Von Simon Spitzeder
Wenn Sie die schwermütige Atmosphäre eines Luxushotels lieben, dessen beste Tage vorbei sind, wenn Sie gesund genug sind ein Frühstücksbuffet zu würdigen, das selbst die robusten Mägen der Gäste aus foggy Albion wie ein wahrer Hammer trifft dann buchen Sie beim ungeschulten und lustlosen Bedienungspersonal Ihres Golfhotels eine Gruppenreise im „vollklimatisierten“ Reisebus zu den Klöstern Preveli und Toplou.
Das wohl einzige was Ihnen von diesem Ausflug in Erinnerung bleibt ist ein Kühlschrankmagnet, der auf der weißen Ware vor sich hinstaubt. Go where the action is! Je länger der Weg umso süßer der Kuss! Viele Wege führen nach Moni Koudoma – auf Spuren der Goldmedaillensiegerin Anna Ntountounaki wie ein Schmetterling von den drei Kirchen bis ins Kloster flattern oder auf Schusters Rappen vom Dorf der Kapitäne entlang der traumhaften Küste ins selige Örtchen. Noch bevor wir die Schuahbandl in die erste Öse unserer Wanderstiefel gefädelt haben, wird zum Dopinig beordert. „Γεια σας φιλοι και φιλες (Griaß eich die Madln, servas die Buam!) – time for Doping! Jorgos, Spitzname Kapitän lachendes Gesicht, beteuert uns im rudimentären Deutsch, dass sein Tropfen aus Maulwürfen Adler mache. Hüft’s nix, schodt’s nix denken wir uns und wandeln auf den Spuren von Abdel-Kader.
Gott sei Dank, weist der Pfad nur in eine Richtung 😉 Der Duft kalabrischer Kiefern weht uns um die Nase und ein jeder von uns ist plötzlich in der Lage metaphorisch die Etymologie des höchsten Berges (Κόφινα – coffin) zu deuten. Ist es der rassige Rote oder die traumhafte Landschaft, die unsere Phantasie beflügelt? Den Blick nach links schweifend grüßen die steilen und schroffen Hänge des südlichsten Gebirges Griechenlands, die Augen nach rechts wandernd lächelt uns das lybische Meer in tausenden Farben und tausenden Gesichtern entgegen. Kurze Rast am Marmorkreuz wo sich der beeindruckende Blick auf das Kloster Koudoma auftut. Es tut gut, Gottes freundlichen Gruß zu spüren.
Vom hellen Türkis schrauben wir uns knappe 1600 Höhenmeter in die immergrüne Nida Hochebene hinauf. Kurzer Boxenstop à la Crete mit frischem Bougatsa und Kafes Frape in Anogia bevor wir uns von dem menschenleeren Plateau in Bann ziehen lassen. Entschleunigung deluxe, sobald man den ehemaligen schnuckeligen Milchhof hinter sich gelassen hat, sind die Gedanken frei. Die vollkommene Ruhe und Abgeschiedenheit nimmt Einen sofort in Besitz. Hmmm, denke ich an Andartis, denke ich zwangsläufig an den Soldaten der Luftlandeschule im oberbayrischen Altenstadt, der Besuchern am Tag der offenen Tür mit stolzgeschwellter Brust von den Einsätzen der Fallschirmjäger auf Kreta berichtete.
Frau Annegret Kramp-Karrenbauer, im Verteidigungshaushalt sollten doch ein paar Euronen für eine Aufklärungsreise ihrer Feldwebel drin sein, oder? Stets erinnern, niemals vergessen. Lippenbekenntnisse und Denkmäler waren der Künstlerin Karina Raeck nicht genug. Die Berlinerin erschuf östlich vom höchsten Berg Kretas ein Monument für den Frieden. Aus 5000 Natursteinen entstand ein beflügelter Partisan.
Vienna calling? Nun, in den gängigen Portalen wird oft darüber berichtet, dass es in Palaiochora von Ösis nur so wimmelt. Wir streichen ein N und lassen nicht nur die Bewohner der Alpenrepublik sondern auch unsere restlichen Mitmenschen hinter uns. Auf zum Vienna Beach! Eine Kolonie von Geiern leistet uns bei der kurzen aber traumhaften Wanderung entlang des Europäischen Fernwanderweges Gesellschaft, welch Naturschauspiel! Vienna ist ein Schlaraffenland, ein Paradies – das nach einem Erdbeben rund 9000 Jahre vor Platons Zeit „während eines schlimmen Tages und einer schlimmen Nacht“ vom Wasser verschluckt worden sei. Bei versunkenen Städten kommt den Barfußhistorikern wohl zuerst Olous in den Sinn.
Bei sanftem Wellengang kann man nicht nur unweit von Agios Nikolaos sondern auch in Mochlos, im Nordosten der Insel, Ruinen und unter Wasser gelegene einstige Verbindungen erkennen. Ich schweife ab…. Es geht, Luftlinie gute 200 Kilometer, zurück in den Südzipfel des riesigen Eilands. Touristen von der iberischen Halbinsel können bei einem Besuch der hellenistisch-römischen Stätte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – Städtetrip in die österreichische Hauptstadt und Exkursion eines faszinierenden heiligen Ortes. Bevor wir es den Seefahrern von einst gleichmachen und einen Toast auf die Gottheiten aussprechen, zwängen wir uns in die Schwimmflossen und stülpen die Taucherbrillen über. Keine zwei lang gewachsenen Matrosen tiefer offenbart das Seebad antike Steingräber, in denen sich unzählige Schwärme von Fischen unterschiedlichster Farbenpracht pudelwohl fühlen.
Wir wechseln das Schuhwerk und begeben uns zurück zur Kirche des Propheten Ilias, schließlich steigt dort heute eine Panigyria. Nach wenigen Höhenmetern blicken wir zurück in die verlorene Stadt, deutlich ist der rechteckige Grundriss zu erkennen. Es lässt sich leicht ausmalen, dass die Navigatoren des Meeres im geschützten Fjord ihre Anker auswarfen. Die Melodie des wilden und freien Geistes schleicht sich in unseren Gehörgang. Fidelgott Antonis Stefanakis akkompagniert den Untergang des strahlend orange leuchtenden Planeten auf seiner selbstgebauten dreisaitig gebogenen Lyra. Prophet Ilias zu Ehren, versteht sich von selbst.
Der Instrumentenbauer aus Zaros merkt an, dass es ein bisschen auf die Lyra ankommt, viel mehr jedoch auf den, der den Bogen führt. Wir wollen nun den Bogen zu einem Naturphänomen spannen – das „Gold der Narren lockt“. Nein, es muss hierzu weder ein Flug in die Zentraltürkei gebucht werden, noch bedarf es einer Fahrt über den Brenner. Ins kretische Kappadokien, respektive Terenten gelangt man ganz simpel über eine Stichstraße. Ob die mehrere Millionen Jahre alten Tonpyramiden das Motto des Staates Kalifornien verinnerlicht haben? Im Golden State hat es sich nach dem großen Rush herumgesprochen, dass das Glück in der Ferne liegt. Mit den Duck Pants von Löb Strauss im Gepäck zog es die Goldsucher in die große weite Welt, unter anderem nach Kreta.
Der Freudenschrei Eureka kam wohl eher gedämpft und gefrustet über die Lippen, als die Schürfer feststellen, dass man rund um die Komolithifelsen lediglich Pyrit, fool´s gold, finden konnte.
Im Etui einen Krümel Katzengold setzen wir unsere Reise auf die Halbinsel Akrotiri fort. Der kleine Sanguiniker Vasili, den wir am Vortag bei einem Plausch an den Venizelos Gräbern kennengelernt haben, hält sein Versprechen. Am späten Nachmittag angelt er am Steg von Stavros drei prächtige Rotbarben. Bevor wir am nächsten Tag in den Süden aufbrechen, lassen wir den wunderbaren Abend mit typischer kretischer Hausmannskost ausklingen. Kreta murmelte ich und mein Herz schlug schneller. Von der Sonne geküsst einigen wir uns auf ein späteres Gabelfrühstück und setzen unmittelbar nach dem überwältigenden Sonnenaufgang unsere Reise fort nach Chora Sfakion.
Die Schönheit des Ortes hat sich mittlerweile auch bei der Deutschen Gesellschaft für Ton und Bild rumgesprochen. Im verschlafenen schmucken kleinen Nest wird derzeit eine Schnulze fürs Hauptabendprogramm der ARD produziert. Mit frischem Bougatsa und Frappé gestärkt, cruisen wir auf der spektakulären Serpentinenstraße nach Anopolis. 19 Haarnadelkurven später finden wir uns im Geburtsort des größten Kreters aller Zeiten ein. Noch bevor wir an der weißen Marmorbüste unsere Kameras zücken werden wir zu frisch aufgebrühtem Ellinikó geladen. Was folgt ist eine ergreifende und interessante Geschichtsstunde im Freien. Schnell wird klar, warum nach dem Volksheld nicht nur der Flughafen in Chania sondern auch die Autofähre und unzählige Straßen benannt sind. Sei es die Portela, die Sarakinas oder die Cha Schlucht, alle haben ihren eigenen unwiderstehlichen Charakter. Am schönsten sind jedoch jene Klammen, die direkt am lybischen Meer enden.
Über Stock, Stein, Leiter und einigen kurzen Abseilpassagen grüßt nach knappen 2 Stunden die Marmara Bucht – Kreta wie im Bilderbuch!
Nicht nur die Wanderung, aber auch den Bungeesprung von der hölzernen Brücke überstanden, möchten wir uns im idyllischen Agios Nikitas bei „dem da drobn“ bedanken. Von der Stadt des Sonnengottes Ra (Tsoutsouras) geht es mit dem Fischer Jorgos in eines der abgelegensten Klöster der Insel. Nun wird´s kulinarisch. Welchen Käse bevorzugt Ihr auf Eurem „Lieblings-Griechen“? Graviera, Myzithra oder den klassischen Feta? Filaki (Küsschen) an alle Schafe und Ziegen! Ihr sorgt für das Käsehäubchen auf dem allzeit beliebten Choriatiki. A land of milk and honey! Die berühmte Hochebene von Omalos in den weißen Bergen hat eine kleine, nicht zu verachtende Schwester unweit von Ano Viannos. Im Wildreservat Amiron sorgen die 11 Stavrakis Brüder für Milch- und Honigprodukte, die nur einen Geschmack kennen – Natur pur!
Eine Wanderung durch das einsame Katharo Plateau trägt zur Reduktion negativer Emotionen bei. 15 Zeigerumdrehungen genügen um Ärger und Wut loszuwerden. Wir wechseln nur den Ort aber nicht die Farbe. Im grünen Garten von Papaderos lernen wir, dass uns der Olivenbaum nicht nur feinste Früchte liefert sondern auch als vorzügliches Versteck taugt. Aller guten Dinge sind drei. Von den drei Kirchen geht es über den Süßwasserstrand in die Perle des Südens. Andere Länder, andere Sitten. In den DACH Staaten setzt man seinen Friedrich Wilhelm bei jener Versicherung, die sich als Fels in der Brandung sieht, auf Kreta baut man sein Haus an der Brandung.
Das günstigste airbnb erwartet den Reisenden im versunkenen Städtchen Sfendili. Hat der Potamon Stausee vor seinem Bau noch für heftige Proteste gesorgt, kann man heutzutage rund um den Damm bewundern, wie sich die Natur zurückerobert hat. Etwas praktisches Griechisch gefällig? Ab nach Avdou! Liebevoll gestaltete Holztaferln zeigen die Zunfthandwerker, die einst in den Gemäuern ihrer Arbeit nachgingen. In Lastros heißt es Rückspiegel einklappen, es geht durch die schmalste mit dem Auto befahrbare Straße Kretas. Für Fahrer eines SUV wird´s tricky. Um Ärger mit dem Hausbewohnern zu umgehen, empfiehlt es sich einen Kübel und einen Schwung Pinsel in den Kofferraum zu packen. Die Lichtzeigenanlage funktioniert, im Vergleich zu vielen griechischen Großstädten einwandfrei und das Schönste ist, dass man in die Rolle des Verkehrspolizisten schlüpfen darf.
Gibt man in der bekannten Suchmaschine die Stichworte „Strand Kreta“ ein folgen binnen weniger als einer Sekunde fast 13 Millionen Vorschläge. Das Kreta nicht nur aus Stränden, sondern aus Bergen im Meer und pittoresken Süßwasserseen besteht, möchte ich Euch am Ende des Videos zeigen. Vom heiligen See fliegen wir weiter nach Kournas. Aus der Vogelperspektive beeindruckend zu sehen, wie das endlose Meer parallel zum See verläuft. Ich verabschiede mich mit dem Wahrzeichen von Agios Nikolaos und möchte mit meinem letzten Clip ein kleines Geheimnis für mich bewahren.
Sehnsucht.
Danke für den schönen Bericht.
Die meisten Orte sind wirklich so bezaubernd, und noch viel mehr.
Hoffe, im Oktober klappt es mit der Kreta Reise.
Bis dahin, yassas