Die Orthodoxe Kirche auf Kreta

Ein Auszug von Michael Andreas Dirksen

Die heutige Orthodoxe Kirche lebt nach wie vor in der Vergangenheit. Seit der siebten ökomenischen Synode von 787 hat sie ihre Lehre nicht mehr grundlegend verändert. Sie versucht, soziale Reformen zu verhindern, wo sie kann. Wegen ihrer starken Stellung im Staat, hat sie dabei auch Erfolg. Gleichgültig ob es um Eheschließung, Familienplanung oder Scheidungsrecht geht. Bezüglich der Eheschließung mußte sie eine Niederlage hinnehmen. Seit 1983 gibt es die standesamtliche Trauung gleichberechtigt neben der kirchlichen.

Die Bestrebungen der sozialistischen PASOK-Regierung gingen in den 80er Jahren dahin, Staat und Kirche soweit wie möglich zu trennen und den umfassenden Einfluß der Kirche zu mindern. 1987 führte dies soweit, daß von Papandreou die Frage der Enteignung der Kirche aufgerollt wurde, die in Griechenland riesige Ländereien ihr eigen nennt. Was die orthodoxe Kirche mit ihrem Reichtum macht ist ungewiß. Zu den unterbezahlten Papádes jedenfalls dringt er nicht vor.

Interressanterweise hat die griechisch orthodoxe Kirche auch keinerlei soziale Ambitionen, die Mönche verweigern jede karitative Arbeit und hängen einem mystisch asketischen Ideal nach.

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Die Orthodoxe Akademie in Kolymbari auf Kreta

Auch Diakonissen gibt es praktisch nicht. Viele, vor allem junge Kreter, wollen sich dem starken Einfluß der Kirche entziehen. Einerseits erkennt man die Kirche als Wahrerin der alten Traditionen an, kritisiert aber gleichzeitig ihre dogmatische Starre, ihre ständigen Bemühungen sich zu bereichern und die Einmischung in alle privaten Lebensbereiche.

Doch auch in der Orthodoxie gibt es andere Seiten. Der heute fast 80jährige Bischof Irenäus von Kissamos-Kastelli ist eines der Beispiele, wie fortschrittlich und sozial eingestellt auch ein orthodoxer Bischof sein kann. Unter anderem ist er Mitbegründer der kretischen Volksreederei ANEK, die in den 60er Jahren die ausschließlich profitorientierten Festlandsreedereien verdrängte und einer Schiffahrtspolitik Platz machte, die ausschließlich den kretischen Bedürfnissen Rechnung trug.

In der Diözese von Irenäos befindet sich auch die Orthodoxe Akademie von Kréta, bei Kolimbari am Fuß der Halbinsel Rodopoú. In der Akademie wurde während der Militärdiktatur eine Opposition organisiert, heute widmet sie sich Themen wie Gleichberechtigung oder der Problematik des Tourismus.

Oberhalb von Kolimbari liegt Kloster Gonias, in dessen Apsis vier türkische Kanonenkugeln an schlechte Zeiten erinnern. Im Kloster existiert ein sehr schönes Ikonenmuseum.

Rund 97 % der Griechen gehören der orthodoxen Kirche an, austreten kann niemand.

Kirchensteuer wird nicht erhoben. Statt der Kirchensteuer müssen die Gläubigen bei allen Kirchendiensten Spenden hinterlassen. Taufen oder Trauungen müssen mit großen Summen bezahlt werden. Sämtliche hauptamtlich Beschäftigte der Kirche werden vom Staat besoldet. Kirchenrechtlich unterscheidet sich die orthodoxe Kirche von der katholischen vor allem dadurch, daß sie demokratische Strukturen aufweist. Es gibt zwar eine Hierarchie, die aber rein äußerlich ist und kaum Weisungsrechte von oben nach unten nach sich zieht.

Im Gegensatz zur katholischen Kirche gibt es kein Priesterzölibat, aber zum Bischof können nur unverheiratete Priester und auch unverheiratete Laien gewählt werden. Da es davon nur wenige gibt, werden die meisten Bischöfe aus dem Mönchsstand rekrutiert. Ein weiterer Gegensatz zur evangelischen und katholischen Kirche ist die karitative Einstellung. Wenn auch die orthodoxe Kirche als Bewahrerin der traditionellen Werte und Normen gilt, so ist ihr doch bis heute der karitative Dienst am Nächsten weitgehend unbekannt. Die Abkehr von der Welt zur eigenen Seelenrettung ist wichtiger.

Erst in Jüngster Zeit haben sich einige Nonnen zur Übernahme karitativer Arbeit bereitgefunden ( z.B das Waisenhaus im Kloster Kaliviani in Südkreta). Für die orthodoxen Griechen gibt es kein Fegefeuer, und sie erkennen die Oberhoheit des Papstes nicht an. Oberstes Gebot für den Gläubigen ist es, seine Mitmenschen zu lieben.

Der Autor

Meinem erstem Kreta-Aufenthalt 1965 folgten weitere. Das Ergebnis: „akutes Insel-Fieber“, auch „Virus creticus“ genannt.

Daraufhin bin ich 1984 auf die Insel umgezogen. Eine Heilung ist allerdings nicht in Sicht.

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photo Während ausgedehnter Streifzüge über die Insel habe ich mein Wissen über die hiesige Flora, Fauna und Geologie erweitert. Zu meinen besten Freunden und Informanten gehören die einheimischen Schäfer und Dorfbewohner.

Mehr als die Hälfte meiner 24 Jahre auf der größten griechischen Insel habe ich geführten Wanderungen, Trekkingtouren und Busausflügen gewidmet und so nebenher mehr als 100.000 km mit meiner Enduro gesammelt.

Griechische Sprachkenntnisse, vor allem des kretischen Dialektes, haben mir Türen bei der Bevölkerung geöffnet und das Verständnis für Sitten und Gebräuche erleichtert.

Es wird mir eine Freude sein, diese Kenntnisse über Land und Leute mit Ihnen zu teilen.

Michael Andreas Dirksen

Mehr Wissenswertes hier: Das Kreta-Lexikon