grizzly „Ben“ macht Ihr einfach wachsamen Schäferhund, einen Bobtail oder Neufundländer namens „Aris“ – dem Kriegsgott, oder „Iraklit“ (Herakles) – der für seine Stärke berühmte griechische Held; für das störrische Maultier könnt Ihr ja die „Nummer 7“ beibehalten.

Et voilá – schwupsdiwups seid Ihr – zumindest gedanklich – auf Kreta. Und das sind doch wundervolle Gedanken, die sich weiterspinnen, weiter denken und mit der nötigen Überzeugung, dem Mut, der Gewissheit worauf man sich einlässt, einem hinreichenden Level an Sprachkenntnissen und einer profunden Kenntnis der griechischen Seele, der Mentalität, das alles vielleicht sogar in die Realität umsetzen.

Ein Traum? Auch Träume können wahr werden!

Wenn man also nun wirklich dem urbanen Leben – wo auch immer – entkommen will, sich zur Natur mit all ihrer Schönheit, aber auch ihren Unbillen unaufhaltsam hingezogen fühlt, wenn man von und mit Tieren aller Art leben, sich um sie kümmern und sie liebhaben will – dann ist man auf einem kretischen Berg goldrichtig.

Eine der großen Fragen, die sich vor einer solchen Entscheidung stellen, ist natürlich. Kann ich das wirklich? Bin ich komplett dazu bereit? Ich höre jetzt schon die begeisterten und höchstentschlossenen „Jaaaaaaaaa, ich will!!!“s der meisten Leser – aber seid Euch dessen bewusst, dass es oft nicht so einfach und traumhaft ist, wie man sich das denkt.

Eine schöne Idee ist es natürlich, wenn man eine ganz bestimmte Vorstellung von seinen täglichen Tätigkeiten hat – und diese dort auch ausführbar sind. Denn mit „Bergdorf“ ist halt wirklich ein Dorf in den Bergen gemeint, von dem man ggf. 20-30 Minuten unterwegs ist, um das einzukaufen, was nicht gerade um einen herum wächst. Und jeden Tag will man dann irgendwann auch nicht mehr fahren; im besten Falle hat man eh genug im und um das Haus herum zu tun.

Man kann z.B. Obst- und Gemüse anbauen, Wildgemüse ernten, Nüsse, Pilze und Schnecken sammeln, sich um die Tiere, die man sich sicherlich unweigerlich zulegt (oder die einem zulaufen), kümmern, vielleicht sogar hin und wieder mal „Hunde-, Katzen-, Hamster-, Meerschweinchen, Kaninchen- oder sonstiges Getier zur Pflege aufnehmen. Ach ja, und Holz hacken für den Winter, der in den Bergen ja nun mal doch ganz anders aussieht, als in Strandnähe.

Da bleibt für „Vergnügen“ oft wenig Zeit.

Wem bei dieser Aussage ein „urgs“ oder „hmpf“ im Halse stecken bleibt, der sollte von einem solchen Vorhaben absehen. Denn wenn die o.g. Lebensinhalte kein Vergnügen für Euch sind, dann lasst es lieber, denn so werdet Ihr sicher nicht glücklich.

Heisst ja nicht, dass man gar keine Freizeit hätte, für ein gutes Buch oder mal einen Netflix-Film für alle, die es gar nicht lassen können, ist immer mal wieder Zeit. Ulkigerweise gibt es nämlich sogar in den entlegensten Dörfern (hier z.B. Prodromi) ein super funktionierendes Internet – da waren wohl noch ein paar Kilometer Glasfaserkabel übrig. Telefon geht allerdings nur über Vodafone (also in Prodromi), so ähnlich sieht es aber sicher auch in anderen Gebieten aus – also auch durchaus ein überlegenswerter Faktor zur Kommunikation. Man muss ja nicht – aber es ist immer gut, die Möglichkeit zu haben, es könnte ja mal Hilfe gebraucht werden.

Und ich bin mir sicher: wenn Ihr Euch mit vollem Herzen, Freude, Motivation und Entschlossenheit einem solchen Projekt widmet, werdet Ihr gar nicht mehr in´s nächste Dorf wollen.

Wir bauen das Dorf (wieder) auf?

Je nachdem, ob Ihr komplett weitab vom Schuss leben wollt, oder vielleicht ein Häuschen in einem (fast) verlassenen und verwaisten Dorf wiederaufbauen, restaurieren oder renovieren wollt, könnte man mit Gleichgesinnten natürlich auch ein Gemeinschaftsprojekt umsetzen, bei dem jeder das macht, was er am Besten kann (wir reden jetzt aber nicht über „delegieren“ oder „klugscheißern….). Und auch die verbliebenen Einwohner und Leute aus den Nachbardörfern könnten einen Vorteil davon haben. Wir reden ja schließlich nicht über eine „Besetzung“ oder „Annektierung“ kretischer Grundstücke und Hausruinen – unser Ziel ist es, sich in so einem Fall sowohl in die kretische Natur als auch in die kretische Lebensart, Mentalität, Werteschemata und Traditionen einzufügen.

Ein Haus in Prodromi.

Prodromi7

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Solltet Ihr z.B. ein Haus bauen, restaurieren oder renovieren wollen, wendet Euch doch bitte an die lokalen Handwerker. (Oder schreibt eine Mail an Mitso@radio-kreta.de. Mitso kennt auch Details und stellt Euch den Kontakt her.) Die Menschen vor Ort verfügen mit Sicherheit über gute Tipps für den Kauf von Materialien, haben vielleicht selbst die passenden zu Hause, auf jeden Fall aber das notwendige Werkzeug (und wenn nicht kennen sie jemanden, der es hat!), machen Euch sicher einen guten Preis – vor allem, wenn es ein längerwährendes Projekt werden soll und werden Euch sicherlich auch immer mit gutem Rat und Tat bei der „Maintenance“ des Hauses bei Seite stehen. Und das bitte bei fairer Bezahlung!

Die Leute aus den Dörfern kennen sich mit Pflanzen und Tieren aus, kennen wunderbare (fast) vergessene Rezepte und verfügen über Wissen, das auch (oder gerade) einem mitteleuropäischen Akademiker eine beachtliche Demut einflößt und vielleicht auch etwas an seinem/ihrem Ego kratzen kann. Und das ist ganz wunderbar!

Wie wird man vom Fremden zum Gast?

Dazu muss man sich mit den Einheimischen natürlich auch verständigen können, vor allem natürlich über die Sprache, aber auch über die Anpassung und das Erlernen der kretischen Mentalität und Werte. Man wird zwar lange – wenn nicht für immer – ein Xénos (Ξένος) sein, aber dieses wundervolle griechische Wort bedeutet sowohl „Fremder“ als auch „Gast“. Und eine größere Ehre, als bei Griechen „zu Gast“ zu sein, gibt es wohl kaum. Das geht natürlich nur, wenn man sich nicht permanent als scheinbar überlegener, besserwisserischer und sich abgrenzender Neuling verhält – denn dann bleibt man für immer ein Fremder!

Schön wäre es auch, wenn vielleicht eine gewisse Anzahl solcher Projekte zur „Wiederbelebung“ der Dorfgemeinde beitragen und gegebenenfalls sogar neue Arbeitsplätze schaffen könnte. Warum nicht ein altes Kafenion wieder in Schwung bringen? Es müssen ja nicht mehr so viele Kafenia sein, wie es politische Meinungen gibt – so war das nämlich früher! Ein Bäcker, ein Schlachter, eine Postannahmestelle und das unvermeidliche „Pantpoleion“ – der griechische Tante-Emma-Laden – könnten mit (über-)lebenswichtigen haltbaren, aber auch mit frischen Produkten aus der Region aufwarten. Dies könnte sogar, z.B. wie in Sarakina, direkt dem Kafenion angeschlossen sein, denn dort landet ja sowieso jeder früher oder später. Vielleicht ist auch jemand dabei (bei den verbliebenen Dorfbewohnern, oder auch den „Zugereisten“), der eine Taverne der authentisch kretischen Art betreiben will? So ganz ohne Pizza und Burger und deutsch/italienisch/französischem Schnickschnack? Einfach kretisch? Einfach, gesund und saulecker? Wär doch was!

Gemeinschaft ist gefragt!

Da der Mensch ja nun mal unweigerlich ein Herdentier, ein (zumindest in vielen Fällen) soziales Wesen ist, braucht er Gesellschaft – am Besten gute. Die wohlbekannte und extrem wichtige „kalí paréa“ (η καλί παρέα). Selbst „Grizzly Adams“ und Robinson Crusoe konnten nicht ganz einsam und alleine leben. Gemeinschaft heißt ja nicht notwendigerweise, dass man alles gemeinsam macht und permanent zusammen rumsitzt. Es ist eher das Gefühl, irgendwo dazu zu gehören, ein Teil von einem großen (oder kleinen) Ganzen zu sein! Auch wenn man ursprünglich lieber etwas ab vom Schuss leben will – alleine, aber nicht einsam. Dann halt ein Häuschen, eine Kate, eine alte Scheune in der Umgebung des Dorfes. Alleine sein ist viel einfacher, wenn man weiß, dass da auch noch andere sind – dass man halt nicht einsam sein muss.

„Darauf einlassen“ ist die Devise – und ihr werdet belohnt!

Lasst uns doch mehr in und mit der Natur leben – back to the roots. Ein Feuer im Somba wärmt so viel besser, als eine Zentralheizung mit Fernwärme – es wärmt duch sein Licht nämlich auch die Seele. Die Beschäftigung mit der Natur und Tieren tut ebenfalls Kopf und Seele gut – und stärkt meist auch noch körperlich, und das bekäme den meisten von uns sicherlich nicht allzu schlecht. Die Ernährung mit Produkten direkt aus dem eigenen Garten, der Bäclerei, vom Schlachter oder aus dem Pantepoleion wird sicherlich gesünder und wohltuender sein, als dauernde „Pita mit alles“ oder Pizza und Burger. Natürlich – so hin und wieder werden sich solche Gelüste immer mal wieder einschleichen, aber dann weiß man ja, wo man das Begehrte findet. Und danach wieder zurück auf den Berg, wo man den Sternen noch viel näher ist.

Man weiß auch, dass das Meer rundherum ist und dass man jederzeit dort hin fahren kann, wenn man das denn dann noch will. Und auch die „große Stadt“ bleibt für Besorgungen oder Ausflüge da wo sie ist. Das wird einem da oben auf dem Berg allerdings wahrscheinlich immer unwichtiger und nebensächlicher. Und daran merkt man, dass man „angekommen“ ist: bei sich selbst und in dem Leben, von dem man jahrelang geträumt hat.

Und hier noch der Titelsong des Mannes in den Bergen: es singt Thom Pace und heißt „Maybe“ (gr.: Μπορεί):

Und weil er gar so wunderschön ist, anbei auch noch der Text. Soll noch einer sagen, dass das nicht 100% zu Eurer Sehnsucht passt!

„Deep inside the forest
Is a door into another land
Here is our life and home
We are staying, here forever
In the beauty of this place all alone
We keep on hopi-in‘

Maybe
There’s a world where we don’t have to run
And maybe
There’s a time we’ll call our own
Livin‘ free in harmony and majesty
Take me ho-ome
Take me home

Walkin‘ through the land
Where every living thing is beautiful
Why does it have to end
We are calling, oh so sadly
On the whispers of the wind
As we send a dying message

Maybe
There’s a world where we don’t have to run
Maybe
There’s a time we’ll call our own
Livin‘ free in harmony and majesty
Take me ho-ome
Take me home“

3 Kommentare

  1. Wäre ein großer Traum von mir, mein Mann würde aber nie aus seinem Odenwald weg ziehen, leider!
    Ich freue mich dieses Jahr ganz besonders auf Kreta und Bewohner.
    Seele baumeln lassen, Sonne tanken und das tolle Essen, frisch gekauft und die vielen kleinen Tavernen, weit weg von den Massen.
    Ich verfolge diese tolle Seite jetzt schon 2 Jahre und bin unendlich dankbar dafür!
    Gruß Dagmar

  2. Liebe Susanne
    Wie wunderbar ist dein Artikel und wie sehr hat dieser mein Herz/meinen Geist berührt!
    Ein grosses Kompliment, wie du Gefühle in Worte fassen kannst.
    Ich lebe in Thun in der Schweiz. Doch ein Teil von mir ist ebenso in Kreta. Diese ganz besondere Insel, wohin es mich seit über 40 Jahren immer wieder zieht. Bald werde ich 60 und bin noch am Arbeiten …
    Und ich träume von einem „anderen/neuen“ Leben auf Kreta in ein paar Jahren – genauso wie du das so wunderbar beschrieben hast 🙂
    Susanne, dir, deinem Mann und euren Vierbeinern wünsche ich von Herzen alles Liebe und Gute.
    Herzliche Grüsse!

    Franziska

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