Heute geht es mal wieder in den Osten der Insel – und zwar auf die Lassithi Hochebene, die sicher jedem von Postkarten-Motiven einer platten, grünen, von Bergmassiven umgebenen, fast kreisrunden Hochebene mit segeltuchbespannten Windmühlen zumindest optisch bekannt ist, gleichen sie doch einer wunderschönen, blühenden Margaritenwiese.
Besagte Lassithi-Hochebene liegt auf etwa 850 m ü.NN. und ist die einzige ganzjährig bewohnte Hochebene Kretas. Der Anblick der von bis zu 2.000 m hohen Bergen gerahmten Senke bezaubert auch dann, wenn nur wenige Windräder der Wasserpumpen ihre Dreieckssegel entfaltet haben. Leider gibt es tatsächlich kaum noch Windmühlen, die in Betrieb sind, die meisten stehen mit skelettierten Mühlenflügeln oder zerfetzter Segeltuchbespannung nutzlos bzw. ungenutzt in der Gegend herum.
Im Frühjahr ist hier allerdings auch keine Bewässerung nötig, den das 8-10 km lange und 5-6 km breite Becken fängt zuvor die Winterregen auf und verwandelt sich in eine Sumpflandschaft; einen Abfluss besitzt die Senke lediglich bei Kato Metochi. Sinkt der Grundwasserspiegel in den Sommermonaten, so übernehmen Jahr für Jahr mehr Motorpumpen anstelle der Windräder die Arbeit des Wasserpumpens, da sie genau nach Bedarf ein- und ausgeschaltet werden können.
Auf der fruchtbaren, einst von den Bergen herabgeschwemmten Erde, wachsen Apfel- und Birnbäume, Kartoffeln, Getreide und die verschiedensten Gemüsesorten.
Von Norden kommend gewährt der 900m hohe Seli-Ambelou-Pass den ersten Blick auf die grüne Ebene. Auf der Passhöhe stehen die Ruinen alter Getreidemühlen in langer Reihe – da auf den Nordwestwind schon immer Verlass war, konnten die Kreter ihre Windmühlen auf die einfachste Art – ganz ohne Drehvorrichtung – bauen. Diese Windmühlen waren bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Betrieb, mit etwas Glück kann man sogar die eine oder andere restaurierte Mühle besichtigen. Von der Passhöhe aus hat man nach Norden einen Blick auf´s kretische Meer, im Süden wird die Ebene vom Dikti-Massiv überragt.
Etwas Historie
Die Spuren der Besiedlung der Lassithi-Ebene reichen bis in neolithische und minoische Zeit zurück. Zu Beginn der dorischen Invasion zogen sich Minoer, die sog. Eteokreter (die „echten“ Kreter) in eine Siedlung am Berg Karfi zurück.
Zur Zeit der Venezianer, in der 14 große Aufstände das Land erschütterten, wurde die Lassithi-Hochebene im Jahr 1263 zum Sperrgebiet erklärt. Das bedeutete, dass niemand hier wohnen oder gar Felder bewirtschaften durfte. Erst 1463, als dringend neue Getreideanbaugebiete benötigt wurden, ließen die Venezianer die Hochebene mit einem schachbrettartigen Kanalisationssystem entwässern und verpachteten das Land an Kreter (Frechheit, das!!!).
In der türkischen Besatzungszeit organisierte sich in der abgelegenen Hochebene mehrfach der Widerstand, bis nach dem großen Aufstand von 1866 der osmanische Heerführer Omar Pascha mit fast 40.000 Mann die Dörfer niederbrannte – da war´s dann erst mal vorbei mit dem Widerstand…..
Ein kleiner Rundgang
Heute führt eine Ringstraße um die Hochebene herum und berührt die 21 Dörfer, die sich – um das kostbare Fruchtland zu schonen – auf den Berghängen am Rand der Ebene angesiedelt haben. Hauptort ist Tzermiado, von wo am Dorfende links ein Pfad zur Kronos- oder Trapeza-Höhle führt. Sie wurde im Neolithikum als Wohngrotte, später als Grabstätte und seit ca. 2.000 v.Chr. als Kultort genutzt.
Über weitere Dörfer kommt man nach Agios Georgios, das als einziger Ort noch ein (restauriertes) typisches Haus der Hochebene aus der Zeit um 1800 besitzt. Es ist heute ein Volkskundemuseum (Laografico Mouseio).
Das traditionelle Bauernhaus besitzt aus Sicherheitsgründen – es drohten ja immer mal wieder Türkenüberfälle – keine Fenster, sondern wurde nur durch Dachluken belichtet und belüftet. Entsprechend schwarz ist die Decke des Hauptraums, in dem der Herd steht. In diesem Zimmer lebte, arbeitete (meist am Webstuhl) und schlief die Familie – unter dem Bett befindet sich übrigens die Weinpresse….. Die beiden Nebenräume dienten als Stall und als Vorratskammer, im modernen Anbau sind Handarbeiten und Fotos sowie Bilder naiver Malerei ausgestellt.
Die Anfahrt
Von Heraklion auf der Nationalstraße 90/E75 bis zur gut ausgeschilderten Abzweigung bei km 23. Eine zweite Zufahrt zweigt erst bei km 30 kurz vor Chersonissos von besagter Nationalstraße ab, führt über Mochos und Avdou und trifft beim Kloster Kera Kardiotissa die erste Straße. Schließlich und endlich kann man die Hochebene aber auch prima von Agios Nikolaos aus über Neapoli und den ca. 1.100 m hoch gelegenen Pass „Patera ta Selia“ erreichen.
Auch interessant: Ostkreta – Land in Licht und Meer.