Griechenland im TV: Auf Reisen – Gernstl in Griechenland

Bisher reiste Franz X. Gernstl und sein kleines Team quer durch Bayern und durch Deutschland. Nun hat er sich Griechenland ausgesucht. 2 Folgen seiner Reise sind am Dienstag, 1. Januar 2013 (Folge 1 „Von Euböa nach Athen“) und Mittwoch, 2. Januar 2013 (Folge 2 „Vom Peleponnes nach Athen“), jeweils um 19,00 Uhr im Bayerischen Fernsehen zu sehen.

Wenn Franz X. Gernstl, HP Fischer (Kamera) und Stefan Ravasz (Ton) auf Reisen gehen, haben sie selten einen konkreten Anlass. Sie wissen nicht genau, wonach sie suchen. Und gemeinhin auch nicht, was die Menschen, denen sie begegnen werden, bewegt. Dieses Mal jedoch ist alles ein wenig anders, denn das Ziel der Reise ist Griechenland. Was denken die Griechen über die Krise, im Privaten, fernab der großen Politik? Ist sie sichtbar und wenn ja, wo? Gernstl und sein Team begeben sich auf Spurensuche …

Die Reise beginnt in Antia, am Südzipfel der zweitgrößten Insel Griechenlands Euböa. Das Bergdorf ist so abgelegen, dass die Bewohner ihre eigene Pfeif-Sprache entwickelt haben. In früheren Zeiten warnten sie sich so vor Feinden. Vor der Krise hat es sie nicht bewahrt – auch ihnen sollen finanzielle Zulagen gestrichen werden. Franz X. Gernstl möge bei Angela Merkel daher bitte ein gutes Wort für sie einlegen. Der alte Mann lacht, nachdem er das gesagt hat. Dennoch spürt man, wie ernst es ihm ist.

Weiter geht es nach Edipsos, einem alten Kurort im Norden der Insel. Vor dem Grand Hotel tagt unter Schatten spendenden Bäumen das „Mikri Vouli“, das „Kleine Parlament“. Hier liefern sich betagte Kurgäste hitzige Wortgefechte. Manchmal kommt die Ambulanz. „Merkel ist super, sie hat ihr Land im Griff“, wirft eine Dame ein und liefert den Beweis gleich nach: „In Berlin hat jeder Baum eine Nummer. Wenn ein Baum krank wird, ruft man an, nennt die Nummer und dann kommt jemand, der den Baum kontrolliert. Wir hingegen wissen nicht einmal, wie viel Beamte wir haben!“

Mit der Fähre setzt das Team von Euböa auf das Festland über. In einem kleinen Ladengeschäft in Athen verkauft Pantelis Melissinos Sandalen. Pantelis ist ein stattlicher Mann mit milden Gesichtszügen: „Im Leben geht es darum, mit dem zufrieden zu sein, was man hat. Das haben die Griechen verlernt. Jetzt bekommen sie die Quittung dafür.“ Er meint, was er sagt: Die internationale Prominenz kauft bei ihm ein. Seine Sandalen kosten trotzdem nur 28 Euro das Paar.

Josef Eckert, gebürtiger Bayer, hat drastischere Einblicke. Der griechisch-orthodoxe Priester arbeitet als Seelsorger auf einer Krebsstation: „Dort sterben Menschen, weil die teuren Medikamente nicht mehr bezahlt werden.“ Trotzdem habe die Krise auch positive Seiten: „Die Menschen rücken zusammen. Das ist ein urchristlicher Wert.“

Auch in der malerischen Siedlung Anafiotika, die Gastarbeiter vor gut 150 Jahren in den Fels der Akropolis geschlagen haben, rückt man zusammen. Jeden Abend, zum Abendessen auf dem Dorfplatz. Reihum wandern Schüsseln mit griechischen Gerichten. Das haben die Bewohner – einige wurden durch die Krise arbeitslos – allerdings schon immer getan. Weil es dem Lebensstil entspricht. Die Griechen haben ein Wort dafür: „Parea“. Es bedeutet „zusammen mit Freunden Essen und Trinken“.

„Auf den ersten Blick“, stellt Franz X. Gernstl nach dem ersten Teil der Reise fest, „ist die Krise nicht zu sehen. Aber wohin man auch kommt – sie ist schon da.“

Der zweite Teil ihrer Reise beginnt im Norden der Peloponnes. Dort trifft das Team Maria Vlachou. Die hübsche junge Frau wollte Dolmetscherin werden, doch es gab keine Jobs. In einem Restaurant in der Schweiz kommt sie auf eine Idee: „Ich habe Schnecken gegessen. 38 Euro für 12 Stück!“ Das ist wenige Jahre her. Heute führt sie ein Schneckenimperium und rät ihren Altersgenossen: „Geht raus aus der Stadt, dort gibt es keine Arbeit mehr. Und fangt an zu produzieren!“

Weiter im Süden der Peloponnes, in Areópoli, entdeckt Franz X. Gernstl eine kleine Bäckerei. Sie gehört Milia Tsatsouli, einer kleinen Frau, die ihr Alter nicht verraten will: „Ich hoffe, dass die Menschen nicht aufhören, Brot zu essen.“ Das sagt sie ohne Ironie, denn die Bäckerei ist alles, was sie hat. Mit 28 Jahren verliert sie ihren Mann, alleine zieht sie die Kinder groß. „Ich liebe meine Bäckerei“, sagt sie. „Weil ich mit ihr sechs Kinder großziehen konnte, weil sie meine Gedanken ordnet und weil sie mich meine Einsamkeit vergessen lässt. Aber“, dann fängt sie an zu lachen, „ich werde sie auch nicht mehr los. Mehrmals wollte ich aufhören, aber es geht nicht.“

Auf dem Weg zurück nach Athen trifft das Team am Straßenrand auf Ute und Gottfried Mehnert aus Marburg. Das deutsche Rentnerpaar hat ein Ferienhaus in Griechenland und die Ursache für die Krise identifiziert: „Die Griechen wurden 400 Jahre von den Türken unterdrückt, das Misstrauen gegen jede Form von Herrschaft sitzt tief. Deshalb leben sie lieber am Staat vorbei. Selbst wenn es der eigene ist.“

In Nafplio, 150 Kilometer südlich von Athen, baut Sophokles Papaioannou Wein an. Eine uralte Sorte, 3500 Jahre alt. Der Rebensaft ist tiefschwarz. Sophokles lebte lange als erfolgreicher Unternehmer in Bayern, doch es zog ihn zurück in die Heimat. „In Deutschland macht man für alles ein Kreuzchen in den Kalender: Hier machen wir ein Kind, hier putzen wir, hier kaufen wir ein. Ihr lebt, um zu arbeiten. Wir hingegen leben, um zu leben.“ Deutscher Fleiß kombiniert mit der Lebensart der Griechen – das wäre die perfekte Kombination, fügt er lächelnd hinzu. Und meint dabei ein wenig auch sich selbst.

Athen ist die letzte Station von Gernstls Griechenlandreise. Knapp die Hälfte aller Griechen lebt hier. In der Stadt trifft das Team an einer Straßenkreuzung auf eine Suppenküche. „Wir geben 100 Essen am Tag aus“, sagt Initiator Konstantinos Polychronopylos. „Das wäre nicht viel, aber gegenüber gibt die Caritas 2000 aus – und es reicht immer noch nicht.“

Gut 250 Meter über den Dächern, auf Mount Lycabettus, endet die Bestandsaufnahme. Franz X. Gernstl und sein Team treffen Panos Verveniotis. Der Anwalt spricht fließend deutsch, denn er hat in Heidelberg studiert. „Auch ihr habt Euch in den letzten 20 Jahren verändert. Ihr seid fröhlicher geworden, lustiger, kosmopolitischer.“ Dann fügt er mit einem Lachen hinzu: „Und schaut Euch mal die ganzen Schulden an, die ihr aufgebaut habt – ihr seid schon fast wie wir!“

Quelle: BR.de