Nach dem 2. Weltkrieg ging Kreta wieder neu an´s Werk – eben um die Kriegsfolgen zu beheben. Die alte Lebensweise mit ihrer überlieferten Arbeit und Kultur nahm wieder ihren gewohnten Gang, und ein Besucher, der nicht die ausgetretenen Pfade betritt, kann sie heute noch finden….
Mal wieder ein Neubeginn
Ende der 1940-er Jahre hatte Kreta das Glück, nicht in den Bürgerkrieg hineingezogen zu werden, der das Festland in zwei Teile zerriss. Es hatte durchaus Anlässe für interne Kämpfe zwischen Kommunisten und Nicht-Kommunisten auf der Insel gegeben, aber man hielt sich zurück. Das Nachkriegsleben normalisierte sich. Die Landwirtschaft erfuhr einen Aufschwung und die zerstörten und verwahrlosten Städte und Dörfer wurden einem gründlichen Wiederaufbauprogramm unterzogen.
Das kretische Nachkriegs-Dorfleben
Anfang der 1950-er Jahre kehrte der britische Autor Patrick Leigh Fermor nach Kreta zurück, um seinen Kameraden aus dem Widerstand – George Psychoundákis – zu besuchen. Er machte die beschwerliche Reise mit einem Maultier in das Dorf Asigoniá in den Weißen Bergen – den Lefka Ori – wo Psychoundakis damals lebte. Zu dieser Zeit war ein großer Teil Kretas noch für Autos unzugänglich, es gab kaum Straßen in die Gebirgsdörfer und die Bevölkerung lebte in kleinen, abgelegenen Siedlungen ohne Strom, ohne fließendes Wasser, ohne sanitäre Anlagen.
Abseits der Städte an der Nordküste lebten die Menschen in einer Stille, die nur selten vom Klappern der Eselhufe oder vom Geräusch einer Hacke unterbrochen wurde. Dörfliche Landwirtschaft herrschte vor, hauptsächlich Subsistenzgartenbau, doch die Kreter aßen einfache und gute Gerichte aus Tomaten, Gemüse, Kartoffeln und Zwiebeln, die sie in ihren Kipoi – ihren Gärten – oder auf ihren kleinen Äckern anbauten. Sie pflanzten ihren eigenen Weizen, mahlten ihr eigenes Mehl, buken ihr eigenes Brot, pressten ihr eigenes Olivenöl, tranken selbstgemachten Wein und Tsikoudia (Raki). Wer noch dazu Viehzeugs hatte – also Schafe und Ziegen – hatte auch noch eine wunderbare Milchquelle und stellte selbst Käse her. Naja, und irgendwann dienten die Viecher dann auch als Fleischquelle – meist nur ein mal im Jahr (meist zu Ostern). Selbstversorger auf ganzer Linie also.
Die Häuser hatten gestampfte Lehmfußböden, rauchgeschwärzte Balkendecken unter Erddächern, ein offenes Feuer, meist einen kühlen und dunklen Lagerraum für Öl, Wein und getrocknete Früchte in großen Krügen, deren Muster meist noch aus minoischer Zeit stammte.
Die Möblierung war sparsam und das Wasser kam aus dem Brunnen, der Quelle oder dem Fluss. Beinahe jeder über 30 trug die traditionelle Tracht: die älteren Frauen von Kopf bis Fuß in schwarz, die Männer trugen kniehohe Stiefel, eine Art Reiterhose und das typische schwarze Fransentuch „Sariki“ (σαρίκι) oder „Mandili“ (μαντίλι) um den Kopf.
Das Sariki ist ein schalartiges, meist gehäkeltes schwarzes Dreieckstuch mit Fransen, das mehrfach um den Kopf gewickelt wird. Die Fransen sind wie kleine Quasten gestaltet und hängen in die Stirn. Sie sollen nach einer Überlieferung Tränen symbolisieren und ebenso wie die schwarze Farbe Schmerz und Trauer um die Opfer der osmanischen Herrschaft zeigen, insbesondere an die im Jahre 1866 im Kloster Arkadi umgekommenen Aufständischen erinnern.
Heute wird das Sariki noch in abgelegenen Bergdörfern oder bei besonderen Anlässen getragen, etwa von Tänzern und als Bestandteil der kretischen Tracht, zu der auch die typischen Pluderhose (vraka), die Lederstiefel (stivania) und eine Leibschärpe gehören. Und noch dazu hilft das Sariki/die Mandili mit ihren runterhängenden Quasten wunderbar, Fliegen aus dem Gesicht zu verscheuchen….
Die Schulbildung dazumal
Die meisten Kinder erhielten eine Grundschulbildung in den Dorfschulen, aber nur wenige besuchten weiterführende Schulen. Unser lieber Wassili (Jahrgang 1936) – DAS Allroundtalent schlechthin was Kräuter, Pilze und Schnecken sammeln, Fischen und Muränen erlegen (und zubereiten!!), Fliesen legen, filigranen Schmuck und gerne auch Fischernetze herstellen oder flicken, Motoren und Fischerboote reparieren, Karnikel züchten, Olivenöl und tollen Wein herstellen, Mantinades rezitieren, großartiges Essen zubereiten und immer gute Laune verbreiten angeht – ist, seiner eigenen Auskunft nach, genau 3 Jahre zur Schule gegangen. 2 Jahre in Vlithias, 1 Jahr in Spaniakos. Das war von 1942 – 1945. Und er weiss so unglaublich viel – das kann wahrscheinlich keine noch so lange Schulbildung vermitteln und kann kaum in einem Buch niedergeschrieben werden, denn sein Wissen ist schlicht enzyklopädisch! Fragt ihn irgend etwas – Wassilis weiss die Antwort (wenn es nicht grade um Aktienkurse, Internet-Hypes und sonstigen neumodischen „Schmarr´n“ geht!).
Alle armen Dorfbewohner, also die Mehrheit aller Kreter, hatten damals etwa ein gleiches Einkommen. Die medizinische Versorgung basierte traditionell auf Kräutern und Aberglauben – Grausamkeit und Großzügigkeit mischten sich im Alltag und legten sicher die Basis für die sprichwörtliche kretische Gastfreundschaft, die „kritiki Filoxenia“ (Κρητική φιλοξενία).
Änderung des Charakters?
Aber dann kamen die „guten“ Jahre, die irgendwie aber irgendwie gar keine waren. Autos, Geld, Fernseher, moderne Geräte und der Ansturm des Massentourismus übernahmen das Zepter, vor allem in den Küstenregionen. Hat all das den kretischen Charakter aus der Zeit vor den Touristen verändert? Sind die Kreter immer noch warmherzig, fröhlich, gastfreundlich, leicht erregbar, lässig, wild, launenhaft, von unabhängigem Geist und schwarzem Humor getrieben?
Wir haben dazu durchaus unsere eigenen Meinungen – aber diese finale und individuelle Beurteilung überlassen wir Euch!
Radio Kreta – gute Informationen aus dem Outback….
Mehr Wissenswertes zur kretischen Wesensart und des Charakters, zur kretischen Seele und wo diese Kreter eigentlich herkommen.