Leben auf Kreta. Wieso eigentlich?

Vielen Kreta-Liebhabern wird der Titel dieses Beitrages sicher seltsam anmuten – ist es doch genau das, worauf man seit Jahren hofft, spart und „down counted“ (Zitat: „ich muss ja noch … Jahre – aber DANN!!!“). Nun werden wir ja auch nicht müde, all denen, die in ihrem jährlichen 14-tägigen Kreta Urlaub mit glänzenden Augen und komplett verklärtem Blick vor einem sitzen und wissen wollen, wie das Traumleben auf dieser Trauminsel so ist, ein bisschen Realität mit zu geben. Oder zumindest versuchen, ebendies zu tun.

Da gibt es natürlich das Argument, dass man, auch wenn man hier lebt, natürlich vor allem mal auch sich selbst im Umzugsgut mit drin hat. Mag platt klingen, ist aber so und soll heißen, dass man seit Jahren gepflegte (geliebte, gehasste) Routinen und Verhaltensweisen natürlich nicht einfach nur ändert, weil man grade mal seinen Lebensmittelpunkt auf eine sonnige Insel verlagert. Da gehört dann schon mehr dazu, denn seinen „Alltag“ hat man nun mal überall. Und sich selbst eben auch immer und überall mit dabei.

Alltag in Paleochora.

Hier wie da oder dort schlägt man sich mit der Haussuche, den Nachbarn, der Finanzierung seines Lebens, der Arbeitssuche, der Etablierung sozialer Kontakte, den Behörden (Steuernummer, Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, PKW-Ummeldung, Telefon- und Internet-Anmeldung, Stromrechnung, Steuerberater, Sozial- und Krankenversicherung und ähnlichen Schmankerln) rum. Und ganz wichtig und vor allem anderen: die Sprache! Muss nicht perfekt sein, aber das Nötigste sollte schon flockig von den Lippen gehen – denn sonst kann man das Thema „soziale Kontakte“ gleich mal vergessen (es sei denn, man bevorzugt es, sich unter südlicher Sonne mit Landsleuten zusammen zu rotten – aber dann könnte man ja auch gleich zu Hause bleiben und sich im Solarium treffen….).

Ich dachte ja immer, dass die deutsche Bürokratie auf der ganzen Welt wohl keine Entsprechung fände bzw. bestimmt nicht mehr zu toppen sei. Ha! Nach 6 diesbezüglich wirklich recht geschmeidigen Jahren in Spanien hat mir ein knapp 2-jähriger Aufenthalt in Italien das Gegenteil bewiesen. Auf dass ich aus dieser Nummer mit der absoluten Gewissheit „schlimmer geht nimmer“ herauskommen sollte. Und nochmal Ha! Weit gefehlt, denn die Spießrutenläufe, die ich hier in Griechenland schon hinter mir habe, stellen alles bisher dagewesene locker mal in den Schatten.

Dazu muss ich allerdings sagen, dass bürokratische Unfähigkeit oder Chaos sich mir noch nie so charmant, freundlich und hilfsbereit präsentiert hat, wie hier auf Kreta. Das, was ich wollte, klappte nicht? Hmpf, okaaaayyyyy. Aber jederzeit stand irgendeine gute Fee oder ein Elf bereit, der mir ob meines ratlosen, teilweise verzweifelten und manchmal auch durchaus fassungslos-wütenden Gesichtsausdruckes zur Seite stand, mich sicher durch das bürokratische Labyrinth lotste oder mir doch zumindest eine hilfreiche Telefonnummer oder Adresse geben konnte, wo „ich dann geholfen wurde“. Einfach so – weil sie halt einfach so sind. Unter’m Strich halt einfach „zum Knutschen“!

Und eben genau diese natürliche und offenbar ganz selbstverständliche Liebenswürdigkeit und Hilfsbereitschaft dieser Menschen ist sicherlich mit einer der Gründe, warum man hier gerne und auch ziemlich gut lebt – und das ganz unabhängig von den finanziellen Verhältnissen! 

Ein weiterer und sicher der „natürlichste“ Grund, der die Faszination Kretas ausmacht  – vielleicht sogar der Wichtigste, bedingt er doch Leben, Land und Leute – ist die überwältigende Natur der Insel. Zu jeder Jahreszeit übt die Natur ihre ganz besondere Faszination aus – jetzt im Winter ganz besonders, denn nach den ersten, langersehnten und endlich auch mal wieder ergiebigen Regenfällen des Jahres, grünt, blüht und sprießt wieder alles, sobald auch nur ein Sonnenstrahl die leergeregneten Wolken wieder vertrieben hat. Die Natur explodiert, Schmetterlinge flattern meist im Pärchen herum, es summt, zwitschert und brummt, bald werden wieder Zicklein und Lämmchen die kretische Wintersonne erblicken – Winter auf Kreta. 

„Winter“ in Paleochora.

Wobei „Winter auf Kreta“ nicht selten auch fiesen Wind, heftige Wintergewitter mit Modem-zerstörenden Blitz- und Donnerschlägen, die dazugehörigen Stromausfälle und in Teilbereichen „Land unter“ bzw. Geröll- und Schlammlawinen auf den Straßen bedeutet. Aber auch das läuft nun mal unter „Natur“ – und die zeigt sich im Winter meist von ihrer beeindruckendsten Seite. Viele hier mehr oder weniger dauerhaft ansässige Ausländer „fliehen“ vor dem kretischen Winter in heimatliche Gefilde, nach Deutschland, Österreich, nach Skandinavien, England oder in die Schweiz (oder von woher auch immer sie kommen). Ein großer Fehler, wie wir finden, denn im Winter zeigt sich Kreta von einer komplett anderen Seite, als im turbulenten und heißen Sommer. Aber das muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden – langweilig wird es auch im Winter hier nicht.

Aber es ist auch und gerade das Dorf- oder Kleinstadtleben, das sicherlich ein guter Grund ist, seinen Lebensmittelpunkt hierher zu verlagern. Denn genau diese Strukturen gehen im Rest Europas offensichtlich gerade vor die Hunde. Selbst in kleinen Dörfern aufgewachsen, wissen Scheffredakteur und -teuse nur zu gut von den Klagen derer, die eben immer noch dort leben. Wie Dorfstrukturen einfach zerbrechen, Tante Emma Läden, dörfliche Postämter und Apotheken, Familien Bäcker- und Metzgereien einfach vom Boden verschwinden bzw. von großen Ketten einverleibt und in eine benachbarte Kleinstadt verlagert werden – die Dörfer sterben einfach aus. Und somit auch die sozialen Kontakte, die Geselligkeit in der Dorfkneipe, das Zusammentreffen auf dem Dorffest, der Plausch auf dem Postamt etc. etc.

Und auch das ist einer der Gründe, warum es viele immer wieder – oder, wie gesagt, eben auch dauerhaft hierher verschlägt. Weil es hier einfach noch so anders ist. So, wie früher „zu Hause“. Zu diesem Gefühl gehört für uns z.B. auch das Einkaufen hier. Egal, ob man im Bergdorf im „Pantopoleion“ – einem Kafenion mit angeschlossenem Tante-Emma-Laden – oder im Supermarkt im Dorf einkauft: die „interessierte Anteilnahme“ der VerkäuferInnen ist einem immer gewiss. Da wird man schon gerne mal gefragt, warum man den Schweinebauch denn mit Haut möchte (die Haut gilt hier eigentlich als Abfall!) und auf die Antwort hin (Schweinekrustenbraten) löchert einen die Schlachtersfrau auch gleich nach dem Rezept. Das selbe ist uns auch schon beim Kauf von frischem Rosenkohl passiert – den gibt es hier selten und man ist mit der Zubereitung wohl nicht allzu vertraut. Und wieder ein Rezept ausgeplaudert…

Mitso macht Tierschutz auf Kreta.

Aber auch Änderungen der Familienverhältnisse werden aufmerksam wahrgenommen. Als uns unser erster Kater – die „alten“ Leser werden sich sicher an unseren Willi erinnern – zugelaufen war und ich dementsprechend nun halt auch Katzenfutter kaufte, wurde ich an der Kasse angesprochen, ob wir denn jetzt auch Katzen hätten – und was Mitso wohl davon hielte…

Und noch viele Beispiele mehr, die den Einkauf hier immer wieder zu einem kleinen Erlebnis machen. Nur eilig sollte man es dabei nicht haben…. Siga. Siga.

7 Kommentare

  1. Hi Susanne und Jörg,

    2 Jahre ist es her, dass wir uns zum letzten Mal gesehen haben. Danke für den eindrucksvollen Bericht!
    Euch beiden wünsche ich ein frohes Fest und ein gesundes und rundum gutes Jahr 2019

    Beste Grüße aus Bayern
    Matthias

  2. Danke für diesen Bericht, er macht grad Mut bei unseren Abklärungen zum Auswandern nach Kreta in ca. 2 Jahren.

  3. danke für den lebendigen Bericht. und ich dachte immer, wenn die letzten Touristen weg sind, fallen die Kreter in den kollektiven Winterschlaf und wachen am 15.Mai wieder auf, um den letzten Schnee von den levka Oti zu pusten und die Tische wieder hinzustellen. So kann man sich irren..

  4. Hallo Susanne, hallo Jörg – der bericht ist absolut realistisch. die menschen, die so begeistert sind vom urlaub auf kreta sollten wirklich mal im winter hierher kommen. ich kann das beurteilen komme schließlich seit 1969 jedes jahr hierher und lebe seit 2004 ganz hier (mein Mann ist hier geboren). ich möchte aber auf keinen fall mehr tauschen. susanne mach bitte weiter mit deinen tollen berichten. Schöne Weihnachten und ein gesundes 2019 für Euch.

  5. Hallo Susanne, hallo Jörg,

    das ist ein ganz toller Artikel, der auch zu nachdenken anregt. Danke für eure viuelen schönen Artikel und wir hoffen, euch 2019 gesund wieder zu sehen.

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