Der aufmerksame neudeutsche „Follower“ – oder halt herkömmlich: diejenigen, die uns seit Jahren treu sind und unsere Berichterstattung aufmerksam verfolgen – hat/haben die vorletztjährige Selbstkasteiung der Scheff(koch)redakteuse während der vorösterlichen Fastenzeit sicher an allen 48 Tagen mitbekommen, vielleicht sogar mit“gelitten“ (wobei, soooo schlimm war´s ja gar nicht….) und ggf. sogar vielleicht das ein oder andere Rezept im Selbstversuch nachgekocht.
Hatte sich Scheffredakteuse ja vorgenommen, das wenigstens einmal in ihrem Leben durchzuziehen, hat sie für dieses Jahr beschlossen, dass das nicht unbedingt gleich wiederholt werden muss. Naja, oder nur jeden 2. Tag oder so. Oder nur in der letzten Woche. Oder in irgendeiner Woche zwischendurch, oder so. Mal sehen, ist ja noch ein bisschen Zeit bis dahin.
Bei unserer häufigen Lektüre von Büchern, die nun mal in weiterem oder engerem Zusammenhang mit Kreta – und dabei natürlich auch mit seiner Küche – sind wir natürlich auch mal wieder über einen Artikel bzgl. der kretischen Fastenzeiten gestolpert. Und der Plural „Fastenzeiten“ ist sehr bewusst gewählt, gibt es doch nicht nur die landläufig bekannte vorösterliche, 48 Tage dauernde Fastenzeit, sondern auch noch schlappe 5 Fastenwochen, die vom 15. November bis zum Weihnachtsfest andauern. Macht auch kaum noch jemand – zumindest nicht über die gesamte Dauer, sondern bestenfalls in der letzten Vorweihnachtswoche – ist aber griechisch-orthodox durchaus korrekt.
Nun also noch ein bisschen mehr zu den Hintergründen dieser insgesamt mehr oder weniger 12 Wochen andauernden Selbstkasteiung und des Verzichts…..
Das ist wie die Frage nach der Henne und dem Ei. Was war zuerst da? Die kosmische Einsicht oder die religiöse Vorschrift? Sicher ist, dass eine Reduktion des Ernährungsverhaltens in gewissen Intervallen dem menschlichen Organismus, seiner körperlichen Gesundheit und geistigen Leistungsfähigkeit von Nutzen ist und beide steigert. Für den wochenlangen Verzicht entschädigt man sich dann mit großen Festen.
Leicht ist die Enthaltsamkeit den Menschen nie gefallen, und schlau haben sie diese Termine eingerichtet. Zum Ende des Winters, im Februar und März, quellen die Gaben der Natur ohnehin sehr karg, und die angelegten Vorräte schwinden. Und zur Erntezeit im Sommer und Herbst muss man dann ein paar erinnernde und gesunde Fastendaten setzen, die das „memento mori“ in´s Gedächtnis rufen.

Damit sind exakt die Lebensgewohnheiten und Bräuche der Kreter erfasst, von der Antike bis jetzt, alle Zeitenumbrüche und Glaubensschwankungen überdauernd.
In der siebenwöchigen Fastenzeit vor Ostern, die von der orthodoxen Kirche eingefordert wird, werden keine Milchprodukte und kein Fleisch verzehrt, auch Olivenöl sollte nicht sein (ist aber nur in der Karwoche wirklich verboten). Aber Meeresprodukte wie Oktopus, Sepia, Kalamari und andere Weichtiere, wie z.B. Schnecken sind durchaus zum Verzehr erlaubt, desweiteren auch milchproduktfreie Süßigkeiten, allerlei Gemüse, Backwaren und auch Alkohol. Die „Erlösung“ findet dann am Ostersonntag mit einem regelrechten Gelage mit Fleisch von Ziege und Lamm statt – uff!
Am 15. November setzen weitere fünf Fastenwochen bis Weihnachten ein, in denen nur frische Gemüse und Hülsenfrüchte zulässig sind. Ausnahmetag ist der 6. Dezember, der Tag des Heiligen Nikolaus: da wird auch wieder Fisch geboten, meist in Form der legendären Fischsuppe Kakavia oder als Gericht aus getrocknetem Kabeljau (Bakaliaros) mit Kichererbsen oder sonstigem Gemüse.
Das sind, verteilt auf das Jahr, mehr als zwei Monate wochenlanges Fasten, an denen keinerlei tierisches Fleisch oder Fett verzehrt werden darf. Wenn man sich das für seine eigenen Ernährungsgewohnheiten bewusst macht, wird die Besonderheit der kretischen Ernährung deutlich.
Wann käme man denn mal vom Einkauf zurück, ohne Wurst und Fleisch, Butter, Milch und Eier im Gepäck zu haben? Und wieviel Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte befinden sich normalerweise im Einkaufskorb?

Man muss ja nicht an die religiösen Fastenvorschriften glauben und sich auch nicht strikt daran halten. Aber als kleine Orientierung durch eine wie auch immer lange dauernde, selbst verordnete Fastenzeit, dienen sie allemal. Ihr gesundheitlicher Wert ist unbestritten und durch die jahrtausendealte Tradition kretischer Ernährungsweise Tag für Tag zu beweisen. Nicht striktes Diätfasten, aber konsequentes Ernährungsverhalten nach kretischer Manier ist der Schlüssel, die Chance zu einem gesünderem Leben und einer längeren Lebensdauer.
Fasten hat übrigens nicht notwendigerweise mit Gewichtsverlust zu tun, wenn man das nicht will. Ich habe z.B. während der 48 Fastentage kein Gramm Gewicht verloren (das wollte ich auch strikt vermeiden!) – trotzdem hat diese „Enthaltsamkeit“ etwas mit meinem Körper getan. Und es hat gut getan, wenn es auch nicht immer ganz einfach war...