Wer bist du, woher kommst du?
Ich bin der Harry Kucera aus Wien, ein Singer/Songwriter mit Liedern im österreichischen Dialekt. Einige meiner Songs haben mediterranen Touch und drehen sich um Griechenland.
Wann, warum und wie hast du Kreta für dich/Euch entdeckt?
Das muß so um 1988 herum gewesen sein, wir waren 20, da war ich mit meiner Frau, dem eigenen Auto und Fähren fünf Wochen von Insel zu Insel unterwegs. Kreta war irgendwie anders als die anderen Inseln, ich konnte damals die Unterschiede in der Mentalität und Sprache noch nicht so gut erkennen wie heute.
Was ist dir als Erstes positiv und negativ hier aufgefallen?
Positiv, die Wildheit und Ursprünglichkeit der Landschaft, aber auch der Menschen. Und, dass man überall und ständig auf einen Raki eingeladen wurde. Negativ war nur, dass wir nach ein paar Wochen wieder abreisen mussten.
Wie nimmst du die Menschen hier wahr?
Archaisch, stolz und sehr, sehr gastfreundlich. Wenn man kretische Volksmusik hört und die Leute dazu tanzen sieht, weiß man eigentlich schnell über die Menschen Bescheid, man spürt förmlich diese alte Kultur.
Deine Aktivitäten hier auf der Insel? Oder was sollte man gesehen haben?
Wir fahren meistens herum, besuchen liebe Freunde und bleiben selten wo länger als drei Tage. In den letzten Jahren hat sich die Akrotiri-Halbinsel als optimaler Start in den Urlaub erwiesen, wo sich ja auch der Flughafen Chania befindet. Man steigt aus dem Flugzeug aus, checkt einen Leihwagen, fährt 15 Minuten rüber nach Stavros – und befindet sich schon auf einem der schönsten Plätze Kretas. Zorbas, also Anthony Quinn, hat dort getanzt! Er wußte warum!
Was schätzt du am Meisten an der Insel?
Die Ursprünglichkeit. An vielen Orten scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, oder – noch viel mehr – abgeschafft worden zu sein. Man plaudert mit Einheimischen in einer Taverne und das Mittagessen geht nahtlos ins Abendessen über. Hier ist man noch neugierig und hört zu. Und die Leute überlegen, bevor sie sprechen. Manchmal muß man auf Antworten länger warten.
Dein Lieblingsstrand auf Kreta?
Da gibt’s viele, Stavros, Falasarna, die kleine Halbinsel bei Grammeno nahe Palaiochora. Den faszinierenden Palmenstrand von Vai habe ich mit Freunden im Monat Februar kennengelernt, er hat uns ganz alleine gehört. Habe aber gehört, dass es dort in der Hauptsaison vorbei ist mit Gemütlichkeit und Ruhe, die Leute liegen dann geschlichtet wie Sardinen. Am wohlsten fühlen wir uns auf kleinen, einsamen, unbekannten Stränden – die verraten wir ohnehin nicht! 😉
Welche ist deine Lieblingstaverne hier auf Kreta?
Psaropoula, ein großartiges Fischlokal in Koutsounari bei Ierapetra.
Welches ist dein griechisches Lieblingsgericht?
Lamm aus dem Holzkohlenofen und Tsipoura – Goldbrasse vom Grill! Und als Vorspeise Horta (blanchierte Wildkräuter), das ist gesund und gut für die Verdauung.
Wovon möchtest du, dass es sich auf Kreta niemals ändert?
Das Ursprüngliche, Wilde und die Kreter selbst. Große Hotelanlagen und Clubs mit internationaler Küche und Animation halte ich für kontraproduktiv. Ich möchte mir auch keine Großindustrie mit rauchenden, stinkenden Schloten vorstellen.
Und was sollte sich hier unbedingt ändern?
Ich glaube, im Bereich der Abfallvermeidung, der Müllbeseitigung und des Recyclings gäbe es Verbesserungsmöglichkeiten.
Was wünschst du dir für die Zukunft Griechenlands im Allgemeinen und für Kreta im Besonderen?
Selbstverständlich eine Verbesserung der Ökonomie, dass die Wirtschaft in Schwung kommt, dass investiert wird ohne dass das Land verkauft wird, dass es den Leuten bald wieder besser geht. Speziell in den größeren Städten ist die Armut an allen Ecken und Enden anzutreffen, die Jugendarbeitslosigkeit liegt landesweit bei ca. 45%, 400.000 besser ausgebildete Leute haben das Land verlassen. Griechenland braucht eine Art „Marshall-Plan“, das Kaputtsparen muß ein Ende haben, ein Schuldenschnitt ist unausweichlich. Man kann eine tote Kuh nicht melken, das wird auch die EU irgendwann verstehen.
Eine wichtige Branche ist und bleibt der Tourismus. Kreta sollte auch in der Zukunft auf das setzen, was es kann und nur ja keine Kanaren-, oder Balearen Tourismuskonzepte nachahmen. Also mit dem Kleinen, Persönlichen und Improvisierten punkten.
Ich war heuer im Frühling in Ligurien, da hat man in längst verlassenen Bergdörfern alte Häuser wieder soweit in Schuß gebracht, dass man sie an Touristen vermieten kann. Mit dem Erfolg, dass auch Einheimische wieder dorthin zogen, wo einst schon Großvater und Großmutter wohnten.
Es wäre wünschenswert, wenn auch auf Kreta die jungen Leute aus den großen Städten oder aus dem Ausland zu ihren Dörfern zurückkehren würden und sich selbst mit solchen Ideen eine neue Lebensgrundlage schaffen könnten.
Ich unterstütze die Hilfsorganisation „Griechische Welle Wien“ bei ihren Veranstaltungen für die Hilfe Griechenlands. Wir können hier und dort ein wenig Leid lindern, dringend benötigte Medikamente an Spitäler liefern, Öfen an Sozialzentren, und bei der jüngsten Brandkatastrophe das Waisenhaus Lyreio bei Mati direkt finanziell unterstützen. Ein Tropfen am heißen Stein, aber unsere Freunde im Südosten Europas sollen spüren, dass wir an sie denken und wir sie durch diese humanitäre Krise begleiten. Realistisch gesehen, wird diese leider noch lange anhalten.
Danke für das Interview, Harry. Und bis bald mal wieder auf Kreta.