Wir wären ja kein Radio, wenn uns nicht zu allen möglichen Situationen auch die entsprechenden Musiktitel einfallen würden. Und in diesem Falle ist es – mal wieder – der Titel „Wunder gibt es immer wieder“, in den frühen 1970-er Jahre von Katja Ebstein geträllert, später auch von Dieter Thomas Kuhn und Guildo Horn interpretiert. Aber um den musikalischen Aspekt der Geschichte soll es gar nicht gehen – es ist der Titel, der diesmal wieder Programm ist.
Diesmal besteht das Wunder darin, dass – wie wir aus gut informierter und zuverlässiger Quelle wissen – Paleochora nun tatsächlich einen Fahrradweg bekommt, und zwar auf der Strecke von Paleochora in Richtung Westen, raus nach Koundouras!
Das ist eine vielbefahrene (Renn-)Strecke der Griechen – Fahrradfahren oder gar zu Fuß dort lang laufen ist bei Tag und Nacht lebensgefährlich. Nun radeln viele Touristen im Sommer in genau diese Richtung, um an den verschiedenen Stränden und/oder in den entsprechenden Tavernen und Restaurants ihren Urlaub zu genießen. Und fast genauso viele – wenn nicht mehr – tapfere Wanderer nehmen die Strecke als den wohl gefährlichsten Teil des Weges nach Elafonissi in Kauf.
Noch dazu ist diese Straße gespickt mit tiefen Schlaglöchern, die zwar immer mal in privater Initiative „verschlimmbessert“ werden (danach sind es keine Löcher mehr, sondern Hubbel – auch nicht viel besser….), aber oft tut sich direkt neben der Verschlimmbesserung gleich wieder ein noch größerer und tieferer Straßenschaden auf. Wie gesagt – lebensgefährlich!
Nun ist die Strecke von Paleochora nach Koundouras seit November eine einzige Baustelle, da die Leitungen für die zu entstehende Kläranlage verlegt werden. D.h. die Straßenschäden sind noch schlimmer geworden, dafür hat sich die Fahrbahn durch Aufriss und diversestes schweres Bagger-Gerät um einiges verengt – vor allem bei Gegenverkehr gleicht diese Strecke einem reinen Spießrutenlauf.
Der erste Radweg im Südwesten Kretas
Und jetzt diese Nachricht! Wenn alles vorbei ist (alle Rohrleitungen verlegt, Kläranlage gebaut), wird auch die Straße komplett neu gemacht. Breiter soll sie werden – und selbstverständlich komplett schlaglochfrei! Und – tätääääää!!! – ein Fahrradweg soll auch noch her! Innovation pur kurz vor Afrika – wie gesagt: Wunder gibt es immer wieder!
Nun haben wir ja auch knapp 2 Jahre in Koundouras gelebt und sind besagte Strecke mehrmals am Tag gefahren. Auch und gerade im Sommer, wo man sich sehr auf zu zweit oder zu dritt nebeneinander radelnde Touristen und mit Stecken bewaffnete Elafonissi-Walker einstellen und vor allem konzentrieren musste. Ach ja, und auf den Gegenverkehr und die Schlaglöcher. Nicht so einfach das….
Aber wenn zumindest die Schlaglöcher wegfallen und die Fahrbahn breiter wird UND auch noch ein Fahrradweg entsteht – das klingt ja fast wie ein Traum! Also, wenn wir nicht die Erfahrungen mit rasenden Griechen und desorientierten (miet-)fahrradfahrenden und auf Stöcken gestützt wandernden Touristen hätten, würden wir uns einfach freuen und dieser Artikel würde genau hier enden.
Nun haben wir aber ebendiese Erfahrungen – und die geben Anlass zu allerlei Befürchtungen….
Auto, Drahtesel oder Fußgänger – wer hat Vorfahrt?
Wir wissen nicht, ob es jeweils rechts und links einen Fahrradweg geben wird, wahrscheinlicher ist allerdings, dass es nur einseitig einen geben wird. Ob dieser baulich von der Auto-Fahrbahn abgetrennt sein wird, bleibt zu bezweifeln, weshalb wiederum vermutet werden darf, dass die kretischen Rennfahrer die nun um den Radweg verbreiterte Fahrbahn noch intensiver für ihre äußerst sportliche Fahrweise nutzen werden.
Außerdem wird es bei nur einem Radweg radelnden Gegenverkehr geben, was auf Toleranz bei besagten zu zweit oder dritt nebeneinander herfahrenden Radlern hinauslaufen sollte. In beide Richtungen – im wahrsten Sinne des Wortes… Mal schauen, ob auch hier wieder das Recht des Stärkeren gilt – also dessen mit dem teuersten Fahrrad und der widerstandsfähigsten „Multifunktionskleidung“ (bitte ausser Handschuhen und Helmen auch noch Wirbelsäulen-, Knie-, Schienbein- und Ellenbogenschoner anlegen!).
Aber wo werden sich wohl die Fußgänger, Wanderer und Walker tummeln? Na logisch: in Ermangelung eines Fußgänger-, Wander- oder Walker-Weges natürlich ebenfalls auf dem Radweg. Damit wiederum sind neue Konflikte quasi vorprogrammiert – das kennt man ja auch nur zur Genüge von „zu Hause“. Fußgänger latscht auf Radweg rum, Radfahrer regt sich auf, Fußgänger empört sich wiederum darüber – bleibt zu hoffen, dass Luftpumpen, Bügelschlösser und Wanderstöcke nicht als Waffen eingesetzt werden…
Aber immerhin: es tut sich was in Sachen Infrastruktur. Und hoffentlich auch in Sachen Toleranz!