Ein weiterer Artikel aus dem „Merian Juli 2010“ mit dem Thema „Kreta“
Diesmal geht’s um Wanderungen, Naturschönheiten und darum, den Blick zu öffnen und bewusst zu beobachten – einfach darum, die Seele von den Eindrücken überwältigender Natur und ihrer Einfachheit verwöhnen zu lassen.
Radio Kreta lädt ein: kommt mit auf eine Wanderung für alle Sinne! Aber zieht lange Hosen an….!
„Diese Tour wird Ihre Sinne schärfen: mindestens für die Wunder der kretischen Flora.
Begeben Sie sich mit MERIAN auf eine sechstägige Entdeckungsreise zu Frühlingswiesen und versteckten Orchideenfeldern.
Am Dienstagmorgen nehmen wir die Straße nach Karé. Nur echte Kreta-Kenner wissen, was dieser Satz bedeutet. Sie werden „Oho!“ denken, oder „Alle Achtung“. Und damit haben sie recht.
Das wissen wir seit gestern, als Ineke, die mit einem Kleinwagen die Vorhut unserer Exkursion hatte bilden wollen, fünf Minuten später wieder vor unserem Hotel in Spíli stand.
Die Straße, sagte sie, sei abgerutscht, kurz hinter einer Kurve, und das ganz offensichtlich nicht erst letzte Woche. Warum niemand ein Warnschild aufgestellt habe, wollten wir von Stefanos, dem Hotelbesitzer, wissen. Stefanos antwortete: „Wozu? Jeder im Dorf weiß, dass die Straße kaputt ist.“ So wie wir. Jetzt.
Allerdings sind wir nicht wegen der Straßen hier, sondern wegen der Wanderwege. Wegen dem, was an ihren Rändern im Frühling grünt und blüht. Zehn Teilnehmer zählt unsere Gruppe, die unter Anleitung des Veranstalters „The Happy Walker“ Kretas Wildblumen kennenlernen will: acht Belgierinnen aus Flandern und ein Franzose, der seit 20 Jahren in Amsterdam lebt und als Buchhalter für einen Damenunterwäschehersteller arbeitet. Eine Konstellation, die peinlichem Schweigen beim gemeinsamen Abendessen sehr effizient entgegenwirkt.
Am Dienstagmorgen also nehmen wir die Straße nach Karé. Stellen die Autos ab und beginnen zu laufen, entfernen uns vom grauen Asphalt über staubbraune Wege und vergessene Eselpfade, die Ineke mit beherzten Stockschlägen in der frühlingsdichten Vegetation freilegt.
Ohne die Holländerin hätte unter dem kniehohen Gestrüpp keiner von uns eine Route vermutet. Das Programm hatte lange Hosen nahe gelegt, doch die Damen aus Flandern haben sich fast ausnahmslos für die bräunungstauglichere Kurzvariante entschieden. Ein Fehler, wie es sich nach wenigen Kilometern zeigt.
Im Schatten uralter Olivenbäume und der ausladenden Äste kretischer Zypressen, die früher einmal die ganze Insel bedeckt haben sollen, wachsen zartlila Malven und knallgelber Sauerklee in saftigen Teppichen. Ein ums andere Mal weist Ineke auf Holländisch, Deutsch und Englisch darauf hin, dass jetzt nach einem milden Winter viele der Pflanzen um einige Wochen zu früh blühen. Sie sagt das mit einem entschuldigenden Unterton, als müsse sie die miserable Terminplanung eines guten Freundes rechtfertigen. Dabei hat erst die nächste Gruppe wirklich Pech, denn bis dahin, sagt Ineke, sei alles schon „verblütet“. Man könnte das höflich korrigieren. Aber es wäre zu schade um die reizende Zusatzendung.
Zäune und Tore parzellieren das endlose Grün auf den Ebenen, die Eigentum markieren und die Ziegen davon abhalten, als glockenschwingende Meute über jeden Acker herzufallen. Nachdem wir eine ganze Reihe von Toren geöffnet und hinter uns geschlossen haben, biegt der Weg ab und eröffnet ein Panorama, an dessen Horizont im diesigen Mittagslicht der 2456 Meter hohe Psilorítis, der höchste Gipfel des Ída-Gebirges, zu erkennen ist. Vom Schnee, der auf den Gipfeln liegt, hat die Sonne schon schon jetzt im April nur noch eine schmale, weiße Zunge übrig gelassen.“
Und wer wissen will, was die kretische Hochebene mit dem Meeresgrund zu tun hat, liest hier bei Merian weiter.
Radio Kreta kann das nur empfehlen. Besser noch: nachmachen!