Neustart in Athen – Wie Jorgo Chatzimarkakis sich und Griechenland retten will

Essen. Der Duisburger FDP-Politiker Jorgo Chatzimarkakis plant eine neue Karriere in der Heimat seines Vaters. In Deutschland ist der unbequeme Liberale seit seiner Plagiataffäre politisch in Ungnade gefallen. In Athen will er sowohl seinen Ruf als auch den der Griechen aufpolieren.

Der Duisburger Europa-Abgeordnete Jorgo Chatzimarkakis (FDP) plant eine neue Karriere in Griechenland. Foto: Buero Chatzimarkakis

Jorgo Chatzimarkakis verfügt eigentlich über alles, was ein erfolgreicher Politiker braucht. Die Manieren des FDP-Europaabgeordneten sind gepflegt, sein Auftreten ist einnehmend und trotz des Einstecktuchs, das selten in seinen Sakkos fehlt, wirkt er keineswegs abgehoben. Im Gegenteil: Der Duisburger Sohn eines Kreters spricht Klartext. Erst recht, wenn es um sein Lieblingsthema geht: Griechenland. So wie vor einigen Wochen auf einer Veranstaltung in Dortmund: „Die Griechen haben keinen Respekt vor ihrem Staat. Sie sind sogar stolz darauf, wenn sie ihn bescheißen können“, sagte der Mann mit deutschem und griechischem Pass. Mit solchen Sätzen könnte man in Deutschland derzeit Karriere machen. Könnte.

Das Problem. Ins Visier seiner Kritik sind auch die liberalen Spitzenpolitiker Westerwelle und Rösler geraten. Zudem liegt er auch mit manchen Ansichten der FDP über Kreuz und sprach sich etwa in der Eurokrise für Eurobonds aus. Und dann ist da ja noch die Plagiatsaffäre. 2011 wurde ihm der Doktortitel aberkannt. „Chatzi“ hatte in seiner Dissertation gepfuscht.

Spätestens seitdem, heißt es aus Brüsseler Kreisen, nimmt er in der FDP nur noch eine Außenseiterrolle ein. Dass ihn die Liberalen 2014 erneut auf einen aussichtsreichen Listenplatz für die Europa-Wahl setzen würden, gilt als unwahrscheinlich. Also bastelt Chatzimarkakis seit 2011 an seiner Zukunft – die er eng mit dem Neuanfang seiner alten Heimat in Europa verknüpft.

Eigene Bewegung gründen
Was er Anfang des Monats bereits griechischen Medien mitteilte, sagt er nun auch dem „Focus“. Er erwägt, mit einer eigenen politischen Bewegung in Griechenland bei der Europawahl anzutreten, soll sogar als Spitzenkandidat der Demokratischen Linken im Gespräch sein.

Angedeutet hatte der 47-Jährige seine Absichten bereits am besagten Abend in Dortmund. „Warum Hellas der Retter Europas ist“, lautete der Titel seines Vortrags. Dabei liefert er auch eine Begründung für die lasche Steuermoral der Griechen: die Geschichte.

Als noch das Osmanische Reich über Griechenland herrschte, übertrafen sich die Unterjochten darin, dem Staat ihr Geld vorzuenthalten. Dies habe sich bis heute gehalten. Überhaupt, die Geschichte. Durch mehr Demokratie, Beteiligung des Volkes, Sophrosyne, also Besonnenheit, und Autarkie, womit er Selbstgenügsamkeit meint, könnte Griechenlands Zukunft wieder strahlen.

Der Vortragende erinnerte ein wenig an den Vater aus der Kino-Komödie „My Big Fat Greek Wedding“. Der fand für jede Wortschöpfung der Neuzeit einen griechischen Ursprung – kurierte jedoch auch alle körperlichen Gebrechen mit Glasreiniger. Jorgo Chatzimarkakis hat zwar kein Zaubermittel in der Tasche, aber viele Ideen, wie Griechenland wieder auf die Beine kommen könnte. Die hat er in seinem Buch „Der Hellas-Faktor“ aufgeschrieben. Damit will er die Menschen gewinnen: „So wie die Grünen damals mit ihrer Kampagne gegen Atomkraft.“

Griechenland ein Rentnerparadies
Zunächst müsste eine Amnestie für Steuerflüchtlinge erlassen werden, um die im Ausland versteckten Milliarden nach Griechenland zu schaffen. Dann müsste das Kartell der Oligarchen zerschlagen werden und die Gesellschaft für den Wert ihrer eigenen Produkte sensibilisiert werden. Zudem sei Griechenland ein perfektes Rentnerland. Sonne satt und viele leerstehende Dörfer. Die sollen gefüllt werden mit Senioren aus aller Welt.

Chatzimarkakis’ Idee: Griechenland erhält von den die Rentner entlassenden Ländern einen Abschlag, um die Dörfer altengerecht umzubauen und sein Gesundheitssystem anzukurbeln, umgekehrt werden anderswo die Rentenkassen entlastet.

Das klingt nach Aufgaben für Herkules. Oder war es Sisyphos? Es wäre leicht, seine Visionen als ein modernes griechisches Heldenepos abzutun. Aber immerhin gehen sie darüber hinaus, ein Land kaputt zu sparen.

Quelle: Gregor Boldt, DerWesten.de