Dass ich eine schon seit meiner Kindheit gehegte Sympathie für die friedliebenden, gleichmütigen Langohren hege, ist vielleicht nur den mir am Nächsten stehenden Menschen bekannt (und jetzt dann auch Euch…). Bereits meine allererste Lektüre im zarten Alter von 4 Jahren handelte von der kleinen Susi, die (Achtung!) auf einer Mittelmeerinsel lebte und sich dort mit einem kleinen Esel namens Benjamin anfreundete und mit ihm einige Abenteuer erlebte. Eine Lektüre, die mich offensichtlich recht nachhaltig geprägt hat.
Und da sind wir auch schon beim eigentlichen Thema: Esel, „Susi“, Mittelmeerinsel und – Lektüre!
Besagte Lektüre habe ich Euch schon in einem Buchtipp näher zu bringen versucht – heute möchte ich ein paar wunderbare Einzelheiten dieses Buches mit Euch teilen, denn schon lange hat mich kein Buch mehr so fasziniert und berührt wie Andy Merryfields (Gedanken-„) Reise an der Seite seines „Leih“-Esels Gribouille.
Der Name dieses französischen Esels leitet sich vom Wort „gribouiller“ ab, was soviel bedeutet wie „hinschmieren, hinkritzeln“. Man verbindet damit außerdem einen Menschen von eher schlichtem Gemüt, der eher unbedarft oder gar einfältig ist. Also Eigenschaften, die man – fälschlicherweise – gerne Eseln nachsagt. Trotzdem: ein schöner Name, wie ich finde.
A propos „finden“: Ganz ohne zu suchen bin ich bei der Lektüre auch über schöne Parallelen zur griechischen Mythologie und zu den musikalischen Werken Franz Schubert´s gestolpert. Erstere teile ich gerne jetzt mit Euch, Letztere vielleicht ein anderes Mal – Schubert ist ja nicht jedermanns/-frau´s Sache, mal sehen….
Das Firmament, Dionysos und zwei astrale Esel
Ich zitiere aus o.g.Buchempfehlung:
„Wenn man zu den Sternen emporblickt, zum Firmament in diesem lebendigen Planetarium, entdeckt mal zwei Esel, die aus einem Trog fressen und als Sternbild zu funkeln beginnen: „Asellus Borealis“ und „Asellus Australis“, auch als Nördlicher und Südlicher Esel bekannt. Sie sind annähernd zweihundert Lichtjahre entfernt und scheinen im Sternbild des Krebs (Anm.d.Red: meinem Aszendenten).Vielleicht stand diese spirituelle Reise, dieses Abenteuer der Phantasie, meine scheinbar zufällige Begegnung mit einem Esel seit jeher in den Sternen? (…)
Einer Legende zufolge erlangten die im Sternbild des Krebses funkelnden Esel durch Dionysos Unsterblichkeit. Der griechische Gott des Weines und Hephaistos, der Gott des Feuers, zogen auf ihren Eseln gegen die Riesen zu Felde. Die Esel begannen zu brüllen. Die Riesen, die dergleichen nie gehört hatten und glaubten, dass ein Ungeheuer nahte, ergriffen die Flucht.
Aus Dankbarkeit wies Dionysos den beiden Eseln einen Ehrenplatz am Himmel zu, zu beiden Seiten einer Sternenansammlung, die von den Griechen „Phatne“ – oder Futtermulde – genannt wurde, in der die Esel immer Nahrung finden – das ultimative Eselparadies.
Dionysos und der Esel
Dyonisos wird so häufig auf einem Esel dargestellt, dass der Esel als sein Reittier gilt, durch eine besonders enge Beziehung mit ihm verbunden.
Dionysos ist nicht nur der Gott des Weines, sondern Inbegriff der Lebenskraft, der schöpferischen Impulse und spirituellen Erleuchtung, der göttlichen Macht und mystischen Ekstase. Er ist der Gott, der Wasser in Wein verwandelte und König Midas die trügerische Macht verlieh, alles in Gold zu verwandeln, was er berührte. Dem Weg des Dionysos zu folgen bedeutet, weltlichen Gütern zu entsagen, Erlösung zu suchen, vielleicht sogar, dem Alltag auf einem Esel zu entfliehen – einem astralen Esel. (…)
Der griechische Komödiendichter Aristophanes (Anm.d.Red.: m.E. der erste wirkliche Comedian mit viel Sinn für groteske Situationen, alltäglichen Irrsinn und schräge Gestalten) sah in Eseln die „Träger der göttlichen Mysterien“ des Gottes Dionysos. In seiner Satire „Die Frösche“, zirka 405 v.Chr. entstanden, gelangen Dionysos und sein Sklave Xanthias in den Hades, die Unterwelt. In der ersten Szene sitzt Xanthias auf Dionysos´ Esel, das Gepäck seines Herrn an einer Stange über die Schulter gehängt. Dionysos geht neben den beiden, als Xanthias plötzlich sein Los beklagt, schwere Lasten tragen zu müssen, während alle anderen Spaß haben.
Dionysos zeigt sich wenig beeindruckt: „Und dann, wie hast du´s? Üppig und bequem! Ich, Dionysos, Humpens Sohn, ich geh zu Fuß und lauf´ mich müd´ und lass dich auf meinem Esel reiten, nur damit du nicht so schwer zu tragen hast.„
Xanthias will seinem Herrn klar machen, dass er unter dem Gewicht schier zusammenbricht und so entwickelt sich folgender Dialog, der wie eine Slapstick-Komödie anmutet:
- Xanthias: So? Trag ich nicht?
- Dionysos: Du trägst? Du reitest ja!
- Xanthias: Ich trage, sieh!
- Dionysos: Was du da trägst, das trägt der Esel ja!
- Xanthias: Der Esel? Was ich selbst belastet trage?
- Dionysos: Wie kannst du tragen, wenn einer dich trägt?
- Xanthias: Das weiß ich nicht, doch beißt mich meine Schulter.
- Dyonisos: Nun gut, wenn dir der Esel doch nichts nützte, so huck ihn auf und trag ihn auch einmal!
Offenbar tragen wir alle schwer an der Bürde unseres Daseins, aber wie kann das sein, fragt Dyonisos, wo wir doch von einem Esel getragen werden, von zarten Beinen und kleinen Hufen voller Geheimnisse, verewigt in den Sternen? Angenommen, wir würden zur Abwechslung mal einen Esel tragen?
Es ist besser ein Esel zu sein, erklärte der griechische Dichter Menander, als mit ansehen zu müssen, wie es einem schlechten Menschen gut ergeht. Ich kann förmlich vor mir sehen, wie Gribouille dazu zustimmend mit seinem Maul nickt. Das täte ich auch, wenn ich ein Maul hätte.
Es heißt, dass es uns Menschen viel schlechter geht als Eseln, weil wir immerhin für unser grausames Schicksal selbst verantwortlich sind.
Nachdenklich geworden? Nachdenken! Oder nachlesen...