Traditionelle Ölgewinnung mit neuer Technik.
Von Daniela und Wolfgang Wehrmeier.
Wer ist nicht schon mal vor einem Regal mit Olivenöl gestanden: Nativ, Premium, Extra Nativ, Kaltgepresst. Extrahiert. Extra Vergin. Wo ist der Unterschied? Was rechtfertigt die teils enormen Preisunterschiede? Wie wird Olivenöl überhaupt hergestellt? Wir wollten es genauer wissen.
Im Mai ’18 (wouwh ist das schon wieder lange her…) stand der Familienbetrieb BIOLEA in Astrikas (https://www.biolea.gr/) auf unserem Kreta-Plan. Mit griechischem Spürsinn und einem Finger auf der Landkarte machen wir uns auf die Suche. Wie so oft ist die Ortsangabe nur grobe Orientierung, aber schließlich kommt ein Firmenschild und wir stehen auf dem Hof der kleinen, traumhaft schön gelegenen Bio-Ölfabrik. Schon für diesen Blick hat sich die Fahrt gelohnt: Inmitten unzähliger Olivenhaine, hat man von hier aus rundherum eine herrliche Aussicht.
Die Junior-Chefin Chloe begrüßt uns freundlich, führt uns durch den Betrieb, erklärt die einzelnen Produktionsschritte, Qualitätsmerkmale von Olivenöl und was es auf sich hat mit Säuregrad und Peroxidzahl. Sie hat auf all unsere Fragen eine fachliche und einleuchtende Antwort. Wir sind begeistert. Wie aufregend muss diese Stätte erst bei laufendem Betrieb sein, nicht nur so sauber und ordentlich wie jetzt. Es wäre für uns als Fotografen ein echter Leckerbissen… Chloe gibt unserem Wunsch nach und lädt uns ein, im Spätherbst gerne zum Fotografieren wieder zu kommen.
Und so machen wir im darauffolgenden Jahr im Oktober auf den Weg zu unserer Lieblingsinsel. Mit einer gewissen Unruhe warten wir, wann genau es losgehen würde, denn schließlich hängt der Beginn der Olivenernte von den jährlichen Wettergegebenheiten ab. Aber Luft und Wasser sind auch im Oktober noch herrlich warm, daran ändert auch ein kleiner Regenschauer zwischendurch nichts. Wir können uns die Zeit gut mit Wanderungen und faulen Strandtagen vertreiben.
Am 18. Oktober ist es dann endlich so weit: Chloe erklärt uns, wo wir den „Pflücker-Trupp“ finden können und wir suchen unseren Weg durch die Olivenhaine. Schon von weitem hört man ein markantes Surren, schließlich werden wir fündig. Wir stellen uns kurz vor und zeigen auf unsere Kameras. Es ist einer der Momente, in denen ich froh bin, ein bisschen griechisch zu sprechen. Sofokles, der Vorarbeiter ist charmant und freundlich und lässt uns freien Lauf.
Je zwei Männer „durchkämmen“ einen Olivenbaum mit langen Stangen, an deren oberen Ende sich mehrere rundherum angeordnete Kunststoffstäbe drehen. Ast für Ast werden die Oliven damit heruntergerüttelt. Das seltsame Surren kommt von dem Generator, der die „Rüttelstangen“ antreibt. Unter den Bäumen sind Netze ausgebreitet. Der fünfte Mann im Team ist eine Frau. Sie zieht die vollen Netze unter den Bäumen zusammen, füllt die Oliven in Säcke und breitet die Netze wieder unter dem nächsten Olivenbaum aus. Das eingespielte Team arbeitet sich wortlos von einem Baum zum anderen. Mir wird schwindlig, wenn ich die tausende von Olivenbäume rund herum und überall auf Kreta sehe … Es ist ein Knochenjob! Allen Pflückern zollen wir unseren größten Respekt.
Ist der rote Pick-up voll beladen, liefert Sofokles die Ernte bei BIOLEA ab, denn die Oliven sollen möglichst gleich verarbeitet werden, damit das frische Aroma erhalten bleibt.
In dem offenen Vorraum der Produktionshalle werden die Olivensäcke in einen Schacht ausgeschüttet. Über ein Förderband kommen die Oliven wie der zum Vorschein und werden manuell von Blättern und Ästchen befreit, bevor sie hinten ordentlich abgeduscht werden. Die Oliven sind noch sehr grün, finden wir. Chloe erklärt uns, dass sie als Bio-Produzenten früher mit der Ernte beginnen müssen als herkömmliche Ölproduzenten. Je reifer die Früchte werden, umso anfälliger sind sie für Schädlinge, und da sie nicht behandelt werden dürfen … Der Ölgehalt der Oliven ist zwar noch nicht so hoch, aber die Qualität ist besser, denn die wertvollen Inhaltsstoffe sind im frühen Reifestadium besonders reichlich enthalten. Das leuchtet uns ein.
Nach der „Dusche“ kommen die Oliven nun direkt in die große Mahltrommel im Inneren der Halle. Hier beginnt die traditionelle BIOLEA-Öl Produktion: drei große Mahlsteine laufen hier im Kreis und zermahlen die Früchte nebst Kernen zu einem Brei – wie es schon zu Urzeiten gemacht wurde. Doch: früher wurden die Steine von Eseln angetrieben, bei BIOLEA macht das ein Dieselmotor! Chloe erzählt – zurecht nicht ohne Stolz – dass ihr Vater, Ingenieur, diese Technik zusammen mit Maschinenbauern eigens entwickelt hat.
Wenn der Olivenbrei die richtige Konsistenz erreicht hat, kommt er in die „Röhre“ (keine Ahnung, wie die Fachausdrück für all diese Maschinen heißen). Hier wird die Maische mit etwas Wasser verdünnt, auf eine Temperatur von maximal 27° C erwärmt und mittels einer Schnecke ca. 20 Minuten sanft gerührt und geknetet – alles elektronisch streng überwacht. So wird das Öl aus den Fruchtpartikeln gelöst und Begleitstoffe freigesetzt. „Kalt“-gepresstes Öl wird also gar nicht richtig kalt hergestellt!. „So bleiben die wertvollen Inhaltsstoffe der Oliven erhalten, die so wichtig sind für den Geschmack, den Geruch, die Farbe und auch den Vitamingehalt. Höhere Temperaturen steigern zwar den Ertrag aber auch der Säuregrad und die Peroxidzahl werden erhöht und damit die Qualität und die Haltbarkeit gemindert“, erklärt uns Chloe.
Nach diesem Arbeitsschritt wird es wieder „traditionell“. Ein Mitarbeiter spritzt den Olivenbrei auf geflochtene, runde Matten. Man kennt sie aus jedem Olivenmuseum, heute sind sie nicht mehr aus Bast sondern aus Nylon. Jeder Handgriff sitzt. Schicht für Schicht werden die befüllten Matten übereinandergestapelt – in der Mitte auf einem hohen Dorn gespießt – bis schließlich eine Art riesiger Baumkuchen entsteht.
In der Halle ist es warm und riecht wunderbar nach Oliven. Fasziniert schauen wir dem Schaffen zu. Die Oliven-Torte steht in einem hochrandigen Rollwagen und wird nun nach nebenan zur Presse geschoben. Langsam bewegt sich der Wagen nach oben und schon bald quillt Flüssigkeit – schonend gepresst – aus den Matten, wie bei einer Sekt-Kaskade. Über Schläuche wird das Olivenöl-Fruchtwasser-Gemisch in große Fässer geleitet, wo es ruhen kann. Nach ca. 10 Stunden hat sich das Öl oben abgesetzt, der Fruchtwasser kann unten abgelassen werden.
Voller Eindrücke und mit vielen Fotos verabschieden wir uns von BIOLEA. Wir haben eine wirklich traditionelle Ölgewinnung mit neuer Technik erlebt. In herkömmlichen Ölmühlen werden die Früchte in der Regel nicht mehr gemahlen, sondern wie in einem großen Mixer „geschreddert“, anschließend wird der Brei nicht gepresst, sondern mithilfe einer Zentrifuge extrahiert. Ein deutlich effektiveres Verfahren, aber vermutlich nicht so schonend.
Wieder zurück im deutschen Winter sichten wir sofort unsere Fotos, fassen die neuen Erkenntnisse über die Olivenölproduktion in Wort und Bild zusammen, träumen uns dabei zurück in den Süden. Doch dann zerstört „Corona“ unsere Reisepläne und das Heimweh nach Kreta wird schier unerträglich. So stecken wir all unsere warmen und leuchtenden Erinnerungen vergangener Reisen, unsere tiefe Sehnsucht und Leidenschaft in ein Herzens-Projekt: den Foto-Bildband „Im Schatten des Olivenbaums – Griechische Sehnsuchtsorte “ (https://wiwlio.jimdofree.com/blick-ins-buch/). Es ist unsere Liebeserklärung an den Olivenbaum, an Kreta, an Griechenland.
Endlich, im Herbst 2021 können wir wieder nach Kreta reisen. Ein Besuch bei BIOLEA seht selbstverständlich auf dem Programm. Schließlich wollen wir auch Chloe, ihrer Familie und Sofokles ihr persönliches Exemplar unseres Buches überreichen. Im ehemaligen Wohntrakt des Anwesens von BI OLEA ist inzwischen ein freundlich-helles Café mit regionalem biologischen Angebot entstanden. Michalis, Chloe‘s Mann, und ihr Sohn (dessen Ankunft wir beim letzten Besuch knapp verpasst haben 😉 begrüßen uns herzlich. Ορφέας strahlt, als er seinen Papa auf einem Foto im Buch entdeckt. Wir trinken zusammen einen köstlichen Kräuter-Eistee und genießen das Hier und Jetzt. Kali andámosi! Ta léme! Bis zum nächsten Mal.
Olivenöl Qualitätsstufen und Güteklassen
Es gibt 8 klar definierte Qualitätsstufen von Olivenölen, in Deutschland sind meist nur drei dieser Kategorien erhältlich:
Kategorie 1: Natives Olivenöl extra (= extra vergin)
• direkt aus frischen, hochwertigen Oliven
• Herstelllung rein mechanisch, schonende Kaltpressung/-extraktion • Fettsäuregehalt (Wertigkeit): max 0,8 %
• Peroxidzahl (Frische): <20 meq O2/Kg
• einwandfreier Geschmack
Kategorie 2: Natives Olivenöl (= vergin)
• Oliven müssen nicht ganz frisch sein
• Herstelllung rein mechanisch, schonende Kaltpressung/-Extraktion • Fettsäuregehalt (Wertigkeit): max 2,0 %
• Peroxidzahl (Frische): <20 meq O2/Kg
• kann leichte geschmackliche Unterschiede aufweisen
Kategorie 5: Olivenöl
• Verschnitt aus raffinierten und nativen Olivenölen.
• Mischungsverhältnis ist nicht vorgeschrieben
(meist nur 1-2 % natives Olivenöl enthalten)
• Gewinnung des Raffinats unter Einsatz von Hitze und Lösungsmitteln • Fettsäuregehalt (Wertigkeit): max 1,0 %
• weist kaum noch Geschmack auf
Mehr Infos unter: bio-vegan-bestellen.de (https://bio-vegan-bestellen.de/ blog/hochwertiges-olivenoel-erkennen-qualitaetsstufen-und-weitere-kriterien)
Der Fotobildband von Daniela und Wolfgang Wehrmeier ist zu beziehen über WIWLIO Verlag, https://wiwlio.jimdofree.com/
Und noch mehr schöne Geschichten von Daniela und Wolfgang:
Unsere abenteuerliche Reise...
Nachruf auf Georgio Tsichlakis
Buchtipp: Im Schatten des Olivenbaums