Unbekanntes Kreta: Schön schaurig – Wandern im Tal der Toten.

Heute entführen wir Euch mal wieder in den äußersten Osten der Insel – und zwar in das „Tal der Toten“. Hört sich an wie der Titel eines Karl-May-Films – und ein ebensolcher hätte dort durchaus ein phänomenales Bühnenbild gehabt. Allerdings ist diese Schlucht der Toten (To Farangi Nekron – το φαράγγι νεκρών) heute lediglich ein schöner Ausflugstipp – ganz ohne cineastische Hintergründe.

Die Wanderung durch diese Schlucht ist der letzte Abschnitt des Europäischen Fernwanderweges E4, der in Portugal beginnt und in Káto Zákros endet. Eine leichte Tour durch die Schlucht zum „unteren Zákros“ – insgesamt rund acht Kilometer, der Höhenunterschied beträgt nur etwa 200 Meter. Das kann man auch als mittelmäßig trainierter Wanderer in guten zwei Stunden schaffen. Ihren Namen verdankt die Schlucht den Minoern, die vor rund 4000 Jahren am Ausgang der Schlucht beim heutigen Káto Zákros einen prächtigen Palast errichteten und ihre Toten in Höhlen in den Felswänden beisetzten. Unversehrt wurde jedoch nur ein Grab gefunden: es enthielt die Leichname von fünf Frauen aus der Zeit von 2300 bis 2100 v. Chr. Alle anderen waren ausgeraubt. 

Die relativ einfache Wanderung durch diese Schlucht ist vor allem im Frühsommer zu empfehlen, wenn der Bach nur wenig Wasser führt, die Umgebung und der Grund der Schlucht sich üppig grün zeigen und voller schattiger und blühender Oleanderbüsche sind. Im Frühjahr nämlich ist der Wasserstand meist aufgrund der winterlichen Niederschläge ziemlich hoch und die mehrfach notwendige Durchquerung des knietiefen Baches  verlängert die Gehzeit dann doch beträchtlich.

Der Weg führt an besagtem Bach entlang zu dessen beiden Seiten die zerklüfteten Felswände rund 300 Meter emporragen. Oben klaffen die Höhlen der Toten und man fragt sich, wie die Minoer wohl ihre Toten in diese Höhlen transportiert haben.

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Von Zakros nach Kato Zakros durch´s Tal der Toten.

Ein Fest für fast alle Sinne

Die Wanderung durch diese Schlucht berührt fast alle Sinne: der Bach rauscht leise, manchmal hört man einen Raubvogel schreien. Knorrige Büsche krallen sich am Fuß der Felswände fest, als wollten sie sich hinaufarbeiten, süßlich-würziger Duft weht durch die Schlucht, eine Melange aus Thymian, Oregano und Salbei, dazwischen blühen im Frühling weißliche Liliengewächse und rosa Oleander. An großen Steinen entlang des Flusses weisen Markierungen den Weg, vorbei an gestautem Gehölz, hin zur nächsten flachen Furt oder einigen Balken, die über den Fluss führen. Der Pfad fordert wenig Mühe, nur etwas Geschick, um von den großen Steinen im Flussbett nicht abzurutschen.

Nach einer guten Stunde fallen die Berge ringsum ab, der Fluss versickert, der Wanderer erreicht das Gatter am Ende der Schlucht, das die Ziegen im Zaum hält. Am Horizont glitzert endlich und endlos das Meer. 1961 wurde am Ausgang der Schlucht ein minoischer Palast entdeckt, der kleinste nach Knossós, Festós und Mália. In Káto Zákros stießen Forscher auf wertvolle Kunstobjekte wie eine Vase aus Bergkristall, die jetzt im Archäologischen Museum in Iráklion steht. Die Grundmauern zeigen noch immer die Wohnräume wahrscheinlich von König und Königin, die Hallen, in welchen den Göttern gehuldigt wurde, und die Schatzkammer, in der die Schätze des Königshauses gelagert wurden.

Káto Zákros lebte von der Seefahrt – und das nicht schlecht. Die Stadt profitierte vom regen Handel mit Ägypten, Syrien und Zypern. Káto Zákros ist heute eine winzige Strandsiedlung. Ein paar Bars und Tavernen, größer wird der Ort zum Glück auch nicht mehr werden, und jeder, der hier einmal gebadet hat, weiß das zu schätzen. Das Bauen in der Nähe des Palastes ist verboten – keiner weiß schließlich, was da noch alles im Untergrund liegt. Auch den Hafen der Minoer hat man noch nicht gefunden, Forscher wähnen ihn auf dem Meeresgrund, doch man fischt zurzeit noch im Trüben.

Etwa einen Kilometer hinter den Mauern des Palastes liegt in einer Felswand der Eingang zur Tropfsteinhöhle von Pelekitá, einem 310 Meter in die Tiefe führenden verwinkelten Gang, in dem Stalaktiten und Stalagmiten wie Zähne von versteinerten Monstern aus der Decke und dem Boden ragen. Die Wege in der Höhle sind markiert, aber finster. Wer sie erkunden will, sollte allerdings unbedingt Taschenlampe und eine geeignete Höhlenausrüstung bei sich haben.

Das Tal der Toten und die Tropfsteinhöhle von Pelekitá sind auf jeden Fall einen Besuch wert – ein abschließendes Bad im libyschen Meer bei Kato Zakros und ein Abendessen in einer der kleinen Tavernen des Dorfes runden einen wunderbaren und interessanten Ausflugstag perfekt ab. 

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Quellen: Merian und eigene Erfahrung.