Buchtipp: „Grieche sucht Griechin“

Heute stellen wir Euch mal ein Büchlein vor, dessen wir beim Durchstöbern der Kartons literarischen Inhalts der Teilzeit-Nachbarin Mona vom Berg nebenan fündig wurden.

„Unser“ Exemplar ist aus dem Jahre 1974 (Erstausgabe war aber bereits 1957), hat den Titel „Grieche sucht Griechin“ und wurde von keinem anderen als dem großen Friedrich Dürrenmatt geschrieben. Der Untertitel dieses kleinen Romans lautet „Eine Prosakomödie“. Dabei ist es eine absolut bissige Gesellschaftssatire!

Eine kurze Inhaltsbeschreibung:

Grotesk – grotesker – Dürrenmatt…

Der fast-noch-Grieche Arnolph Archilochos ist ein armes Würstchen. Mitte vierzig, ewiger Single, Unter-Unterbuchhalter in der Unterabteilung „Geburtszangen“ (Personalnummer UB 122GZ31) eines Unternehmens, das auch Atomwaffen und Maschinengewehre herstellt. Dort ist er zuständig für die Unter-Unterbuchhaltung des Geburtszangen-Vertriebes des schweizer Kantons Appenzell-Innerrhoden und Tirol.

Er hatte noch nie Sex, trinkt keinen Alkohol (sondern entweder Milch oder Perrier), isst vegetarisch, ist gläubiger Anhänger der Kirche der „Altneupresbyterianer der vorletzten Christen“ (keinesfalls zu verwechseln mit den „Altpresbyterianern der vorletzten Christen“!!!) und hat seine „sittliche Weltordnung“ von Platz 1-8 an dubiosen Personen des öffentlichen Lebens verankert (Platz 1: der Staatspräsident, Platz 2: der Bischof o.g. kirchlichen Vereinigung, Platz 3: Petit-Paysan, der Besitzer der o.g. Atomwaffen- und Geburtszangenfabrik, ergo sein Arbeitgeber – u.s.w…).

Arnolph lebt in einer heruntergekommenen kleinen Mansardenwohnung zum Hinterhof einer abscheulichen Mietskaserne, trägt zu kurze Hosen, löcherige Socken, ausgetretene Schuhe und verschlissene Jacketts (zu besonderen Anlässen bemüht er seinen Konfirmationsanzug….) und unterstützt mit seinem spärlichen Einkommen auch noch seinen Bruder (bis dato 8. und somit letzter Platz seiner sittlichen Weltordnung) und dessen verkommene Großfamilie.

Aber eines Tages beschließt Achilochos zu heiraten, und gibt eine Heiratsanzeige in der Zeitung auf – Überschrift: „Grieche sucht Griechin“. Daraufhin meldet sich die Griechin Chloé Saloniki bei ihm – auf den ersten Blick seine absolute Traumfrau. Beide werden sich sofort einig, dass schnellstmöglich geheiratet werden soll.
Der Haken: Chloé ist eine stadtbekannte Edelnutte. Alle wissen es – nur nicht Archilochos, der sie für ein Dienstmädchen im Hause des Ehepaares Weeman hält – ihreszeichens englische Archäologen, die erfolgreich in Griechenland Ausgrabungen gemacht haben.

Durch Chloés Kontakte nimmt Archilochos´ berufliche und gesellschaftliche Karriere ohne jegliches weiteres Zutun seinerseits eine groteske und rasante Entwicklung – er fühlt sich wie im Traum, denn noch immer ahnt er nichts vom Vorleben seiner Verlobten. Bis zur Hochzeit….

Mit herrlich schwarzem und trockenem Schreibstil erzählt Dürrenmatt hier den moralischen Verfall des urspünglich so tugendhaften Möchtegern-Griechen Arnolph Archilochos. Für einige Sätze braucht der Autor defintiv einen Waffenschein. Treffender könnte er die marode Gesellschaft und ihre Trugbilder gar nicht beschreiben. Jede gelesene Zeile macht klar, dass Friedrich Dürrenmatt nicht umsonst der bösartige Meister der Komödie war!

Wir haben uns jedenfalls köstlich amüsiert und können dieses Büchlein nur weiterempfehlen – definitiv eine Lektüre der anderen Art!

Radio Kreta – immer gute Buchtipps.



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Ein Kommentar

  1. Dieses Büchlein gehört zu den 3 literarischen Werken, die ich auf eine einsame Insel mitnehmen würde. Es ist einmalig, nicht zuletzt auch die Nebenfiguren: Petit Paysan alias Charles Reignier, der gar nicht weiß, daß sein Betrieb auch Geburtszangen herstellt, der Künstler Passap, der immer dreieckige Vierecke malt, der Revolutionär Fahrcks, der sogar in der Kirche mit seinen Genossen links Platz nimmt, Arnolph, der frühere Radfahrer, der noch das gelbe Trikot trägt, das er bei der Tour einen Tag lang getragen hat, Mr und Mrs Weeman, die nichts kapieren und immer nur „Well“ oder „yes“ antworten
    Die beiden anderen Bücher? Thomas Mann: Joseph und seine Brüder und Ovid: Metamorphosen

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