Geschichte(n) von Kreta: Kretische Süßigkeiten früher und heute.

Süßigkeiten, die im nord- bzw. mitteleuropäischen „Fastenkonzept“ ja eher „Streichposten“ sind, soll heißen, vom Speiseplan verbannt werden, sind integraler Bestandteil des griechisch-orthodoxen Fastens, weswegen wir uns aus gegebenem aktuellen Anlass (Fastenzeit!) einmal näher mit diesen Leckereien beschäftigt haben.

Grundlage für unsere Recherchen bildet ausnahmsweise mal nicht dieses „Internetz“, sondern ein ganz normales, allerdings sehr wundervolles Kochbuch (jaaaa! ein richtiges Buch zum „händischen“ Umblättern, mit richtigen Seiten zum Anfassen!), das uns die liebe Katinka dankenswerterweise zum Schmökern überlassen hat.

Abgesehen von ganz wunderbaren Rezepten für alle Jahreszeiten, Lebenslagen und Vorratskammer-, Kühlschrank- und Gartenbestände, gibt dieses Buch auch noch Einblick in Herkunft und Geschichte der jeweiligen Speisen. Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich!

Hier nun ein Auszug aus eben diesem Buch – wie gesagt zum Thema „Süßigkeiten“:

Kleiner, kretischer Kringelverkäufer

Schon seit dem Altertum sind in allen Gegenden Griechenlands die „Plakountes“, die eigentümliche, mit Mehl zubereitete Süßware von Kreta berühmt. Die „Plakountes“ aus vergangener Zeit wurden a uf besondere Art und Weise je nach den Zutaten, der Form und Erscheinung zubereitete.

Damit sie von der Erscheinung her reizender aussehen, erfanden die Menschen im Altertum, die diese Süßwaren zubereiteten, speziell geometrische oder auch kompliziertere Formen, in denen sie den Teig füllten und der Teig seine endliche Form annehmen sollte.

Im Schlaraffenland – Wo Milch und Honig fließt

Berühmt waren die „Flepsia“, die mit Mehl, Honig, Milch, und die „Itria“, die aus gekochtem Weizen (oder Sesam mit Honig) zubereitet wurden, die danachfolgenden „Melipikta“ (spezielle Mischung mit Honig), sowie auch die „Sisamides“ des Altertums, die dem heutigen „Pastelli“ (eine Süßigkeit aus Sesam und Honig) ähneln.

Die „Tiganies“ oder „Tiganites“ des Altertums waren nichts anderes als die heutigen, in Kreta berühmten „Tiganites“ (oder „Tiganitous“), die mit Mehl zubereitet, in heißem Olivenöl gebraten und mit Honig oder gekochtem Most übergossen werden. Schon in den alten Zeiten stützten sich die Süßwaren Kretas auf dieselbe „Logik“, wie die Gelehrten damals behaupteten. De Süßwaren der Minoer wurden mit reichlich Honig, Sesam und Safran bestreut. Berühmt war in den alten Zeiten auch der „Glikinas“ der Kreter. Er wurde mit süßem Wein und Öl zubereitet, wie uns Athinaeus berichtet (Deipnos, XIV, 53, 645D).

Das „Gastrin“ war eine weitere Süßspeise des kretischen Altertums. Es wurde mit Mandeln, Mohn und Honig zubereitet. Über und unter dieser Füllung wurde ein Blätterteig aus gemahlenem Sesam gelegt (Depnos, XIV, 57, 647-648F). Es erinnert uns ein wenig an den heutigen „Baklava“, obwohl ein begründeter Verdacht besteht, dass die entfernten Nachfahren der Süßspeise „Gastrin“ die heutige „Patouda“ von Ostkreta ist.

Während der Zeit der Venezianischen Herrschaft schien das „Pastelli“, der „Pastillos“ der Byzantiner, die bekannteste Süßspeise gewesen zu sein. Das damalige „Pastelli“ ist jedoch nicht mit dem heutigen „Pastelli“, das mit Honig und Sesam zubereitet wird, zu vergleichen. Es ist möglich, dass die Byzantiner und die Kreter des Mittelalters eine Süßspeise, die wie die heutige „Moustalevria“ aus Most und Mehl zubereitet wurde, „Pastelli“ nannten.

Die in der Sonne getrocknete „Moustalevria“ ist überdies auch heute noch auf Kreta eines der bekanntesten Süßspeisen. In Ostkreta nennt man die getrocknete und in dreieckige oder viereckige Stücke geschnittene Moustalevria „Kiofeti“ (dieser Name ist im Nominativ Plural bekannter: die „Kofteria“). Der Name „Pastelli“ wird auf Kreta nicht für die bekannte Honig- und Sesammasse verwendet, sondern deutet auf die in der Sonne getrockneten Feigen hin.

Die bekannteste Süßspeise, die aus Sesam hergestellt wird, kannte man aus der byzantinischen Zeit als „Sisamaton“ oder „Sisamitis“.

Kreta köstlich

Auch später verblieben der Honig und der gekochte Most die Grundlage der kretischen „Zuckerbäckerei“. Und auch die übrigen Zutaten stammten aus der lokalen Produktion (Mehl, Sesam, Walnüsse, Mandeln, aber auch Produkte der Käsewirtschaft, insbesondere die Misithra. Viele der alten Rezepte der kretischen Zuckerbäckerei dauerten auf Kreta fort, und wurden bis zum heutigen Tage differenziert und an die lokalen Besonderheiten und Bedürfnisse angeglichen verwahrt.

Tolles Video von Simon Spitzeder.

Die Süßspeisen, die Misithra als grundlegende Zutat haben, sind nicht neu. Auch diese haben tiefe Wurzeln, aber es bestehen keine Quellen, die und möglicherweise enthüllen, ob die Hausfrauen des Mittelalters und die des 20. Jahrhundert dieselben Zutaten in der gleichen Menge verwendeten. Die „tetiromeni plakountes“, die Artemidoros (Oneirokr. 1, 72) erwähnt, mßssen so ähnlich wie die heutigen süßen Kallitsounia Kretas gewesen sein.

„Glyka tou Koutaliou“ – „Löffelsüßigkeiten“ – mit Raki

In den Rezeptbüchern des 19. Jahrhunderts, die bis zum heutigen Tag aufbewahrt wurden, sehen wir, dass zu dieser Zeit der Einfluß der kretischen Zuckerbäckerei durch das Vorbild aus dem Westen begann. Dies galt jedoch nur für die großstädtischen Familien, die jedoch die traditionelle Zuckerbäckerei gut kannten. Es handelt sich um die Zeit, als die Rezepte der in Sirup eingelegten Süßspeisen (gliko tou kotaliou – γλυκό του κουταλιού) sehr gefragt waren.

Aus den alten Rezeptbüchern kann man erkennen, daß man sich bemühte, die lokalen Früchte zu nutzen, die auch heute weitgehend in der Zuckerbäckerei verwendet werden. Die Kirsche, die Quitte, die Weintraube, die Birne, sind typische Früchte, die für die Zubereitung der in Sirup eingelegten Süßspeisen verwendet werden.

Radio Kreta wünscht eine leckere, süße Fastenzeit!

Bild- und Text-Quelle: „Die kretische Kochkunst – Das Wunder der kretischen Ernährung“ von Maria & Nikos Psilakis. „Unser“ Exemplar ist leicht angegilbt, hat die ISBN 960-7448-09-X, das Erscheinungsjahr ist nicht angegeben, wir schätzen auf Mitte der 1990-er Jahre. Wundervolle Lektüre!


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