Auf Kreta gibt es enorm viele Höhlen.
Gut über 2.000 sind bereits erforscht, doch es muss noch viele unberührte und unbekannte Höhlen geben. Der Kalkstein, aus dem die Insel hauptsächlich besteht, wird durch chemische Reaktionen mit dem eindringenden Regenwasser ausgespült, aber auch von Flüssen, die im Innern der Berge Gänge und Höhlen bilden. Die sichtbaren Höhlen sind nur Eingangstüren zu diesem unterirdischen System…
Die Höhlen Kretas dienten sein frühester Zeit dem Leben, dem Tod, der Götterverehrung und als Versteck und Rückhalt. Sie lieferten einen großen Teil der gesamten archäologischen Funde der Insel – und viele Legenden, die sich um sie ranken fanden Eingang in die kretische Mythologie.
Bis jetzt ist nur die Diktäische Höhle oberhalb von Psychró am Rand der Lassithi-Ebene zu einer touristischen Attraktion geworden – zweifellos auch deshalb, weil sie relativ leicht zu erreichen ist.
Zur idäischen Höhle am Psiloritis, wo Zeus der Sage nach aufgezogen wurde und zu den Höhlen von Artemis und dem Heiligen Johannes jenseits des Klosters Gouvernéto auf der Halbinsel Akrotiri, kommt man nur nach längerem Fußmarsch. Und obwohl die Kamáres-Höhle wegen ihrer bedeutenden Fund ziemlich berühmt ist, ist der Aufstieg zu ihr für die Meisten doch etwas zu schwierig. Einige Höhlen sind hier beschrieben, aber mit etwas Spürsinn und Neugierde sind noch viele weitere aufzutreiben.
Die Geburtsstätte der Götter und Orte der Fruchtbarkeit
Die Höhle des Propheten Elias (Profitis Ilias) in der Nähe von Arkalohori, ca. 32 km südlich von Heraklion, beansprucht – ebenso wie die Diktäische Höhle – die Geburtsstätte Zeus‘ gewesen zu sein. Jedenfalls muss hier ein Kultplatz der Kouréten gewesen sein, der Wächter des kleinen Zeus, da man hier bronzene Schwerter ausgegraben hat. Daneben fand man auch Miniaturversionen der heiligen minoischen Labrys – einer doppelköpfigen Axt – in Gold, Silber und Bronze.
Wie der griechische Gott der Fruchtbarkeit (Priapos, Sohn der Aphrodite und des Dionysos), wurde auch Zeus wiedergeboren – vielleicht kommt ja daher der Anspruch vieler Höhlen, die Geburtsstätte Zeus‘ gewesen zu sein. Wiedergeburtsstätte halt….
Eine Höhle auf dem Berg Gioúchtas nahe Archánes, 15 km südlich Heraklions, soll jedenfalls Zeus‘ Totenbett gewesen sein.
Höhlen sind und waren schon immer mächtige Symbole für Fruchtbarkeit. Aus der Ilíthia-Höhle in der Nähe von Episkopí südöstlich von Heraklion stammen einige Figuren schwangerer Frauen aus der Steinzeit. Zwei an der Basis ummauerte Stalagmiten waren wohl heilige Phallussymbole. Eileithia, Tochter von Zeus´Schwester und Frau Hera, wurde der Sage nach hier geboren. Sie war auch Mittelpunkt eines Fruchtbarkeitskultes in der Höhle von Ínatos. Aus dieser stammen die Totems kopulierender Paare und schwangerer Frauen, die heute im archäologischen Museum Heraklions zu sehen sind.
In der Skotinó-Höhle, die 5 km südöstlich von Gournés liegt und sich in 160 Metern Tiefe auf vier Ebenen erstreckt, wurde in griechisch-römischer Zeit die Göttin Artemis verehrt. Diese Höhle enthielt drei minoische Bronzestatuen betender Männer, die ihre Handrücken an die Stirn pressen.
Christliche Tradition prägt auch die Höhle der 99 Heiligen Väter in Azogires, ca. 9 km nordöstlich von Paleochora.
Schutz oder Falle?
Höhlen waren von jeher Orte des Schutzes, konnten allerdings auch zur Todesfalle werden. 1824 erstickten in der Melidóni-Höhle, östlich von Perama, 370 Kreter am Rauch des Feuers, das türkische Soldaten am Eingang entzündet hatten. Ein Jahr zuvor hatten Türken bei der Milotas-Höhle nahe Neapoli 2.700 Menschen, denen sie freien Abzug aus ihrem Versteck dort zugesagt hatten, getötet oder in die Sklaverei verkauft.
Noch heute sind die kretischen Höhlen legendenumwoben und kaum jemand vermag zu sagen, was davon Wahrheit, was Dichtung, Phantasie, Mythos oder Wunschdenken ist. Man denke dabei nur an die berühmten „Hippie-Höhlen“ von Matala. Wer da alles gewohnt haben soll und will – darum ranken sich die wildesten Gerüchte und Spekulationen.
Die Hippie-Höhlen von Matala
Tatsache bzgl. der Matala-Höhlen ist: in der Jungsteinzeit (und nicht etwa, wie neulich belauscht, von irgendwelchen Hippies in den 1970-er Jahren!) wurden in das weiche, poröse Gestein der Bucht zahlreiche Wohnhöhlen gegraben, die in der Zeit der römischen Besetzung Kretas als Grabstätten genutzt wurden.
Bis heute sind sie die berühmteste Attraktion von Matala geblieben. In der minoischen Epoche befand sich an dieser Stelle vermutlich der Hafen von Phaistos, in römischer Zeit war Matala der Hafen von Gortyn. Die Sarazenen unter Abu Hafs Omar, die 824 Kreta eroberten, gingen zuerst in Matala an Land.
In den 1960er Jahren siedelten sich in den neolithischen Wohnhöhlen Hippies aus aller Welt an (darunter viele junge US-Bürger, die ihre Teilnahme am Vietnamkrieg verweigerten) und gründeten dort eine große Kommune.
Zeitweise sollen hier auch Cat Stevens, Bob Dylan, Georg Danzer, Joni Mitchell und unser Freund Markus (Lemon-X) gewohnt haben – aber auch da treffen Legenden und Mythos wieder auf die unbestätigte Realität….