Diese Geschichte ist zwar mal wieder von „Anno dazumal“, man trifft das Beschriebene allerdings auch heutzutage durchaus noch in abgelegenen Bergdörfern an. Schön, poetisch und zutreffend beschrieben in Erhart Kästners Buch „Kreta“.
„Während damals die Hühner gebraten wurden, dachte ich an die Küche drunten im Staatsgut von Ambelusos, wo ich während meiner Tage in der Messara zu Gast war. Es war ein großer und staatlicher Gutsbetrieb. Eines Nachmittags wollte ich uns einen Kaffee kochen und suchte deshalb die Küche. Sie war in einem Schuppen auf dem Hof.
Als ich sie betrat, sah ich, dass so gut wie alle Voraussetzungen für mein Vorhaben fehlten. Wäre nicht der Kamin gewesen, auf dem ein paar Zweige glommen, und nicht drei rußige Tiegel an der Wand, so hätte nichts darauf schließen lassen, dass man sich in der Kochwerkstatt eines reichen Gutes befinde.
Ich sah keine Schüsseln zum Anrühren und keine zum Abspülen, kein Wasser, kein Geschirr, keinen Eimer, kein Tuch. Als Schöpflöffel war eine alte Konservendose da, deren Henkelstiel aus gewickeltem Draht bestand. Ich ging an das Wrack eines Schrankes und öffnete ihn: mir bot sich das Bild der Vergänglichkeit. Keinerlei Vorräte waren da. Nur auf den Mienen der Kochfrau malte sich ein großer, ein unerschöpflicher Vorrat von Ergebung und Geduld.
Es war mir ein Rätsel, wie aus dem Nichts dieser Mittel täglich ein Essen entstehen konnte, das vielfältig und von ausgesprochener Kultur war. Diese schwärzliche Alte in Lumpen, unterm Kopftuch ein Lächeln und einen Demutsblick, der einer gemalten Madonna würdig war, brachte mit Nichts Gerichte zustande, die viel erfindungsreicher und viel nuancierter waren, als man es aus vielen sehr weißlackierten und apparatereichen Küchen Europas bekommt. Wie der Phönix aus der Asche entstieg diesem unsauberen Rauch- und Feuerloch von Küche täglich das Beste.
Für mich war weder eine Kaffeemühle noch ein Sieb vorhanden. Von irgendwoher wurde schließlich ein Mörser gebracht, der nicht frei von Grünspan war. In einem Kessel, der wohl hätte ein Kalb zum Sieden aufnehmen können, wurde Wasser zugesetzt. Da kein Deckel da war, wölkte der Rauch sich darüber hin; das Feuer wurde durch Blasen entfacht. Als es soweit war, fand sich das Halbe eines Tee-Eis aus Aluminium. Es wurde an eine Gabel gezinkt, so gossen wir ab.
Wie diese Küche, so malt sich das Bild jeder Werkstatt, jeder Ölpresse, jeder Weinkelterei. Es ist immer wieder erheiternd, wie und womit sie sich helfen. Neues machen sie bald kaputt, wie die Kinder. Aber im Kampf mit dem Ewigkaputten bleiben sie Meister.
Alle Voraussetzungen fehlen. Das bringt ins Dasein Neugriechenlands so etwas Abstraktes. Hier ist das Leben eine Improvisation.“
Diese kleine Geschichte und einige andere mehr, die wir Euch im Laufe der Zeit vorstellen wollen, findet Ihr im Buch „Kreta“ des nicht unumstrittenen Autors Erhart Kästner.