Die Geschichte Palechoras: die Nachkriegszeit.

Gute Quelle: Das Buch „Paleochora (Ein Rückblick in die Vergangenheit)“, von Nikolaos Pyrovolakis.

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Heute mal wieder ein mehr oder weniger historischer Beitrag – diesmal aus der Nachkriegszeit im Südwesten Kretas. Dies ist eine sicherlich recht detailreiche Zusammenfassung – einige der angesprochenen Themen haben wir auch schon vorher einmal behandelt – die entsprechenden Links findet Ihr entweder im Text oder am Ende des Vorliegenden.Quelle ist auch diesmal, unter anderem, das Buch „Paleochora – Ein Rückblick in die Vergangenheit“

Nach dem 2. Weltkrieg fand Paleochora langsam seinen Rhythmus wieder – allerdings vergingen ungefähr drei Jahrzehnte von 1945-1975, bis der Ruhm der Vorkriegszeit wieder erlangt wurde. Aber die Liebe der Paleochora-Bewohner zu ihrem Ort und die jahrelangen Anstrengungen – alleine, aber auch oft in Gruppen – führten dazu, dass die Schäden und Zerstörungen, die die deutsche Besatzung angerichtet hatte, behoben werden konnten.

Welcher alte „Paleochorite“ wird je das Läuten der Dorfglocke vergessen, mit dem die damaligen Gemeindevorsteher zum persönlichen Arbeitseinsatz aufriefen? Alle zusammen, jung und alt, stark und schwach, Männer und Frauen, waren gern und großzügig bereit, zu arbeiten. Diese vereinte Anstrengung schaffte Vieles und Wesentliches. Anfang der fünfziger Jahre wurde erstmals ein Wasserkraftwerk für die Stromversorgung gebaut, das der örtlichen Selbstverwaltung unterstand. Eine entsprechende Anstrengung wurde von den Bewohnern Paleochora´s zum Bau des kirchlichen Internates unternommen, das viele Jahre dem Gymnasium Hilfe und Unterstützung bot.

So begann sich die Lage langsam aber stetig zu verbessern und der aufsteigende Kurs Paleochoras wurde endlich sichtbar. Die jungen Leute hörten auf, in die Fremde zu ziehen, Arbeit war in Aussicht und die Volkszählungen waren von Mal zu Mal ermutigender. Die durchschnittliche Bevölkerungszahl in diesen harten Jahrzehnten (1945-75) betrug 950 Einwohner. In den beiden folgenden Jahrzehnten verzeichnete es einen Anstieg von 90% und mehr. Zum Anstieg der Bevölkerung aber auch zur wirtschaftlichen Verbesserung des Dorfes trug in den letzten Jahren viel die Nutzung des Anbaugebietes von Koundouras bei.

Tomaten, Gurken und Meer

Ein Gebiet, das wegen seiner großen Sonneneinstrahlung bis dahin fast ungenutzt geblieben war, aber ideal war für den Anbau von überdachten Gartengewächshäusern, wie Tomaten, Gurken, Paprika und Zucchini u.ä.. Seit 1969 wurde diese Gegend langsam besiedelt und 1974 kam es zur Flurbereinigung. Seit damals sind die Treibhäuser in das Leben der Bauern getreten. In ihnen ziehen sie vor allem Tomaten und Gurken – in kleineren Mengen auch Paprika und Zucchini (manchmal sogar Haschisch). Einige 100 ha werden heute kultiviert und es besteht die Möglichkeit der Flächenausdehnung der Spezialisierung auf andere Pflanzen. So bot sich für sehr viele Familien der Gemeinde Pelekano die Gelegenheit, Beschäftigung und Arbeit auf diesem Gebiet zu finden. Eine eigene Siedlung wurde gegründet, die auch der Sitz der Gemeinde Pelekano ist.

Die wesentlichen und notwendigen Straßenbauarbeiten dieser Siedlung sind vollständig abgeschlossen (naja – von den vielen Schlaglöchern mal abgesehen….!) und der Ort war zu neuen Aktivitäten auf verschiedenen Entwicklungssektoren bereit, zum Beispiel für den Tourismus. Der Tourismus ist heutzutage eine wichtige, wenn nicht DIE wichtigste Einkommensquelle in Griechenland, erstreckte sich aber zu Anfang hauptsächlich auf Gebiete archäologischen Interesses, wie Athen, Delphi, Mykene, Knossos etc. Mit der Zeit erfasste die touristische Entwicklung allerdings auch andere Teile des Landes, wie die viele Küstenstreifen Attikas, die ägäischen und ionischen Inseln, die Kykladen und – last but not least – auch Kreta.

Der Beginn des Tourismus

Die idyllische Landschaft, die Paleochora umgibt, die idealen klimatischen Bedingungen (Paleochora ist einer der wärmsten Orte ganz Griechenlands!), die schönen und damals noch fast unberührten Strände und malerischen Küsten, konnten sich natürlich vor den jährlich immer mehr werdenden Besuchern nicht retten. Der Tourismus in Paleochora begann ab 1965 – erst ganz langsam, dann allerdings immer „heftiger“. Die ersten Touristen waren Europäer – meist deutscher Herkunft: ruhige, freundliche und fröhliche Menschen aus der Mittelklasse, die hier ihren individuellen Urlaub verbrachten.

Diese Besucher – oft mit Rucksäcken und, zumindest die Männer, mit Bärten, wurden von den Einheimischen mit großer Freundlichkeit aufgenommen – sie waren oft diejenigen, die freistehende Zimmer bei kretischen Familien zu den ersten „Touristenunterkünften“ umwandelten. Die Hauseigentümer brachten ihnen eine große Herzlichkeit sowie die sprichwörtliche Gastfreundschaft entgegen und betrachteten die Neuankömmlinge als gute Gäste. Man saß, aß und trank am selben Tisch, unterhielt sich (gerne auch mit Händen und Füßen), tauschte Meinungen aus und bekam als „Xenos“ – als Fremder und Gast – einen tiefen Einblick in ebendiese kretische Gastfreundschaft. Inclusive der Einblicke in die in guter Gesellschaft geleerten Wein- und Tsikoudia-Flaschen und -Gläser!

PB Tourismus
Die Rucksacktouristen kommen.

Es gab damals auch durchaus ein Hotel im Dorf – das erste (und/weil einzige am Platze!) – das „Libykon“, das heute, im Jahre des Herrn 2017 das Rathaus und die „KEP“ beheimatet. Damals war dieses Hotel „Libykon“ vor allem denjenigen zugänglich, die ein bisschen mehr Geld als die Rucksacktouristen der damaligen westeuropäischen Mittelschicht zur Verfügung hatten. Allen gemeinsam war, dass sie meist ihre Tage an den schönen Stränden der Gegend verbrachten, das warme, saubere Meer und den heißen Sand zum „relaxen“ und „chillen“ (das hieß damals aber alles bestimmt noch anders!) nutzen und abends ihren „Sundowner“ – den Sonnenuntergangsdrink – und das Abendessen in den einheimischen Cafés und Tavernen des Dorfes genossen.

Die Besitzer dieser Etablissements waren meist einfache Menschen ohne jegliche wirtschaftliche, finanzpolitische oder touristische Ausbildung. Luxus gab es keinen – aber jeder Tourist bekam alles, was er wollte. Ehrensache – egal wie und woher! Und das ist eines der Dinge, die sich – Gott oder Zeus, Dionysos oder wem auch immer sei Dank – hier nie geändert haben!!! Zwischen den ortsansässigen Kretern und den neuankommenden Touristen entstand nach und nach oft das, was wir (wie die Kreter!) eine „kali parea“ nennen – eine schöne, gute, lustige und (zumindest vordergründig) sorglose Gesellschaft, die jeder auf seine Weise genießt. Viele Feste wurden gemeinsam gefeiert, man begann, sich gegenseitig nicht nur zu schätzen (was nicht selten auch irgendwie mit einem monetären Vorteil auf beiden Seiten zu tun hatte….), sondern auch wirklich und echt in´s Herz zu schließen.

Die ersten Touristen kamen im nächsten Jahr meist nicht nur selbst wieder, sondern brachten auch Verwandte und/oder Freunde mit – diese im darauffolgenden Jahr dann wiederum ihre Verwandten und Freunde und so verzeichnete das Dorf nach und nach einen stetig wachsenden Touristenzulauf. Besonders in den Jahren zwischen 1975 und 1995 schritt die touristische Entwicklung in Paleochora unaufhaltsam voran – es wurden bemerkenswerte Hoteleinheiten gebaut, „Rent-Room“-Etablissements ausgeweitet und sogar die ersten Touroperator wurden auf den Ort aufmerksam.

Und bis vor wenigen Jahren stieg nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität der zahlungsfreudigen Besucher aus deutschen, skandinavischen und sonstigen europäischen Landen, was sich nicht nur bei den Beherbungsbetrieben, sondern auch bei den Restaurants, Cafés und Tavernen niederschlug, die natürlich nun die „Crème de la Crème“ der kretischen Speisekarte auftischten und somit von reichhaltigen, meist grünzeugigen oder salatartigen Mezés über frischen Fisch, Oktopus und Geflügel (hier meist Hühnchen) allerlei Sorten Fleisch (Lamm, Ziege, Schwein, Rind und Karnikel) auf den Tisch kamen.

Parallel dazu entdeckten auch die Kafenion- und Barbetreiber ihre Chance, mit den Touristen ein Geschäft zu machen. Waren die Preise (100 griechische Drachmen entsprachen ca. 0,60 DM, also ungefähr heutigen 30 Eurocent) doch für mittel- oder gar nordeuropäische Gäste stellenweise schlicht ein Witz, sicherten sie dem Einen oder der Anderen durchaus ein paar halbwegs entspannte Wintermonate! Auch wenn dafür stellenweise 24 Stunden jemand hinter der Bar stehen bzw. sich servicetechnisch seinen Weg durch die eng beeinander stehenden Tische bahnen musste. Auch einige heutzutage noch aktiven Diskotheken entstanden, die stellenweise ebenfalls 24 Stunden lang geöffnet waren, jedenfalls aber von spätestens 22h abends bis weit in die frühen Morgenstunden – frühaufstehende Kaffetrinker trafen nicht selten heimwärtsschlendernde Nachtschwärmer.

Sand am Strand

Und was taten die Touristen damals tagsüber so? Nun, nicht viel anderes als heute auch. Immer noch laden zwischen Krios Beach ganz im Westen der Südküste bis hin nach Gialiskari (auch als „Anidri-Beach bekannt) wunderschöne, mehr oder weniger bevölkerte oder gar überlaufene Strände zum Sonnenbad und Schwimmen ein. Und einer der Vorzüge der Lage Paleochoras als Halbinsel liegt auch darin, dass an windigen Tagen meist sicher ist „wenn´s von links bläst, geh an den rechten Strand“ (und umgekehrt!). Funktioniert fast immer. Wir empfehlen an windigen Tagen eher den Steinstrand „Chalikia“ an der Ostseite – es sei denn, man steht auf ein gratis Ganzkörperpeeling am Sandstrand…. 😉

Wandern rund um Paleochora

Außer den müßiggängigen Sommerfrischlern gibt es hier allerdings auch jede Menge Wanderer und Mountain- oder Rennrad-Fahrer. Wem das alles zu anstrengend ist, der geht halt einfach spazieren. Dafür bieten ca. 11 km Küstenstraßen, das Kastell und die gesamte Umgebung, wie z.B. Anidri, die dazugehörige Schlucht, der Fußweg von Anidri nach Azogires (oder umgekehrt) und viele andere Naturschönheiten ausgiebig Gelegenheit. Auch der europäische Wanderweg E4 verläuft durch diese Gegend, der den nicht ganz so faulen Urlaubern eine wundervolle Möglichkeit bietet, einsame Naturgebiete in einer wunderschönen und meist noch recht sauberen Umgebung zu genießen.

Überhaupt ist die gesamte weitere Umgebung Paleochoras zum Wandern prädestiniert – hierfür eignen sich allerdings eher Frühling (April-Juni) oder der Spätsommer (September bis in den November hinein), da es in den Hochsommermonaten einfach zu heiß und trotzdem oft zu überlaufen dafür ist. Aber naja, wer´s mag….. Es bieten sich die Schluchten der Umgebung an, vor allem natürlich die Samaria Schlucht, aber auch ihre „kleine Schwester“ Agia Irini, von der o.g. und durchaus zu Fuß zu erreichenden „Anidri-Schlucht“ ganz abgesehen.

Egal für welche Tour Ihr Euch entscheidet: der vielfältige Wechsel der Landschaft mit ihrer eigenartigen Flora und Fauna beeindrucken so ziemlich jeden Wanderer und spendet die oft sehr notwendige Erholung und „Auszeit“ vom Stress der Arbeit, dem Lärm der Großstadt und dem Alltagsgrau. Und der kretische Sonnenschein (Kreta verzeichnet mehr als 300 Sonnentage im Jahr!) tut sein übriges.

Wem nicht so sehr nach Wandern und körperlicher Ertüchtigung, sondern eher nach schönen Stränden und evtl. archäologischen Stätten ist, kommt in dieser Region allerdings auch auf seine Kosten, hat sie doch das antike Lissos bei Sougia, den karibisch anmutenden Strand von Elafonisi und – direkt „vor der Nase“ gelegen – die Insel Gavdos als lohnende Ausflugsziele zu bieten. Nicht zu vergessen die wunderschönen und zahlreichen byzantinischen Kirchen rund um das nahegelegene Kandanos, die Strände (übrigens mit sehr guten Restaurants!) auf dem Weg nach Kandanos oder auch eine Tour um und durch das Bergdorf Azogires.

Paleochora in Zahlen

Die ständige Einwohnerzahl Paleochoras beträgt heutzutage ungefähr 2200 – sie setzt sich aus Menschen aus weit über 50 verschiedenen Nationalitäten zusammen, die friedlich zusammenleben. In der Hochsaison beträgt diese Zahl natürlich ein Vielfaches dessen, die Bettenanzahl beläuft sich auf mehr als 5.000 – und der Airbnb-Boom tobt – leider!!!

Auch im Winter lässt es sich hier sehr gut leben, es ist einfach ein normales Dorfleben. Supermärkte, Kafenia, Banken, Apotheken, die Post, alle Läden des täglichen Bedarfs (Elektro, Küche, Landwirtschaft), die Polizeistation, die Gemeindeverwaltung, einige Bars und Restaurants, sowie die Bäcker und Schlachter des Dorfes sind täglich geöffnet – nur Sonntags sind sie jetzt nie da, was ihnen von Herzen gegönnt sei, arbeiten sie doch in den 6 Sommersaison-Monaten fast rund um die Uhr! Und sogar eine Tierärztin haben wir jetzt hier – Dienstags und Freitags jeweils von 10-14h!

Kurzum: es hat sich viel getan seit den verheerenden und tristen Kriegs- und Nachkriegstagen – Paleochora ist wieder aufgeblüht und wächst und gedeiht, was allerdings nicht jedem so Recht ist, wird es doch langsam fast ein bisschen zu voll. Und auch die Wohnungsknappheit nimmt zu, wie neulich bereits berichtet. Hat halt immer alles seine gute und eine weniger gute Seite – wie man es sehen möchte, bleibt jedem selbst überlassen.

Nicolaos Pyrowolakis.

Die gesamte Geschichte des Dorfes Paleochora findet Ihr HIER.