Wir hatten ja neulich schon darüber berichtet, dass es von nun an Pflicht für jeden in Griechenland Krankenversicherten ist, sich bei einem Hausarzt (ο οικογενειακός γιατρός) zu registrieren. Die Hintergründe dieser Neuregelung kannten wir bisher nicht im Detail, auch nicht die Konsequenzen bei Nichtbefolgung. Nun haben wir mal fleißig recherchiert und rumgefragt – et voilà: nun wissen wir’s. Und natürlich wollen wir dieses Wissen auch gerne wieder mit Euch teilen.
Die Etablierung der „Einrichtung Hausarzt“ beruht auf einem kürzlich von der Regierung verabschiedeten Gesetz und schreibt vor, dass jeder Bürger bei einem Hausarzt registriert sein muss, um Zugang zum Öffentlichen Gesundheitssystem zu erhalten. Hausärzte sind vor allem Allgemeinärzte und Kinderärzte.
Wenn eine Person krank ist und den privaten Gesundheitssektor nicht in Anspruch nehmen möchte oder kann, muss sie sich unbedingt an ihren Hausarzt wenden, selbst wenn die Krankheit nachweislich besser direkt von einem Kardiologen, Augenarzt, Orthopäden o.ä. behandelt würde. Erst wenn der Hausarzt meint, dass der Patient von einem Facharzt untersucht werden muss, wird er eine Überweisung zum betreffenden Spezialisten vornehmen, um dem Patienten den Besuch eines kostenlosen Arztes des öffentlichen Gesundheitssystems oder eines öffentlichen Krankenhauses zu ermöglichen.
Soweit so gut und der Eine oder die Andere wird jetzt vermutlich schulterzuckend denken: „naja, ist ja eigentlich so, wie „bei uns zu Hause“ auch – was ist daran jetzt so neu?“
Aber es gibt auch Nachteile
1. Das Recht des Patienten auf freie Arztwahl ist aufgehoben: er MUSS erst mal zum Hausarzt, der ihn dann wiederum an einen Arzt dessen Wahl überweist – unabhängig davon, ob der Patient mit ebendiesem Spezialisten glücklich oder unzufrieden ist. Es sei denn natürlich, der Patient geht den kostenpflichtigen (teuren) Weg des Privatarztes.
2. Er kann bei einem besonderen Problem nicht direkt den Augenarzt, Kardiologen, Orthopäden usw. nicht direkt aufsuchen. Er muss unbedingt zuerst zum Hausarzt und sich eine Überweisung besorgen.
3. Ein Problem kann die Qualität der erbrachten Gesundheitsleistungen sein,, da somit auch spezielle Gesundheitsprobleme nun im Ermessen von Allgemeinmedizinern und allgemeinen Kinderärzten liegen und somit ein hohes Fehlerrisiko bei Diagnose und Behandlung auftreten kann. Noch dazu hat jeder Hausarzt rechnerisch auf zwischen 1.200 und 1.500 Patienten, denen er verpflichtet ist. Die kommen vielleicht zwar nicht alle, aber wenn, dann doch sicherlich mehrfach.
Und dann kann man sich vorstellen, was in den Wartezimmern so los ist und wie viel Zeit der Hausarzt jedem einzelnen Patienten so widmen kann. Das durchschnittliche Monatsgehalt eines Hausarztes liegt übrigens bei 1.600 Euro/Monat…Brutto.
Neue Stellen geschaffen, aber nicht besetzt
Das Gesundheitsministerium hat 2.500 Arbeitsplätze für Hausärzte geschaffen. Die Zahl der bisher an diesem System teilnehmenden und registrierten Ärzte, überschreiten allerdings nicht 600. Das erinnert an ein öffentliches Transportnetz, ohne Busse und Bahnen….
Diese Pflicht, den jeweiligen Hausarzt auf jeden Fall vor dem Gang zum Spezialisten zu konsultieren, fällt aber natürlich nur dann an, wenn man das von der Krankenversicherung abgedeckt System des öffentlichen Gesundheitswesens in Anspruch nehmen will. Wer beschließt, sowieso gleich zum Privatarzt zu gehen und dort selbst zu bezahlen, kann das natürlich problemlos weiterhin tun – egal ob er nun bei einem Hausarzt registriert ist, oder nicht. Auch in (sehr) dringenden Fällen, ist die vorherige Konsultation des Hausarztes nicht zwingend notwendig – man kann sich auch direkt an das öffentliche Krankenhaus wenden, das verpflichtet ist, den Patienten aufzunehmen und zu untersuchen.
Da aber die meisten Griechen nicht in der Lage sind, teure Privatleistungen in Anspruch zu nehmen, ist zu befürchten, dass Folgendes eintritt:
- gnadenlos überfüllte Wartezimmer und entsprechend lange Wartezeiten
- Zeitknappheit beim Arzt, der nun in die „Massenabfertigung“ übergehen muss
- überforderte und gleichzeitig unterbezahlte Ärzte und daraus resultierende Qualitätsminderung der Leistungen.
Quelle: Interview mit Kinderarzt Kostas Daloukas, erschienen bei infowoman.gr.