Ein weiteres der vielen Phänomene, die man in seinem Leben auf Kreta so erlebt ist, dass – vor allem in einem kleinen oder mittelgroßen Dorf – so ziemlich jeder alles über jeden weiß. Oder sogar mehr, als man selbst über sich weiß. Oder zu wissen glaubt…..
Stichwort: Neugier, Klatsch und Tratsch. Aber damit einhergehend natürlich auch eine Art Interesse, Fürsorge und aufeinander aufpassen. Das ist hier auf Kreta nicht anders als in wohl allen anderen Dörfern überall auf der Welt und alles hat ja bekanntlich seine guten und auch nicht so guten Seiten. Wobei die guten meist überwiegen….
Was hier allerdings anders ist, ist der Blickwinkel, den die Kreter haben, denn der geht weit über den Gesichtskreis von „normalen“ Nord-, MIttel- und anderen Südeuropäern hinaus.
Ich bin der Meinung, dass er mindestens 270° beträgt, wenn nicht noch mehr.
Woran man das merkt?
Nun, da fährt ein (entfernter) Bekannter auf dem Moped durch die Straßen, man selbst sitzt im Kafenion am Straßenrand und wird trotzdem, oft durch Hupzeichen und oft auch schon, wenn der Mopedfahrer bereits längst die entsprechende Lokalität passiert hat, gegrüßt.
Oder man steht irgendwo am Straßenrand rum, weil man auf jemanden (Mann, Hund, Katze, Freunde) wartet und schon haut jemand, der bereits an einem vorbeigerast war, die Bremse und unverzüglich den Rückwärtsgang rein und fragt, ob er/sie irgendwie helfen kann – weil man halt so verloren in der Botanik herumsteht….
Da sitzt man auch gerne mal alleine in der Strandbar und genießt den Sonnenuntergang – zack wird man gefragt, ob alles ok ist und ob man sich nicht lieber der netten Gesellschaft am Nachbartisch anschließen will.
Und selbst beim Ausflug in die „große Stadt“ (in unserem Falle Chania) trifft man ja auch immer mal wieder jemanden, bzw. „wird getroffen“. Es gibt kein Entkommen – sie sehen halt einfach alles und jeden.
Und das ist gut so. Mag für manche eventuell manchmal störend sein, denn natürlich gibt das alles auch den wildesten Gerüchten Futter (Stichwort: “haste gesehen, mit wem DER/DIE da gesessen hat?!??!”), ist aber auch sehr hilfreich im Falle eines Notfalls.
Man ist halt interessiert. An allem!
Sie sind halt einfach interessiert, die Kreter. Und zwar grundsätzlich an allem. Böse Zungen nennen sowas „neugierig“…. Honi soit qui mal y pense…. 😉
Und das Irrste daran ist: man gewöhnt sich das nach einigen Jahren des Lebens hier selbst an, denn erstens will man ja nicht als “nicht grüßender ausländischer Stoffel (wahlweise „Zicke“)” gelten und zweitens entwickelt man ein ähnliches “Interesse” an grundsätzlich allem, was sich so abspielt (gilt vor allem für weibliche Zwillingsgeborene….).
Und man merkt wirklich an einem selbst, dass sich der Wahrnehmungsradius erweitert – vollkommen ungewollt bzw. unbeabsichtigt, aber man wird einfach aufmerksamer, nimmt viel mehr (und intensiver) wahr und erfährt somit natürlich auch mehr, womit sich der Kreis zum “an allem interessierten Homo sapiens” wieder schließt….
Kreter ist man dadurch noch lange nicht und wird es auch nicht werden, aber ich habe bereits mehrfach während meiner Deutschland-Besuche zu hören bekommen „was DU alles siehst und bemerkst…!!!“ Tja, Augen auf, und zwar am besten in alle Richtungen….. 😉